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echs solcher Orte hat das 6020 in den letzten Monaten besucht, mit dem siebten wird daraus eine volle Woche Lokalaugenschein, mit einer Local Legend für jeden Tag. Wir sind also beim Sonntag angelangt, und will man unsere finale Local Legend wirklich erfassen, sollte man laut Gründer und Chef Norbert Pleifer auch genau an diesem Tag dorthin gehen.
Lage.
Zentral und doch versteckt, wie eine Oase inmitten der Stadt, liegt das Treibhaus-Café samt Turm, Keller und großer Terrasse in der Angerzellgasse, nur einen Ausweichschritt entfernt von der Museumstraße. „Es gibt kein Schild, das herführt, aber jeder, der will, findet uns“, sagt Norbert Pleifer selbst über die ungewöhnliche Verortung, die vor nunmehr 32 Jahren zustande gekommen ist. Auch sie macht das Treibhaus zu dem, was es für seinen Gründer ursprünglich sein sollte: „Ein Ort, wo die Leute aus der Stadt gern ihren Alltag verbringen.“ Mitten in Innsbruck, aber trotzdem auf keiner Touristenroute zu liegen, sei dafür die beste Voraussetzung, so Pleifer.
Charakter.
Genau genommen ist das Treibhaus natürlich mehr als ein Lokal. Die Kombination aus Café, Keller und Turm, die alle drei regelmäßig zu Veranstaltungsräumen für Konzerte, Theater, Kabarett, Lesungen, Slams und sogar Fußballübertragungen werden, bildet im Gesamten ein Kulturzentrum, das für Innsbruck als Institution dieser Art – auch wenn es mittlerweile noch weitere gibt – wichtig ist und bleibt. Als Local Legend im Sinne einer Bar, wo man nicht nur in der Konzertpause gern seine Zeit verbringt, sehen wir das Café dennoch. „Es manifestiert das ganze Haus“, sagt Pleifer, „es ist Ausdruck der kommunikativen Ebene, die Kultur haben sollte.“ Das Café also als Treffpunkt, wo etwas entstehen kann, wo Gespräche stattfinden, „wo auch politisch etwas ausgeheckt werden kann“, wie Pleifer, der in Innsbruck auch als streitlustiger Revoluzzer bekannt ist, hinzufügt.
//Nach dem Umbau 2001 wurde es als großer, fast von allen Seiten offener Platz konzipiert. Alle Möbel sind bewusst einfach und zweckmäßig gehalten, weil solche auch auf einem Platz im Freien stehen könnten.
Bilder an der Betonwand gibt es aus dem gleichen Grund nicht, nur zwei große Ankündertafeln im Garderobenbereich und neben der Bar. Neu gestaltet werden diese zu besonderen Anlässen von Pleifer selbst, der nach wie vor das Mastermind aller grafischen Elemente im Treibhaus ist.
//Für ihn selbst ist das Café sein Wohnzimmer, das er an manchen Tagen noch mehr liebt als an anderen: „Es gibt nichts Schöneres als einen Sonntagabend im Treibhaus, wenn keine Veranstaltung stattfindet. Draußen pulsiert die Stadt, und hier drin hat man seine selige Ruhe. Man hört nur die Amseln, wie sie langsam schlafen gehen, kann lesen oder sich unterhalten, fühlt sich wie auf einer geschützten Insel.“
Musik.
Grundsätzlich spielt die Musik im Treibhaus, die seit der Neuausrichtung 2001 weit mehr ist als Jazz und Weltmusik, im Turm und im Keller. Im Café läuft sie im Hintergrund, was dem Chef eigentlich missfällt, „weil sie so nur noch Berieselungsfunktion hat“.
„Es gibt kein Schild, das herführt, aber jeder, der will, findet uns.“
Norbert Pleifer
Zum gemütlichen Ambiente trägt sie trotzdem bei, je nach Kellnerin und deren Geschmack hört man von französischem Pop bis hin zu orientalischem Jazz alles, was nicht zu nah am Mainstream ist.
Geschichte.
Vor 32 Jahren ist der graue, achteckige Monolith in der Angerzellgasse 8, so wie er heute da steht, gebaut worden, aber das Treibhaus selbst ist noch um einiges älter. Zehn Jahre zuvor gründeten die Kulturreferenten der ÖH, Claudius Baumann und Norbert Pleifer, ob der mageren Auswahl an soziokulturellen Treffpunkten in Innsbruck das KOMM: Ein selbstverwaltetes Kulturzentrum im Gebäude der heutigen Mensa am Innrain. Fünf Jahre später eröffnete Pleifer mit dem Verein „Kunstdünger“ das erste Treibhaus in der Anzengruberstraße in Pradl. Der Name des damaligen Stadtteilzentrums war nach dem Eröffnungsfest besiegelt: Eintritt dazu war ein Blumenstock pro Besucher. Weil danach das ganze Zentrum voller Pflanzen war, fragten Vorbeikommende, ob es sich denn um ein Treibhaus handle.
„Es gibt nichts Schöneres als einen Sonntagabend im Treibhaus, wenn keine Veranstaltung stattfindet.“
Norbert Pleifer
Weitere fünf Jahre später wurde nach Veränderung und Größerem gestrebt – und ein Stöcklgebäude mit Abrissbescheid im Stadtzentrum gefunden. Weil auch Architekten Teil der Gründergruppe waren, konnte ein völlig neues Treibhaus nach eigenen Vorstellungen gebaut werden. Die acht Ecken sind Shakespeares Globe Theatre nachempfunden, um im Turm die größtmögliche Nähe zwischen Bühne und Publikum zu schaffen. Das Café im Erdgeschoß wurde nicht mehr vorrangig als Studententreffpunkt konzipiert, sondern auch kinderfreundlich gestaltet, was bis heute anhält. Mehrere Umbauten in den Jahren darauf folgten, bis 2001 nach der achtmonatigen größten Erneuerung aus dem „Café in einer Trutzburg“, wie Pleifer es nennt, das heutige offene „Café am Volksgarten“ wurde.
Publikum.
Früher studentisch, ist das Publikum im Treibhaus heute eine bunte Mischung, die in Innsbruck sicher ihresgleichen sucht. Eltern mit Kindern, Jazzstars und Nachwuchsmusiker, Punks und Primarärzte, Schüler, Lehrer und Studenten sitzen an den schwarzen Tischen oder an der Bar aus Karbonfaser-Polyester, und der Chef dreht dazwischen mit seinem neuen Hund Puccini die Runden: „Das ist das Schönste am Treibhaus und macht mich stolz: Hier ist Platz für alle Generationen, alle sozialen Schichten und alle Szenen.“
Karte.
Im sonnengelben Folder auf den Tischen findet man neben Erklärungen darüber, dass der Biertrinker die Konzerte finanziert und kein Konsumzwang herrscht, reichlich Auswahl an alkoholischen und alkoholfreien Getränken – und auf der Rückseite das Speisenangebot. Bekannt ist das Treibhaus für seine günstigen Pizzen in Pizzeria-Qualität und die noch günstigere Variante „Pizza für Arme“ ab 2,90 Euro.
Auch Zigaretten kann man einzeln um 40 Cent erwerben. Ein großes Bier gibt’s draußen wie drinnen um 3,60 Euro.
Erfolgsgeheimnis.
37 Jahre hat das Treibhaus auf dem Buckel, schlecht gelaufen ist es nie. Die Veranstaltungen im Turm und Keller mögen ihren Teil zum Erfolg des Cafés beitragen, und oft mag es mehr Pausenraum sein als um seiner selbst willen Gäste anzulocken. Dennoch ist es – gerade an Sonntagen – der heimeligste Ort, den man in so zentraler Lage finden kann, wahrscheinlich sogar das einzige „Freiluft-Wohnzimmer“ seiner Art in Innsbruck. Leute mit mehr oder weniger Geld werden dort satt, und auch wer nichts konsumieren will, kann bleiben. Im Treibhaus sieht man um sich so viele verschiedene Menschen wie wohl in keinem anderen Lokal und hat gerade deshalb auch selbst einmal mehr das Gefühl, willkommen zu sein.
Öffnungszeiten:
Montag bis Samstag von 10 Uhr vormittags bis 1 Uhr nachts
An Sonn-, Feier- und Ferientagen von 16 Uhr bis 1 Uhr
Das gibt’s nur im Treibhaus-Café:
Eine Margherita wie vom Italiener um 5,80 Euro
Den „Pleitegeier“ (Himbeer-, Holler- oder Ribiselsoda) um 1 Euro