r spricht so wunderbar und er wirft mit Generationen und Kontinenten auf eine so selbstverständliche Weise um sich, dass es nicht immer möglich ist, sich ganz klar darüber zu sein, was er wirklich meint.“ Diese Beschreibung gilt keinem aktuellen politischen Verführer. Der Satz aus der „New York Times“ vom Mai 1962 handelt von Charles de Gaulle. „Die Zeit“ hat den Amerikanern dann aber umgehend erklärt, wie der damalige französische Staatspräsident zu verstehen ist: Er „will die Integration nicht, er verficht die Konzeption vom ,Europa der Vaterländer‘, das er seit neuestem das ,Europa der Staaten‘ nennt.“ 54 Jahre später steht dieses Europa der Vaterländer wieder auf der Tagesordnung. Hinter diesem Agenda-Titel von Rechtsextremen und -populisten verbergen sich die Renationalisierung, das neuerliche Errichten der alten Grenzen und der Rückfall ins 20. Jahrhundert. Dagegen gibt es viel zu sagen und zu tun – nicht nur aus der in Tirol bevorzugten Perspektive eines Europas der Regionen. Denn kurzfristig wirkungsvoller ist die Handlungsebene der Kommunen.
Europa der Kommunen
Metropolen wirken mehr denn je als Avantgarde. Im ursprünglichen französischen Wortsinn sind sie Vorreiter aller gesellschaftlichen Entwicklung. Sogar die angesichts ihres Zuzugs geradezu paradoxe Sehnsucht nach dem einfachen Landleben manifestiert sich vom Urban Gardening bis zum Servus-Magazin zuerst in den Mega-Citys. In dieser Trendlogik ist ein Europa der Kommunen schneller wirksam als jenes der Regionen – als Gegenpol zur drohenden Renationalisierung des Kontinents.
Um sich gegen Bevormundung durchzusetzen, müssen sich Europas Städte besser vernetzen.
Die urbane Antwort verfügt zudem über den Reiz historischer Erprobung. „In den Anfängen der Europäischen Gemeinschaft sind es die Städtepartnerschaften, die den Bürgern die Vision eines friedlichen Europas – ganz im Sinne eines Europas der Bürger – näher bringen“, heißt es in der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung. Ausgerechnet die langjährigen Mängel bei der von ihr angesprochenen Bürgernähe gelten als eine Hauptursache für die aktuelle Krise der Union. Aber die traditionellen Städtepartnerschaften sind oft bloß eine mit überkommenen Inhalten gepflegte Tradition. Um eine ähnliche Renaissance wie das Bahnreiseerlebnis Interrail zu erfahren, benötigt der kommunale Austausch eine Generalentrümpelung. London und Paris, Rom und Berlin, Warschau und Madrid sowie die anderen Metropolen benötigen dabei am wenigsten den Neuanfang. Sie konkurrieren und kooperieren. Alles, was mehr als 250.000 Einwohner hat, ist im Netzwerk der Eurocities willkommen. Graz, nach Wien die einzige österreichische Stadt mit mehr als einer Viertelmillion Bevölkerung nutzt im Gegensatz zur Donaumetropole diesen Austausch nicht.
Netzwerk der Groflstädte.
Wie Eurocities ist auch die Allianz in den Alpen ein Zusammenschluss, der abseits der offiziellen Unionsstruktur agiert. Im Gegensatz zum Großstädte-Netzwerk vereint diese Älpler-Liga vor allem kleinere Gemeinden. Aus Tirol wirken Mayrhofen, Finkenberg, Brandberg und Tux daran mit. Institutionell sind die Kommunen in der EU nur durch den Ausschuss der Regionen vertreten. Sie haben dort aber wegen der Dominanz der Länder ein geringeres Gewicht. Im Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates und im Rat der Gemeinden und Regionen Europas verfügen die Städte
und Gemeinden zwar über eine gemeinsame Stimme, doch Bürgernähe erzeugen diese Einrichtungen nicht.
//Für die permanente Produktion des bodenständigen Austauschs steht vor allem das mitunter eingemottete Instrument der Städtepartnerschaft zur Verfügung. Mit dem Vorteil, dass hier oft Gleich auf Gleich – in der ungefähren Dimension – trifft. Denn der Sammelbegriff Kommunen verbirgt, dass die Größeren prototypisch als Gegenpol zu den Kleineren in jenem europaweit wachsenden Stadt-Land-Konflikt stehen, der sich in Österreich politisch soeben im Wahlkampf zeigt: Alexander Van der Bellen lag in allen Landeshauptstädten voran, Norbert Hofer fast überall abseits des urbanen Raums.
Städtepartnerschaft und die Big Five.
Unterdessen zeigt das Beispiel Innsbruck einerseits, welch riesiges Potenzial die Neudefinition eines solchen Austauschs birgt, und andererseits, welch Schönwetter-Programm das Ganze bisher war: Fünf der sieben Partnerschaften stammen aus der Ära von Olympia-Bürgermeister Alois Lugger, zwei entstanden unter seinem Nachnachfolger Herwig van Staa: Mit New Orleans (350.000 Einwohner), Tbilisi (1,2 Mio.) und Sarajewo (300.000) befinden sich drei davon außerhalb der Union. Die EU-Kommunen Grenoble (150.000), Freiburg (230.000), Aalborg (200.000) und Krakau (750.000) liegen uns näher. Eine wirklich logische, für alle geltende Verbindung ist in diesem Septett zwar nicht zu erkennen, doch für die Tiroler Alpenhauptstadt gilt es schon als Auszeichnung, dass sie in ihren Kooperationen durchwegs die Kleinere ist. Geht es um gegenseitige Lerneffekte, wäre übrigens ein neuer baltischer Partner eher folgerichtig als das mitunter angepeilte montenegrinische 5.000-Seelen-Juwel Kotor. Ebenbürtiger ginge es da schon zu, wenn sich abseits des
österreichischen Städtebundes die Big Five nach Wien zu engerem Austausch fänden. Die einstigen europäischen Kulturhauptstädte Graz und Linz, die Mozart- und Red-Bull-Heimstatt Salzburg und die mehrfache Olympiastadt Innsbruck erhalten in diesen Monaten Zuwachs im exklusiven Klub der sechsstelligen Bevölkerung: Am Schnittpunkt von germanischer, romanischer und slawischer Kultur wächst Klagenfurt mitten im schrumpfenden Kärnten. Um im europäischen Konzert der Kommunen wirklich mitspielen zu können – Stichwort Eurocities –, braucht es jedoch vor allem in Österreich eine stärkere Betonung der Agglomerationen. Dann käme neben dem Kärntner Zentralraum samt Villach auch noch der Bodenseeraum hinzu.
//Politikwissenschaftler gehen davon aus, dass heute bereits zwei Drittel der in Brüssel und Straßburg getroffenen Entscheidungen und Regelungen das jeweils örtliche Geschehen direkt oder indirekt betreffen. Trotzdem oder gerade deshalb wird der von der Europäischen Union seit jeher geradezu „Kommunenblindheit“ vorgeworfen.
//Erst seit 2009 und dem Vertrag von Lissabon sind die Städte und Gemeinden im Primärrecht der EU erwähnt und ist ihr Recht auf Selbstverwaltung verankert. Laut österreichischem Bundeskanzleramt besagt dieses Subsidiaritätsprinzip, „dass Entscheidungen auf einer möglichst bürgernahen Ebene zu treffen sind, wobei zu prüfen ist, ob ein gemeinschaftliches Vorgehen angesichts der nationalen, regionalen oder lokalen Handlungsmöglichkeiten wirklich gerechtfertigt ist.“ Papier ist immer nur so geduldig, wie man es lässt. Um sich gegen nationale, aber auch regionale Bevormundung durchzusetzen, müssen sich Europas Städte besser vernetzen.