Wir empfehlen
FEBER 2019

Mehr als eine Scheibe

Ultimate Frisbee zeigt nicht nur, was man mit einer einfachen Scheibe
alles anstellen kann, sondern auch, wie fair und gemeinschaftlich Sport sein kann. 6020 war bei einem Trainingsabend mit dabei.

Foto: Franz Oss
Auch im Winter. In der Turnhalle des Reithmanngymnasiums wird regelmäßig trainiert.
M

it einer schnellen Rückhandbewegung wirft David die Scheibe zu Susan, sie fängt geschickt, lässt sich von Gegenspieler Tobi und seinen blockenden Armbewegungen nicht irritieren und wirft die Scheibe zu Arno, der springt hoch, fängt die Scheibe im Flug und sichert seiner Mannschaft einen Punkt. Großer Jubel und gegenseitiges Abklatschen sind die Folge. Es ist ein kalter Winterabend, aber in der Turnhalle des Reithmanngymnasiums wird ordentlich geschwitzt.

// 

„Ultimate Frisbee ist ein sehr laufintensiver Sport, er kombiniert das Sprinten von American Football, das schnelle Passspiel von Fußball und das Springen von Basketball“, erklärt der Coach des Trainings, Lucas Konstantinoff, 32 Jahre alt und Ingenieur aus Innsbruck. Vor über 50 Jahren in den USA erfunden, gilt Ultimate Frisbee heute als der schnellstwachsende Teamsport weltweit. Grundsätzlich wird der Sport auf Rasen gespielt, aber in der kalten Jahreszeit trainieren die zwei Tiroler Frisbeevereine Flying Circus und Innsiders in Hallen, regelmäßig auch gemeinsam, so wie an diesem Sonntagabend. 

Scheiben-Pionier.

In den 1990ern hat Arno Lingenhel den Frisbeesport nach Tirol gebracht, und auch wenn er seine Trainertätigkeit schon ordentlich zurückgeschraubt hat, als Spieler und beim Training ist der 52-Jährige nach wie vor liebend gern dabei. „Ich bin so froh, dass ich diesen Sport als Student kennengelernt habe. Ultimate Frisbee hat mein ganzes Leben beeinflusst. Ich durfte aufgrund der Turniere so viele Menschen auf der ganzen Welt kennenlernen und hatte mit meiner Frau viele Jahre ein großartiges, gemeinsames Hobby.“ Arno hat als Biologiestudent in Graz Ultimate Frisbee in einem Kurs kennengelernt und wollte auch nach seiner Übersiedlung nach Innsbruck nicht auf seinen Sport nicht verzichten. 1990 hielt er seinen ersten Frisbee-Kurs am Sportinstitut der Uni Innsbruck, nur wenige Monate später gründete er mit seiner späteren Frau den Verein „Flying Circus“. 

„Es ist ein sehr
laufintensiver Sport.“

Lucas, Trainer

„Der Fair-play-Gedanke prägt einen als Spieler. Das nimmt man mit.“

Arno

„Früher war Frisbee eine Art Hippiesport, aber in den letzten Jahren hat sich Ultimate Frisbee total entwickelt.“

David

"Das mit dem Hund am Strand?"

Frisbee wird auf der ganzen Welt in Vereinen gespielt, ist aber dennoch ein Randsport. Die meistgestellte Frage, wenn Arno von seiner großen Leidenschaft erzählt, ist: „Ist Frisbee das mit dem Hund am Strand?“ Darüber können Arno und seine Mitspieler nur schmunzeln. Seit Jahren fahren sie zu Turnieren auf der ganzen Welt, spielen im österreichischen Nationalteam, und im Herbst 2018 haben die Innsiders im Herrenbewerb zum zweiten Mal den österreichischen Staatsmeistertitel geholt.

// 

David Huter, 31 Jahre alt und aus Innsbruck, war bei diesem großen Erfolg als Spieler mit dabei. Der Steuerberater findet es schade, dass der Sport in Österreich nicht so bekannt ist – und dass die Sponsorensuche so schwierig ist. „Aber dafür gibt es die Möglichkeit, sehr schnell gut zu werden und bei den Besten mitzuspielen“, erklärt David. „Früher war Frisbee eine Art Hippiesport, die Spieler hatten fast alle lange Haare, und bei den Turnieren ging es sehr chillig zu, aber in den letzten Jahren hat sich Ultimate Frisbee total entwickelt. Der Sport ist sehr professionell geworden.“

 Mehr als eine Scheibe

MITEINANDER. Die Gleichberechtigung aller Spieler ist ein wichtiges Prinzip.

 Mehr als eine Scheibe
 Mehr als eine Scheibe

Die Liebe zur Scheibe.

Inspiriert von Kindern, die mit leeren Kuchenblechen warfen, wurde die Frisbeescheibe als Spielgerät in den 1950er-Jahren in den USA erfunden. Die Sportart Ultimate Frisbee entwickelten dann Studenten in New Jersey in den 1960ern. Passend zum Geist der Zeit, war die Idee die Gleichberechtigung aller Mitspieler, Entscheidungen werden gemeinsam am Feld getroffen. Ultimate Frisbee gilt als einziger Teamsport der Welt, der ohne Schiedsrichter gespielt wird.

// 

„Der Fair-play-Gedanke prägt einen als Spieler. Man nimmt diesen Gedanken auch ins Berufs- und Privatleben mit und das ist wunderschön“, erklärt Arno. Und David fügt hinzu: „Was Ultimate Frisbee von anderen Sportarten unterscheidet, ist, dass es keine Feindschaft und keine Aggressivität gibt. Sogar bei Weltmeisterschaften trifft man sich im Vorfeld mit dem gegnerischen Team und tauscht sich aus. Das weltweite Gemeinschaftsgefühl von Frisbeespielern, sogar auf höchstem Niveau, finde ich einzigartig.“ Auch den Gedanken von Mixed Teams findet David großartig. „Meine Freundin spielt auch Ultimate Frisbee. Als Paar einen Mannschaftssport auszuüben, ist etwas Besonderes.“

// 

Ultimate Frisbee wird in mehr als 40 Ländern gespielt, weltweit dürfte es mehr als fünf Millionen Spieler geben. Die amerikanischen Frisbeespieler sind seit jeher nahezu unschlagbar, in Europa gibt es gerade in Italien einen regelrechten Boom, nicht zuletzt dank eines sehr charismatischen Trainers, wie David erklärt. Tirols „Frisbee-Übervater“ Arno denkt noch lange nicht ans Aufhören und hat einen klaren Wunsch für die Zukunft: „Mehr Trainingsmöglichkeiten, damit wir bald auch wieder das Juniorentraining aufnehmen können.“ Für einige ist die Welt eben doch eine Scheibe. 

Die Regeln

Beim Ultimate Frisbee stehen sich zwei Teams zu je sieben Feldspielern auf einem ähnlich dem American Football gegliederten Rasen gegenüber. 

 

Die Offence, also das angreifende Team, hat zum Ziel, die Scheibe in die Endzone des gegnerischen Teams zu befördern und darin zu angen. Den Weg dorthin überwindet sie durch geschicktes Passspiel, denn die Scheibe darf nur durch Würfe bewegt werden. 

 

Nach jedem Punkt darf eine beliebige Anzahl von Spielern ausgewechselt werden. Um dies zu ermöglichen, beträgt die Mannschaftsstärke meistens um die 15 Personen. Ein offizielles Spiel endet, wenn eine Mannschaft 15 Punkte erreicht hat. Dazu gibt es ein Zeitlimit von 100 Minuten. Es gibt Mixed-, Männer-, Frauen- und Jugend-Teams. 

 

Seit den 1980er-Jahren werden Weltmeisterschaften und Europameisterschaften durchgeführt. In Europa wird neben den nationalen Meisterschaften seit 2007 auch eine Champions League ausgetragen.