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OKTOBER 2019

Tanz der Pistenraupen

INN SITU hat die Künstlerin Melanie Manchot eingeladen, ihre Foto- und Videoserie „Mountainworks“ im Montafon weiterzuführen. Was dabei herausgekommen ist, kann man sich ab 2. Oktober im BTV Stadtforum ansehen. 6020 hat vorab mit der Künstlerin gesprochen.

Fotos: Axel Springer
6020:

Wie ist „Mountainworks“ entstanden? Melanie Manchot: Ich beschäftige mich mit Bergen als reale und imaginäre Orten der Auseinandersetzung mit unserem Platz in der Welt. Das interessiert mich in Bezug auf Fragen, die für mein gesamtes Werk relevant sind: Wie wir unsere Identität und Subjektivität lokalisieren, wie wir uns sowohl über bestimmte Orte als auch über unsere sozialen Beziehungen definieren.

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Die „Mountainworks“ begannen 2009 in Engelberg und waren bisher ausschließlich auf dieses Dorf bezogen. Für „Mountainworks (Montafon)“ war ich zweimal in Vorarlberg: ein paar Tage im März 2018 zur Recherche und zum Kontakteknüpfen mit Mitarbeitern der Silvretta Montafon und drei Wochen im Jänner 2019 für die Produktion der Foto- und Videoarbeiten. Der frühe Kontakt war wichtig, weil diese Werke nur kollaborativ entstehen können. Ich habe tiefen Respekt für die oft komplexe und intensive Arbeit, die hinter den Kulissen stattfindet, um die Berge uns Menschen zugänglich zu machen. Diesen Arbeiten Beachtung zu schenken, ist ein großes Anliegen aller „Mountainworks“.

 

Warum eignen sich Wintersport und Tourismus als Themen für Ihre Kunst? Es sind eher die Berge als Orte und Gegenstand künstlerischer Auseinandersetzung und philosophischer Reflexion, die mich interessieren. Berge sind spannend, da sie geopolitische Fragen aufwerfen und darüber hinaus Fragen von historischen, kulturellen, sozialen und individuellen Identitäten.

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Wintersport und Tourismus spielen insofern hinein, als dass ich die Berge vorwiegend im Winter betrachte. Dieser Fokus kommt aus einem Interesse an der Reduktion der visuellen Palette durch Schnee und Eis – im Winter wird die Bergwelt fast monochrom. Bergtourismus interessiert mich aber vor allem auch vor dem Hintergrund der Kulturgeschichte der Berge und wie sich diese in der Romantik grundlegend verändert hat.

Tanz der Pistenraupen

Langzeitprojekt. Manchot arbeitet seit zehn Jahren an der Serie
„Mountainworks“.

Tanz der Pistenraupen

Zur Person

Melanie Manchot wurde in Witten geboren und studierte an der New York University und am Royal College of Art in London, wo sie auch seit 30 Jahren lebt. Sie arbeitet mit Fotografie, Film und Ton und bereitet für die Liverpool Biennale 2022 gerade ihren ersten Langformatfilm vor.

„Berge sind spannend, da sie geopolitische Fragen aufwerfen.“

Melanie Manchot
Tanz der Pistenraupen

Arbeit als Kunst: Die Ausstellung zeigt, was in Wintersportorten hinter den Kulissen passiert.

Tanz der Pistenraupen

 

Warum haben Sie sich für die Medien Fotografie und Film entschieden?

Mit 21 habe ich über ein Jahr in New York gelebt und dort meine Leidenschaft für Fotografie entdeckt. Kameras sind für mich essenziell wichtige Werkzeuge in der Suche nach Relationen, nach Beziehungen zu Orten und zu Menschen. Sie dienen mir nicht in erster Linie zur Produktion von Bildern, sondern zur Produktion von Situationen. Aus den Situationen heraus und den menschlichen Beziehungen und Aktionen, die diese aktivieren, entstehen dann sowohl stille als auch bewegte Bilder, oft mit Ton. Ton wird mir zunehmend wichtig als Mittel, die Bilder aus ihrer realen Verankerung partiell zu lösen und zu öffnen. Kameras sind nie neutral, sie verändern die Situationen, in denen sie agieren, sie sind aktive Protagonisten und Agenten in der Produktion von Relationen.

„Kameras sind nie neu­tral, sie verändern die Situationen, in denen sie agieren, sie sind aktive Protagonisten und Agenten in der Produktion von Relationen.“

 

Was möchten Sie mit Ihrer Kunst erreichen? In meinem Verständnis haben Künstler einen sozialen Vertrag mit der Gesellschaft und der Zeit, in der sie agieren. Fragen zu unseren aktuellen Herausforderungen zu reflektieren, ist mir deshalb ein großes Anliegen. Gleichzeitig hoffe ich, eine „aesthetics of care“, eine sozial engagierte Ästhetik, zu entwickeln und zu praktizieren.

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Die „Mountainworks“ beschäftigen sich mit der Verantwortung, die wir unserer Umgebung gegenüber tragen. Binäre Polemik interessiert mich dabei weniger, da ich glaube, dass Kunst differenzierter kommunizieren kann. Ich versuche immer, Bildwelten zu zeigen, die Fragen anregen. In diesem Zusammenhang hoffe ich, dass neue Formen der Bildhaftigkeit ein destabilisierendes und transformierendes Potenzial haben und so subtil politisch agieren können.

 

Vielen Dank für das Gespräch