nglaubliche 911 Euro: Um diesen Preis wechselte ein gut erhaltenes 1970er-Exemplar von „Abrakadabra“, dem Erstlings- und Einzlingswerk der Oberinntaler Teenager-Band Klockwerk Orange, am 20. Mai 2011 auf eBay seinen Besitzer. Im Oktober desselben Jahres ging eine Original-LP der Innsbrucker Rockband Isaiah für 535 Euro über den eBay-Ladentisch.
Weltweit gesucht.
Wer sich mit Vinyl und den dazugehörigen Internet-Preiskapriolen nicht auskennt, wird angesichts derartiger Beträge vielleicht den Atem anhalten. Für Schallplatten-Profis wie den Innsbrucker Plattenhändler, Clubbesitzer und DJ Justin Barwick und den Journalisten, Plattensammler und DJ Albi Dornauer sind hunderte Euro, die regionale Musikproduktionen auf dem internationalen Markt erzielen können, längst keine Überraschung mehr.
//Barwick und Dornauer konnten über die letzten Jahre verfolgen, wie ein immer stärker werdender Internet-Handel selbst die verborgensten Vinyl-Schätze ans Licht und an ein zahlungskräftiges Publikum brachte: russischer Funk, brasilianischer Psychedelic, Jazz aus Äthiopien – und eben auch Rock und Proto-Pop aus Österreich. „Gibt es nicht“ gab es am Schallplattenmarkt nicht, „lässt sich nicht um teures Geld verkaufen“ gab es noch viel weniger. Das einzige Problem: Die Stückzahlen von inzwischen gesuchten Platten waren schon bei Erscheinen gering, mehr als 40 Jahre später sind von einer ursprünglichen Klein-Auflage naturgemäß nur mehr sehr wenige Platten in abspielbarem Zustand im Umlauf.
Das steigert zwar den Preis, schmälert aber die Möglichkeit einer weiteren Verbreitung. Der internationale Vinylmarkt trug diesem Umstand Rechnung und veröffentlichte viele rare LPs als Neuauflagen, in Österreich tat sich hier aber wenig: Viele Sound-Schätze blieben weiterhin ungehoben, die bekannten Pretiosen waren zunehmend unauffindbar und für den Fall, dass doch: fast unbezahlbar.
1950er bis 1980er.
Um diesen Missstand zu beheben, gründeten Albi Dornauer, Justin Barwick und Robert Engelmann 2013 in Innsbruck das Label Digatone. Wenig später schloss sich der Wiener Journalist und Plattenarchivar Al Bird Sputnik mit seinen Trash Rock Archives der Innsbrucker Truppe an. Als Non-Profit-Verein organisiert, ist Digatone seit zwei Jahren spezialisiert auf Erst- und Wieder-Veröffentlichungen von seltener österreichischer Populärmusik. Die musikalische Bandbreite erstreckt sich dabei von der Geburt des heimischen Rock’n’Roll in den 1950ern über den Beat der 1960er bis hin zum Progressive und Punk der 1970er und frühen 1980er.
Alle Veröffentlichungen erscheinen mit viel Beitext und Fotos in limitierter Stückzahl auf Vinyl, von manchen Alben gibt es auch eine CD-Version. Internationale Vertriebe sichern Digatone-Platten die Verbreitung in Europa, in Amerika und überall dort, wo Vinyl-Sammler Lust auf seltene österreichische Musik und dazugehörige Geschichte(n) haben. Und die sitzen gerne auch mal in Finnland oder Japan.
Obskures wiederbeleben.
Die erste Digatone-Veröffentlichung war eine aufwändig gestaltete Wiederauflage von „Abrakadabra", jener Platte, die vor knapp 40 Jahren von einer jungen Tiroler Gruppe rund um Hermann Delago produziert wurde und inzwischen von Süd-Korea bis Chile gesucht ist. 2014 folgte der Repress von „Isaiah“, einem Longplayer, der 1975 erstmals zu kaufen war, mit etwas Glück einer Innsbrucker Studentenband mit ihrem progressiven Jazz-Rock zum internationalen Durchbruch hätte verhelfen können und längst nicht mehr greifbar ist. Mit dabei sind auch die Demos zum geplanten zweiten Album der Band, die dem Label damals zu wenig poppig waren, nie erschienen und in dessen Folge sich die Band schließlich auflöste.
//Ein bis dato unveröffentlichtes Album „Digatone 003“ ist dem Wiener Komponisten Gerhard Heinz gewidmet.
Heinz war jahrzehntelang nicht nur der österreichische Spiel- und Werbefilm-Komponist, ohne den quasi nichts ging, er hatte auch keine Berührungsängste bei der Vertonung ursprünglich schlüpfriger, inzwischen kultiger Bahnhofskino-Filmchen. Der Heinz-Soundtrack zu „Geißel des Fleisches“ ermöglicht eine akustische Reise zurück in verrauchte Jazz-Stripclubs der Sechzigerjahre, wo musikalisch scheinbar alles möglich war.
//Als vierte Digatone-Veröffentlichung folgte „Schnitzelbeat Vol. 1“ und damit eine Compilation, die als Aneinanderreihung wilder Perlen österreichischer Beat-, Exotika- und Rock’n’Roll-Musik viele längst vergessene Musikstücke wiederaufleben ließ. Die fünfte Veröffentlichung war „Schamlos“, ein weiteres Glanzstück aus der musikalischen Feder von Gerhard Heinz, und ähnlich wie „Geißel des Fleisches“ ein bisher unveröffentlichter Sex-&-Crime-Soundtrack. Die aktuelle, aber mit Sicherheit nicht letzte Digatone-Veröffentlichung ist schließlich die Compilation „Schnitzelbeat Vol. 2“, deren wilde und teilweise „unerhörte“ Beat- und Garagen-Rock-Bands die bisher unbekannten Ausläufer der Beatles- und Stones-Welle hierzulande behandeln und die dabei genau wie alle anderen Digatone-Veröffentlichungen vor allem eines zeigt: Es gab eine spannende österreichische Populär-Musik, lange vor dem klassichen Austro-Pop und noch viel länger vor Wanda und Bilderbuch.
Alle Digatone-Veröffentlichungen erscheinen mit viel Beitext und Fotos in limitierter Stückzahl auf Vinyl.