lte Sachen wiederzuverwerten, ist was ganz Natürliches“, findet Johannes Münsch. Das, was man heute Upcycling nennt, sei nur durch den ständigen Konsum aus den Köpfen verschwunden. Der gebürtige Ulmer will in diesem Sinne also Erinnerungsarbeit leisten. Er sieht sich auch nicht als Erfinder, der etwas Neues macht: „Ich mach eigentlich etwas Altes“, gesteht er lachend. Sein Motto lautet: „Vom Abfall zum Glücksfall“, so sammelt er wertvolle und doch kostengünstige Materialien beim Abriss von Häusern – darunter Möbel, Leuchtreklamen oder Badewannen aus Gusseisen mit Löwentatzen. Selbst seinen Firmenwagen hat er vom Schrottplatz geholt, Motor und Getriebe neu eingebaut, lackiert und bereift. Aus alten Holztüren macht er Tische für ein neues Gastro-Konzept, aus alten Flipperautomaten entstehen dekorative Elemente zur Wandbeleuchtung.
//Gerade bewundert er Farbe und Form der Fensterrahmen in seinem lichtdurchfluteten Atelier, die Sonnenstrahlen brechen auf dem Boden in viele kleine Regenbögen. „Ich mag es schön gradlinig, damit das Material zur Geltung kommt, und die Leute sich Gedanken machen, woher das Material wohl stammen mag und warum es jetzt so aussieht“, postuliert er. Und arbeitet nachhaltig in allen Belangen.
Upcycling geht auch räumlich.
Als Einzelunternehmer ist Johannes zwar sein eigener Chef, er arbeitet aber immer wieder mit neuen Leuten zusammen. „Ich finde es sehr interessant, wie sich neue Arbeitsgruppen bilden und erweitern – oftmals auch längerfristig“, erzählt der 30-Jährige. Anfänglich dachte er, er müsse Leute für die Zusammenarbeit überhaupt erst gewinnen. Mittlerweile läuft es gut: „Ich bin froh darüber, wie es jetzt funktioniert.“
//Tatsächlich kann der Architekt einige spannende Projekte vorweisen. Begonnen hat alles in der Tischlerwerkstatt seines Onkels, in der er manchmal arbeitete, und mit seinem Moped, an dem er regelmäßig rumschraubte. Es folgten Architekturstudium, Mitgestaltung der Kulturbäckerei und eine richtungweisende Diplomarbeit für die Firma Rolf Spectacles im Lechtal. Hierfür beschäftigte er sich mit dem Abriss von Gebäuden, Müll und dem Bau neuer Elemente in der damals frisch erworbenen Industriehalle der Firma. „Ein witziger Zufall“, erinnert sich Johannes, „das war eine ehemalige Waffenherstellerfabrik, die von Rolf Spectacles neu bespielt wurde. Und zwar mit einem super nachhaltigen und natürlichen Produkt, nämlich Holzbrillen.
„Nicht genutzte Gebäude sind Irrsinn, das gibt sogar die Stadtpolitik vor.“
Johannes Münsch
Der Halle wurde also ein neues, friedliches Leben eingehaucht.“ Umso interessanter ist also der Verlauf des Weges des kreativen Upcyclers, der aktuell in Innsbruck ein Stöckelgebäude in einem Innenhof der Maria-Theresien-Straße als Atelier und Eventraum nutzt. Dieses gehörte zur ehemaligen Waffenfabrik Peterlongo. Ein wohl vergessener Schießstand, den Johannes zufällig wiederentdeckt hat, dient als verstaubtes Zeugnis vergangener Zeiten. „So bin ich schon zum zweiten Mal in einer Waffenfabrik gelandet“, lacht er, und freut sich über die friedlichen Wiederbelebungsmaßnahmen, die er ins Stöckelgebäude bringt. Im zweiten Geschoß finden nämlich auch Yogasessions und Dinner-Partys statt.
Temporäre Zwischennutzung.
Ähnlich wie der Verein Brache – mit dem er übrigens regelmäßig in Kontakt ist – hat Johannes ein Konzept zur Bespielung von ungenutzten Räumen namens „Badewanne“. Mit Kunst, Musik und Tanz wollen leerstehende Lokale auch nur kurzzeitig genutzt werden. Für die Räumlichkeiten wird ein Unkostenbeitrag geleistet, die Miete ist kostenlos. „So haben wir den Vorteil der Nutzung, während die Immobilie wieder wahrgenommen wird und sich dadurch
leichter vermitteln lässt." Dieser Plan ist für eine ehemalige Handyanbieterfiliale bereits aufgegangen. „Dort hatten wir einen Pop-up-Store, übrigens eine ganz positive Erfahrung, und wenige Monate später wurde ein Mieter gefunden“, erzählt der 30-Jährige. Also eine klassische Win-win-Situation für ein Lokal, das bis dahin drei Jahre lang leer stand. „Nicht genutzte Gebäude sind Irrsinn, das gibt sogar die Stadtpolitik vor“, kommentiert er weiter. Und schlägt eine Leerstandagentur vor – oder eine aktuelle Datenbank mit allen Eckdaten zu den leerstehenden Räumen.
//„Sein“ Stöckelgebäude wird in den kommenden Monaten auch einem Tiefgaragenbau weichen müssen, da es kürzlich vom Denkmalschutz befreit wurde. Für Johannes kein Problem, er kennt die Spielregeln der Zwischennutzung. Er bedauert lediglich, dass mit dem Abriss ein Stück kreative Dynamik verschwinden wird. „Das Handwerk erlebt aktuell ein interessantes Revival, so wäre es doch auch im Sinne eines abwechslungsreichen Stadtbildes, die Kreativ-Werkstätten aufzuwerten, und ihnen mehr Platz zu geben“, findet der Architekt.