Innsbrucks Öffi-Nutzung in Zahlen
2010 nutzten 39,5 Millionen Gäste das IVB Netz, 2019 wurde die 70 Millionen-Grenze geknackt.
Die Zahl der gemeldeten Fahrzeuge schwankte seither nur um wenige
Prozentpunkte: 2010 gab’s in Innsbruck 436,9 PKW/1.000 Einwohner, 2018 waren es etwas weniger mit 429,2.
Währenddessen ist die Einwohnerzahl von 120.500 auf 133.200
gestiegen.
Und: Schon heute sind 70 % der Innsbruckerinnen und Innsbrucker im Binnenverkehr mit Öffis, Fahrrad oder zu Fuß unterwegs.
sagt Josef Ölhafen, für den WK-Geschäftsführer der Sparte Transport und Verkehr, wäre das auto- und LKW-freie Szenario schwer vorstellbar, zumal das tägliche Leben massiv erschwert wäre: „Wie würden Feuerwehr oder Rettung ihre Einsätze abwickeln? Wären LKWs Teil dieses Szenarios? Wie würde sonst die Müllabfuhr funktionieren? Wie kämen Lebensmittel in die Supermarktregale? Großeinkäufe in die Vorratskammer? Neue Möbel ins Wohnzimmer? Ältere Mitmenschen an Orte, die nicht mit den Öffis erreichbar sind? Kinder in die Schulen? Urlauber in den Urlaub? Pendler in die Arbeit? Handwerker zur dringend benötigten Reparatur? Politiker zu ihren Terminen im ganzen Land? Die Liste ließe sich endlos weiterführen.“
„Ohne Auto und LKW würde das tägliche Leben massiv erschwert werden.“
Josef Ölhafen, Wirtschaftskammer Tirol
… sagt IVB-ChefMartin Baltes:„Innsbrucks Öffi-
Netz ist aktuell gut aufgestellt, was auch die Fahrgaststeigerungen seit 2010 belegen (siehe Seite 23). Der Transport von Durchreisenden, Pendlern und Gästen stellt die größere Herausforderung dar. Um all diese Menschen ausschließlich mit dem öffentlichen Verkehr zu befördern, würden die aktuellen Kapazitäten nicht ausreichen. Auch die Technologie entspricht noch nicht dem, was wir bräuchten. Es gibt zum Beispiel Batteriebusse, die aber weniger Platz für Fahrgäste als andere Busse bieten. Nachdem Batteriebusse ein paar Jahre in Betrieb sind, wird zudem die Akkukapazität schwächer, dann schaffen sie deutlich weniger Kilometer pro Ladung, Bergstrecken ausgenommen. Damit wäre unser Bedarf nicht zu decken – es sei denn, wir setzen viel mehr Busse ein.“
„Eine Alternative wären Wasserstoffbusse, mit Reichweiten bis 500 km. Ihr Problem: Dafür müssen wir erst Wasserstoff produzieren, was wiederum viel Energie verbraucht. Diesen Bedarf könnte man nur decken, wenn etwa alle geeigneten Dächer Tirols mit zweckgebundenen Photovoltaikanlagen ausgestattet wären. Vielversprechender sind die neuen Entwicklungen in Sachen Oberleitungsbusse, mit Fahrzeugen, die nicht ständig mit einer Leitung verbunden sein müssen, weil sie Energie speichern und Teilstrecken autonom fahren – eigentlich der effizienteste Umgang mit Energie, weil sie direkt von der Leitung in den Antrieb kommt. Allerdings muss auch die Akzeptanz dafür gegeben sein. Zudem kosten alle neuen Technologien viel Geld.“
„Der Transport von Durchreisenden, Pendlern und Gästen stellt die größere Herausforderung dar.“
Martin Baltes, Geschäftsführer IVB
… sagt der Journalist Winfried Wolf bei seinem Vortrag zu Klimakrise und Verkehr Anfang Jänner im Wiltener Stadtteilzentrum. Klimatologen plädieren seit Jahrzehnten für eine Reduktion der CO2-Emissionen, weltweit gebe es trotzdem 950 Millionen PKW. „So viele wie nie zuvor, und jährlich werden es 80 Millionen mehr“, sagt er. 2019 kamen in Österreich 80.000 neue Fahrzeuge hinzu, weniger wären aber gut für unsere Luft: Laut WHO sterben weltweit 4,5 Millionen Menschen wegen Feinstaub, wovon fast die Hälfte auf den Straßenverkehr zurückzuführen ist. In der EU sind es 400.000, in Österreich 3.800 vorzeitige Todesfälle jährlich (laut „The Lancet Countdown“ Bericht von 2016).
//E-Fahrzeuge seien aufgrund horrender Produktionsbedingungen keine nachhaltige Lösung, im Gegenteil: „Sie werden die Klimakatastrophe beschleunigen, statt sie abzuwenden“, kritisiert Wolf. Auch sei die Versorgung mit Ökostrom in großem Maßstab unrealistisch. Außerdem ergaben Berechnungen, dass uns mehr Autos langsamer machen: In Wien soll der Individualverkehr im Durchschnitt mit 25 km/h unterwegs sein, „nicht schneller als ein sportlicher Radfahrer“, sagt Wolf. Weniger Autos würden weniger Platz verbrauchen und einen Systemvorteil darstellen.
Wie könnt’s gehen?
Für ein fast autofreies Innsbruck wären laut Winfried Wolf unter anderem solche Maßnahmen anzudenken:
- Reduzierte Tempolimits auf Autobahnen einführen, PS-starke Boliden wären dadurch nutzlos.
- Statt den in Österreich jährlich neu gebauten 200 bis 300 Straßenkilometern, Tunnelprojekten oder Flughafeninvestitionen könnten Schienenausbau, Fußgänger- bzw. Fahrradwege und Öffis forciert werden.
- Die innerstädtischen Wege kurz halten, Einkaufzentren in der Peripherie bauen.
- Bis zu zwei Drittel der Gütertransporte sind unnötig inflationär. Lebendtiertransporte werden von Österreich nach Spanien zum billigeren Schlachthaus geschickt und kommen als Schnitzel retour. Besser regionale Kreisläufe stärken.
„E-Fahrzeuge werden die Klimakatastrophe beschleunigen, statt sie abzuwenden.“
Winfried Wolf, Journalist
Wir könnten das Spiel auch andersrum spielen:
Als es noch keine Autos gab, waren Menschen deswegen nicht kreuzunglücklich. Sie hatten einfach andere Gewohnheiten. Natürlich brauchen wir nach wie vor Fortbewegungsmöglichkeiten für Arbeit, Ausbildung, Sicherheit, Gesundheit, Handel und Wirtschaft. Egal wie mies ihre Ökobilanz wäre, kommunale Autos für Grundbedürfnisse würden und sollten fahren dürfen. Trotzdem wird die breite Masse mistspielen müssen, kurze Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen.
Paradigmenwechsel
Wir könnten uns auch fragen, warum beispielsweise alle bis acht in der Früh in der Arbeit sein müssen – lässt sich das nicht anders steuern und die Spitzenzeiten breiter verteilen? Warum muss die Welt ohne Auto die gleiche Leistungsfähigkeit haben wie die Welt mit Auto? Es kann doch auch eine andere sein, die wir nur noch nicht kennen. Wir müssten uns halt darauf einlassen und unsere Gewohnheiten ändern.
//Auch sollten wir uns fragen, wieviel Energie wir uns für Wegwerfprodukte leisten können, die kein Mensch wirklich braucht. Sie mögen zwar Teil der Wertschöpfung sein, aber wir werden Alternativen finden müssen. Und mit den Menschen reden. Einen Paradigmenwechsel kann man nicht einfach verordnen.