as Jahr 1947: eine englische Landschaft, wie sie sich Rosamunde Pilcher nicht harmonischer hätte erträumen können, ein Sherlock Holmes, der alt geworden ist und mit seiner Haushälterin und deren Sohn am Land lebt. Idyllisch beginnt „Mr. Holmes“ des amerikanischen Regisseurs Bill Condon, der zuletzt vor allem durch zwei Teile von „The Twilight Saga: Breaking Dawn“ wenn schon nicht berühmt, dann zumindest berüchtigt geworden ist. Wer jetzt für „Mr. Holmes“ Übles befürchtet, stereotype Charaktere, Kitsch sogar, der wird enttäuscht. Mit viel Feingefühl lässt Condon den britischen Schauspieler Ian McKellen (zuletzt Gandalf in „Der Hobbit“) als Sherlock Holmes eine innere Reise in die Vergangenheit antreten, 35 Jahre zurück in die Zeit von Holmes’ letztem Fall.
Mühsame Reise.
Die Notwendigkeit dieser Rückschau wird erst nach und nach klar: Holmes befindet sich am Land im selbstgewählten Exil, kann den genauen Grund dafür aber nicht mehr rekonstruieren. Alles, was ihm bleibt, sind das dumpfe Gefühl, damals etwas falsch gemacht zu haben, und der Wunsch, diese Ungewissheit nicht mit ins Grab zu nehmen.
Es ist eine mühsame Reise, auf die sich der inzwischen 93-Jährige hier einlässt, immer wieder gegen die beginnende Demenz ankämpfend, von vermeintlichen Wundermitteln und Hirnstimulanzien enttäuscht, von der strengen Haushälterin kritisch beobachtet, aber von deren Sohn inspiriert.
Alt, leidensfähig, humorig.
Bill Condons und Ian McKellens ruhiger Sherlock Holmes hat nichts mit der zuletzt von Robert Downey Jr. für das Action-Kino angelegten eindimensionalen Figur des Sherlock Holmes gemein. Auch vom autistischen Eigenbrötler, als der sich Benedict Cumberbatchs Holmes in der BBC-Fernsehserie „Sherlock“ offenbart, trennen ihn Welten. Dieser Sherlock Holmes ist alt, leidensfähig, beweist feinen Humor, trotzt mit scharfem Verstand dem eigenen Verfall und findet in der Begegnung mit dem jungen Sohn der Haushälterin noch einmal den Zugang zu seinem Inneren. Dieser Sherlock Holmes könnte – wäre er keine Kunstfigur Arthur Conan Doyles – wirklich gelebt haben. Und ihn möchte man nach 100 Minuten Spieldauer genauso gerne einmal treffen, wie man sich vorstellen kann, im England der späten 1940er Jahre zu leben.