in Feierabendbier genehmigen wir uns gern mal“, erklärt Hannes Dreml lachend und holt aus einem kleinen Kühlschrank im Aufenthaltsraum eine Flasche. Hannes trägt Vollbart, Brille, T-Shirt und Jeans und spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, herrlich unverblümt und im charmanten Zillertaler Dialekt. Man kann nicht genau sagen, wie man sich einen jungen Mann mit dem Wunsch, Priester zu werden, vorstellt, Hannes’ Erscheinen aber überrascht in jedem Fall. Im Aufenthaltsraum bespricht der 32-Jährige mit seinem Kollegen im Innsbrucker Priesterseminar an der kleinen Bar oder am großen Ecktisch den Tag, spielt Karten und singt.
//Regelmäßig kommt eine Gesangslehrerin und macht mit den Seminaristen Atemübungen und Stimmtraining. „Ein angehender Priester muss ja auch singen können“, sagt Regens Roland Buemberger. Der frühere Pfarrer von Zirl ist seit 2014 als Leiter des Priesterseminars für die Ausbildung der Priesteranwärter zuständig. „Regens ist eine Berufsbezeichnung, so ähnlich wie Schuldirektor“, erklärt Buemberger, und seine freundlichen Augen blitzen.
Die Ausbildung zum Priester ist mehr als das Theologiestudium, sie beinhaltet auch das Leben während des Studienjahres in der Hausgemeinschaft eines Priesterseminars. Das Seminar ist eine ergänzende Ausbildung und ist vor allem im praktischen Bereich angesiedelt, etwa Gesangsausbildung, Pfarrpraktika, Referate, geistliche Abende oder auch Exkursionen.
Wer darf ins Priesterseminar?
Die Voraussetzungen:
- Unverheirateter Mann, der getauft und gefirmt ist
- Fester Wunsch Priester zu werden
- Matura bzw. Studienberechtigung
Jeder Seminarist muss einen Seminarbeitrag (ca. 370 Euro pro Monat, zehnmal im Jahr) leisten. Wenn dies nicht möglich ist, werden externe Finanzierungswege gesucht.
Bei jedem Kreisverkehr.
Sommer 2016: Hannes fährt für das erste Gespräch mit Regens Buemberger vom Zillertal ins Priesterseminar nach Innsbruck. „Ich habe mir bei jedem Kreisverkehr überlegt, wieder umzudrehen“, lacht Hannes. Er wächst in einem „normal“ religiösen Elternhaus mit zwei Geschwistern in Hippach auf. Bereits als Kind ist er beeindruckt vom Kirchenleben, viele Jahre lang ist er Ministrant. Das Lernen in der Schule macht Hannes hingegen wenig Freude und so absolviert er eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann und arbeitet zwölf Jahre mit viel Engagement im Lagerhaus in Hippach.
Doch dann ändern sich die Arbeitsbedingungen und Hannes findet in seinem Job immer weniger Erfüllung.
„Ich habe mir auf dem Weg ins Seminar bei jedem Kreisverkehr überlegt, wieder umzudrehen.“
Hannes Dreml,
Priesterseminarist
Irgendwann wird ihm klar, dass er in seinem Leben dringend etwas ändern muss. Im Sommer 2015 sieht Hannes eine TV-Dokumentation über einen Priesterseminaristen aus Bayern, der sich ähnliche Sinnfragen stellt: „Wenn du am Ende deines Lebens zurückschaust, was kannst du dann über dein Leben sagen? Was hast du gemacht?“ Dieser Satz geht Hannes nicht mehr aus dem Kopf. „Dann begann ein sehr langer und intensiver Kampf mit mir selbst.“ Hannes hat viele Zweifel, und fast ein Jahr lang wägt er ab, was dafür und was dagegen spricht, ins Priesterseminar zu gehen. „Letztendlich habe ich mich dazu entschlossen: Ja, ich mach’s, ich spüre den Ruf, ich werde gebraucht.“
„Hast du einen Vogel?“
Hannes’ größte Sorge war es, wie es sein wird, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Er war in seiner Freizeit immer sehr aktiv. „Wenn ich nicht in der Kirche war, war ich beim Theaterverein, also immer auf Achse.“ Wie könnte es anders sein: Sogar mehrfach hat Hannes bei Theaterstücken den Priester gespielt. „Das waren aber immer Priester mit zweifelhaftem Ruf“, erinnert sich Hannes und lacht.
Zahlen, bitte!
146 Diözesanpriester inkl.
29 Pensionisten gibt es in der Diözese Innsbruck.
Dazu kommen 38 Ordenspriester, die in der Diözesanarbeit mithelfen, und 23 Priester aus anderen Diözesen.
Altersdurchschnitt:
65 Jahre, 29 aktiv tätige Priester sind über 70.
Österreichweit gibt es ca. 3.800 katholische Priester.
Sein Umfeld reagiert auf seinen Wunsch nach einem neuen Leben unterschiedlich: „Einige haben es sich schon gedacht, dass aus meiner Leidenschaft für das Kirchenleben mal so ein Berufswunsch entsteht, andere haben mich gefragt, ob ich einen Vogel habe.“ Hannes’ Eltern hat der Berufswunsch ihres Sohnes sehr überrascht. Ob sie jetzt, nach fast drei Jahren, mit seinem Weg einverstanden sind, weiß er nicht: „Zumindest sagen meine Eltern jetzt nichts mehr.“
//Möglicherweise ist es für seine Eltern auch deswegen schwer zu akzeptieren, weil er nie eine eigene Familie gründen wird. „Für Enkelkinder müssen halt meine Geschwister sorgen“, meint er kurz angebunden. Regens Buemberger sagt zu diesem Thema: „Priester leben zölibatär, aber das heißt nicht, dass sie beziehungs- ober begegnungslos leben sollen – ganz im Gegenteil.“ Ein vereinsamter Priester helfe niemandem. Freundschaften, gute Gespräche und Kontakte hält Buemberger für enorm wichtig.
„Priester leben zölibatär, aber das heißt nicht, dass sie beziehungs- oder begegnungslos leben sollen – ganz im Gegenteil.“
Regens Roland Buemberger
Priester werden.
Das erste Jahr im Priesterseminar nennt sich Propädeutikum und wird von allen österreichischen Seminaristen in Linz absolviert. Hannes hat in diesem Jahr auch die ersten Prüfungen für die Studienberechtigungsprüfung abgelegt. Inzwischen hat er bereits das zweite Jahr im Innsbrucker Priesterseminar absolviert und studiert Theologie an der Universität Innsbruck.
Das Priesterseminar wurde 1955, mithilfe vieler Spenden aus der Bevölkerung, für 100 Seminaristen gebaut, derzeit leben zehn Seminaristen im Haus. „Der Priestermangel ist eklatant, es ist unsere dringende Aufgabe, Berufungen zu wecken, zu fördern und zu begleiten.
Wir brauchen nicht nur mehr Priester, sondern auch Pastoralassistenten, Caritas-Mitarbeiter oder auch Religionslehrer“, erklärt Buemberger.
//Hannes’ „Reich“ im Priesterseminar ist ca. 20 Quadratmeter groß. Es ist bescheiden eingerichtet: ein Bett, mehrere Regale mit Büchern und am Fenster steht sein Schreibtisch mit Blick auf den großen Garten des Priesterseminars. Auch ein kleines Bad befindet sich im Zimmer. „Früher waren die Zimmer nur halb so groß und hatten nur ein Waschbecken mit kaltem Wasser“, erzählt Buemberger. Am Kasten hängen Hannes’ Talare, ein dickerer für den Winter und ein dünner für den Sommer. Den Talar trägt Hannes nur zu bestimmten kirchlichen Anlässen, ansonsten tragen Seminaristen normale Kleidung.
Was machen Priester?
Priester, denen die Aufgabe übertragen wurde, für eine bestimmte Pfarrgemeinde Leiter und Seelsorger zu sein, werden als Pfarrer bezeichnet.
Priester sind für Verwaltungsaufgaben zuständig, können aber auch an Schulen, Unis, in Krankenhäusern, in der Jugendarbeit, der Altenseelsorge oder im Strafvollzug, bei der Polizei oder beim Militär arbeiten.
Sommerzeit.
In den Sommermonaten ist das Priesterseminar wie ausgestorben, die Seminaristen sind auf Heimaturlaub und dazu angehalten, Praktika zu absolvieren. Hannes macht, wie schon im Vorjahr, ein Praktikum bei einem Bestatter im Zillertal. Ein Urlaub ist bei ihm nicht geplant, dennoch werden die Seminaristen von Regens Buemberger dazu ermuntert, in der vorlesungsfreien Zeit Urlaub zu machen. Auf die Frage, ob auch ein Mallorca-Partyurlaub für angehende Priester erlaubt wäre, muss Regens Buemberger herzlich lachen. Ein „Nein“ kommt von ihm aber nicht.
Partyurlaube und Feierngehen wären noch nie seines gewesen, versichert Hannes. Sein Wunsch ist es, später mal nah bei den Gläubigen zu sein, am liebsten als Pfarrer in einer Gemeinde. Bis dahin ist allerdings noch ein langer Weg: Nach dem Theologiestudium folgen ein Pastoraljahr und noch rund vier Jahre als Kooperator. Mit seinen 32 Jahren gilt Hannes bereits als „Spätberufener“.
„Der Glaube ist so schön und macht mir sehr viel Freude. Wenn sich einmal herausstellen sollte, dass es nicht der richtige Weg war, dann habe ich es wenigstens versucht.“
Hannes Dreml,
Priesterseminarist
Buemberger ist, auch gerade deshalb, von seinem einzigen Tiroler Schützling überzeugt. „Er war lange Zeit im Berufsleben und hat Erfahrungen in verschiedenen Bereichen des Lebens gesammelt. Das ist wichtig, um als Pfarrer nah an den Menschen zu sein.“
//Ein Berufungserlebnis hatten übrigens sowohl Hannes als auch Buemberger nicht. Für Hannes steht fest: „Der Glaube ist so schön und macht mir sehr viel Freude. Wenn sich einmal herausstellen sollte, dass es nicht der richtige Weg war, dann habe ich es wenigstens versucht.“