Was wäre, wenn ...
... die Stadt 5.000 Wohnungen bauen würde?
Georg Willi: „Wenn wir diese Wohnungen auf einen Schlag zur Verfügung hätten, könnten wir einmal die Wohnungswerber-Liste abarbeiten – von rund aktuell 2.000 auf Null – und wir hätten 3.000 weitere Wohnungen, die wir kostengünstig am Markt hätten. Das wiederum würde zu einer Verschiebung führen: Wären günstigere Wohnungen am Markt, wirkt sich das auf Angebot und Nachfrage aus, und Vermieter mit sehr hohen Preisen für ihre Wohnungen müssten diese reduzieren, wenn sie überhaupt noch Mieter wollen.“
... es einen Mietpreisdeckel geben würde?
„Das würde den Markt entspannen. Es gibt in Teilbereichen der Stadt bereits jetzt einen Mietpreisdeckel und zwar überall dort, wo das Mietrechtsgesetzt (MRG) anzuwenden ist bzw. wäre. Sprich: bei Altbauwohnungen. Wir sind jetzt dabei, den dazugehörigen Gebäudebestand zu erheben, um diesen dann auch ausweisen zu können. Damit sowohl Vermieter als auch Mieter wissen, welche Regeln für ihre Wohnung gelten. Es gibt Wohnungen – Stichwort Studierenden-WGs –, für die Vermieter zu viel verlangen. Das ist nicht erlaubt. Allerdings: Wo kein Kläger, da kein Richter. Hier braucht es Transparenz.“
... wenn die Stadt mehr Baugrund zur Verfügung hätte?
„Rein statistisch hätte Innsbruck ausreichend gewidmete Flächen. Nur sind das zum Teil Flächen, die man in den 70ern und 80ern einfach als Wohnbaugebiet gewidmet hat – in manchen Fällen, ohne die Eigentümer zu fragen. Das waren oder sind zu einem Gutteil Bauern, die ihre Bauernschaft weiterbetreiben wollten bzw. wollen. Vom Papier her wären ihre Flächen Bauland, faktisch sind sie das aber nicht.
//Das Interesse der Stadt ist es, Baugrund so günstig wie möglich zu bekommen, um dort auch günstigen Wohnraum schaffen zu können. Und der Eigentümer will natürlich einen guten Preis. Wenn diese beiden Positionen unvereinbar bleiben, dann bleibt alles, wie es ist. Wenn wir also Flächen hätten, die faktisch Bauland sind, könnten wir leichter und schneller mehr leist-bares Wohnen schaffen.“
... die Stadt anstelle des Flughafens die Fläche des Flughafens zur Verfügung hätte?
„Wenn wir plötzlich eine so riesige Fläche zur Verfügung hätten, wäre ich zunächst einmal sehr vorsichtig. Eine Stadt muss langsam wachsen dürfen. Auf einer solchen Fläche könnte man Wohnbau, aber auch Gewerbe und Freizeitflächen realisieren – müsste aber auch die notwendige Infrastruktur bereitstellen: Kindergärten, Schulen, Spielplätze, Straßen, eine Anbindung der Öffis, Radwege, irgendwann bräuchte dieser neue Stadtteil auch Alters- und Pflegeheime. Eine solche Möglichkeit wäre also fast schon ein zweischneidiges Schwert.
//Aber klar, wenn dem so wäre, wenn wir diese Fläche – und die für die Erschließung notwendigen Mittel – zur Verfügung hätten, hätte die Stadt Innsbruck auf, ich traue mich zu sagen, 100 Jahre und mehr ausgesorgt.“
... die Stadt, Leerstände in Wohnraum umwandeln könnte?
„Ökonomisch betrachtet ist Leerstand wiederum nicht effizient. Die Frage ist, wie man Menschen dazu bewegen kann, ihre leer stehende Wohnung auf dem Markt zur Verfügung zu stellen. Mit Sanktionen oder mit Anreizen? Um abzuschätzen zu können, welche Maßnahme bei potenziellen Vermietern greift, müsste man zunächst die jeweiligen Beweggründe für den Leerstand kennen.
//Gleichzeitig gilt es wahrscheinlich auch politisch zu beurteilen, wie weit – und auf welche Art und Weise – man in diesem Kontext in individuelle Eigentumsrechte eingreifen kann bzw. möchte.“
... es ein Spekulationsverbot geben würde?
„Wann beginnt Spekulation? Es ist eine menschliche Eigenschaft, Gewinn machen zu wollen. Und ich finde auch, wenn jemand etwas verkauft, soll er dabei auch etwas verdienen dürfen. Die Frage ist: Wann ist es ‚ausgschamt‘ – wann ist es Spekulation? Gäbe es dafür eine klare Definition, wäre ich für dieses Verbot.
//Unser großes Problem derzeit ist, dass der Finanzmarkt so gut wie keine Zinsen hergibt, der Wohnungsmarkt aber von Jahr zu Jahr Preissteigerungen garantiert. Das heißt, selbst wenn ich einen hohen Preis für eine Wohnung zahle, ist sie in zwei, drei Jahren mehr wert, als wenn ich dieses Geld jetzt über denselben Zeitraum auf die Bank legen würde.“
... die Stadt Airbnb regulieren könnte?
„Die Grundidee von Airbnb, über einen gewissen Zeitraum im Jahr seine Wohnung vermieten zu können oder ein Zimmer in einer großen WG immer wieder Gästen aus der ganzen Welt zu vermieten, war genial. Wenn jetzt aber jemand eine Zweitwohnung oder mehrere Wohnungen hat und alle auf Airbnb stellt, weil er so mehr einnimmt als mit einem regulären Mieter, dann muss Schluss sein!
//In solchen Fällen wird Wohnraum ganzjährig entzogen. Außerdem werden dadurch die Mietpreise wieder nach oben getrieben, weil der Markt kleiner wird. Hätte die Stadt hier eine Handhabe, um die Vermietung auf Airbnb zum Beispiel zeitlich zu begrenzen, würde sich der Markt entspannen.“
„Mit 5.000
Wohnungen
könnten wir
die Warte-
liste auf
einen Schlag
abarbeiten.“
Georg Willi, Bürgermeister Stadt Innsbruck
„Spekula-tion
und Absicherung
sind zwei
Seiten
derselben
Medaille.“
Simon Czermak Ökonom, MCI
... die Stadt 5.000 Wohnungen bauen würde?
Simon Czermak: „In diesem Fall würde der Markt grundsätzlich dem Angebot-Nachfrage-Prinzip folgen. Sprich: Wird das Angebot bei mehr oder weniger gleicher Nachfrage größer, sinken die Preise. Diese Prognose kann man mit einer relativ hohen Sicherheit wagen.“
... es einen Mietpreisdeckel geben würde?
„Ein Mietpreisdeckel wäre ein zweischneidiges Schwert. Kurzfristig würden davon vor allem Menschen profitieren, die bereits eine Wohnung haben. Eine Studie1), die die Auswirkungen eines solchen Deckels in San Francisco untersucht hat, zeigt mittel- und langfristig auch negative Konsequenzen auf: Man hat festgestellt, dass der Mietmarkt kleiner geworden ist – da es nicht mehr so attraktiv war, eine Wohnung zu vermieten, haben einige Besitzer ihre Wohnungen lieber verkauft. Eine Annahme, die auch für Innsbruck realistisch erscheint.
//Eine weitere Konsequenz ist, dass Mieter weniger mobil sind und somit Wohnungswechsel weniger oft stattfinden und auch kaum mehr genutzte Wohnungen nicht aufgegeben werden, was das Angebot an verfügbaren Wohnngen einschränkt. Zudem müsste man wohl damit rechnen, dass vermehrt Vermieter versuchen würden, die Begrenzung zu umgehen. Je stärker die Regulierungen des Staates, desto größer der Anreiz, diese zu umgehen.“
1) The Effects of Rent Control Expansion in Tenants, Landlords, and Inequality: Evidence for San Francisco, American Economic Review 2019
... wenn die Stadt mehr Baugrund zur Verfügung hätte?
„Geht man davon aus, dass es mehr Angebot braucht und man schafft dieses, indem man mehr Flächen bebaut bzw. mehr baut – hätte das einen positiven Effekt für die Mieter bzw. einen negativen auf die Mietpreise, weil sie sinken würden. Zentraler Kern ökonomischer Überlegungen ist die Effizienz von Maßnahmen. Diese Effizienz wird immer dann erreicht, wenn knappe Ressourcen so verwendet werden, dass sich schlussendlich ein größtmöglicher Nutzen ergibt.
//Dies kann in Bezug auf Wohnungsbau auch durchaus durch Verdichtungen erreicht werden. Wird ein Supermarkt mit Wohungen aufgestockt, ergibt sich beispielsweise eine höhere Effizienz, weil dieselbe Fläche nun gleichzeitig für das Gewerbe und zum Wohnen genützt werden kann.“
... die Stadt anstelle des Flughafens die Fläche des Flughafens zur Verfügung hätte?
„Hier kann der Ökonom eine eindeutig zweideutige Antwort liefern. Wiederum aus der Sicht der Effizient lautet diese: Wenn der Flughafen bzw. das Flughafen-Areal der Gesellschaft als Wohnraum mehr nützt, wäre ein dementsprechender Umbau sinnvoll. Der Flughafen hat jedoch als Infrastrukturunternehmen viele positive Effekte. Deshalb müsste man hier ganz genau erheben und abwägen, welcher Nutzen nun überwiegt. Ich würde hier die Vermutung anstellen, dass der Flughafen an sich bereits einen hohen Nutzen für Innsbruck – und ganz Tirol – hat.“
... die Stadt, Leerstände in Wohnraum umwandeln könnte?
„Leerstand zu erheben, ist, mit einigem Aufwand und Rückfragen, prinzipiell möglich. Hätten wir ihn erhoben, könnte man zwei Dinge tun: Die freundliche Variante ist, mit den Eigentümern zu reden und sie zu bitten, ihre Wohnung zu vermieten. Wenn ihnen das zu viel Aufwand wäre, könnte die Stadt hier als Hausverwaltung einspringen und Mieter suchen, bei Problemen diese lösen und dem Vermieter die – leistbare – Miete auch bei Ausfällen garantieren.
//Die härtere Tour wäre zu sagen: Leerstände sind sozial unverträglich und wir belegen sie mit einer Abgabe: Wer nicht vermietet, der zahlt. Hier befindet man sich aber ganz schnell in einem Spannungsfeld zwischen dem Respekt vor Eigentum versus: Die Stadt hat dafür zu sorgen, dass die Menschen ein Dach über dem Kopf haben.“
... es ein Spekulationsverbot geben würde?
„Hier bräuchte es erstens eine klare Definition, zweitens eine Möglichkeit, Spekulation eindeutig identifizieren zu können, und drittens Sanktionsmöglichkeiten – jeder dieser Punkte ist sehr schwer umzusetzten. Erwirbt jemand eine Wohnung zur Eigennutzung in Erwartung, dass die Preise in den folgenden Jahren steigen werden, ist das strenggenommen bereits Spekulation.
//Spekulation und Absicherung sind zwei Seiten derselben Medaille. Im Allgemeinen ist aber klar, dass Spekulation – im großen Stil und im Sinne von Hortungen – sich negativ auf Mieter am Wohnungsmarkt auswirkt.“
... die Stadt Airbnb regulieren könnte?
„Airbnb ist auch aus ökonomischer Sicht ein schwieriges Thema. Die grundlegende Idee der sogenannten Sharing Economy ist wirtschaftlich gesehen zwar effizienzsteigernd und positiv, im Falle von Airbnb scheinen tatsächliche Geschäftsmodelle – zumindest in einigen Bereichen – jedoch ganz andere Ziele zu verfolgen. Natürlich spielen hier auch gewerbe-, bau- und feuerpolizeiliche und steuerrechtliche Fragen eine Rolle. Eine gut durchdachte, effiziente und für alle Beteiligten faire Regulierung wäre auch aus ökonomischer Sicht wünschenswert.“