Bücher siedeln ist doch leicht!
Rein in die Kisten und ab in die neue Bleibe? So einfach lief der Bücherumzug von der Colingasse in die Amraser Straße 2 leider nicht. Bevor zwischen 17. September und 8. November 55.000 Medien in 663 Kisten gepackt und übersiedelt werden konnten, musste nicht nur der logistische Aufwand in einer dreijährigen Vorlaufzeit geplant werden. Konzeptionell beschäftigte man sich bereits seit 2016 mit den Herausforderungen einer modernen Bibliothek. Außerdem wurden 2017 alle Medien mit RFID-Technologie ausgestattet, um das Bestandsmanagement zu erleichtern und die Rückgabe am Automaten zu ermöglichen. Auch die Belegschaft musste im Umgang mit der Systemerfassung neu eingeschult werden.
Fun Fact: In der neuen Bibliothek stehen aktuell 1.500 Meter Regale bereit, was in etwa der Entfernung vom alten zum neuen Standort entspricht. Welches Medium wohin kommt, wurde bereits im Vorfeld geplant – da und dort musste aber trotzdem spontan umdisponiert werden.
Innovativ und konsumfrei.
Das Konzept der 3.000 m² großen Stadtbibliotheksfläche im Pema-2-Sockel orientiert sich an internationalen Bibliotheksstandards. Diese sehen etwa vor, dass eine Hälfte der Fläche für Medien und die andere Hälfte als konsumfreier Raum genutzt werden, quasi als Wohnzimmer für die ganze Bevölkerung. Es gibt ein Lese-Café mit nationalen und internationalen Zeitungen, Fachzeitschriften und Magazinen – wer sich zum Schmökern lieber in Ruhe zurückziehen möchte, wird in eigenen Ruhebereichen fündig.
Zur Verfügung stehen 60 Lernplätze mit 18 PCs, kabelloses Internet und ein weiterer Projektraum für Workshops mit 20 Computern. Die Bibliothek verfügt außerdem über einen eigenen Jugendbereich, eine separate Kinderbibliothek und einen Veranstaltungsraum für bis zu 170 Personen. Richtig cool: Der öffentliche Terrassenbereich wird ab Frühjahr 2019 mit einem offenen Bücherschrank ausgestattet, wo man Bücher deponieren und nehmen kann. Auf den 680 Quadratmetern des ehemaligen Standorts in der Colingasse wäre für viele dieser Angebote kein Platz gewesen.
Eine Hälfte der Fläche wird für Medien genutzt, die andere Hälfte als konsumfreier Raum (Lese-Café inklusive).
Und was passiert da genau?
Neben der Möglichkeit, unterschiedliche Medien zu entlehnen, werden in der Stadtbibliothek verschiedene Veranstaltungen stattfinden: klassische Lesungen, literarische Gespräche, Vorträge und Diskussionen, aber auch Workshops mit Schulen, Aktionen für Teenager, Vorlesezeit für Kinder und PC-Kurse für Seniorinnen und Senioren sowie für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Parallel dazu kooperiert die Stadtbibliothek bereits mit diversen Institutionen, Vereinen und universitären Einrichtungen.
Analoges Internet quasi.
Generell will die Bibliothek in Zeiten der Informationsflut auch als Orientierungshilfe dienen. Es gibt also jede Menge fundiertes Wissen. Gratis. Fast wie im Internet, aber analog. Und in stylisher Kulisse.
Lesungen? Sind das nicht Relikte aus dem letzten Jahrhundert?
Nein. Falls doch, wird Wladimir Kaminer am Eröffnungsabend (Freitag, 9. November ab 19.30 Uhr) diesbezüglich die allerletzten Zweifel aus dem Weg räumen. Wem solche Formate generell nicht behagen, dem seien an dieser Stelle zum Beispiel ein Poetry Slam ans Herz gelegt (Samstag, 10. November ab 19 Uhr).
Zahlen, bitte!
Bücher ausleihen wird immer populärer: 2017 waren in der Stadtbibliothek 8.675 Leserinnen und Leser registriert, davon war die Hälfte unter 30 Jahre. Insgesamt wurde die Bibliothek 120.000 Mal besucht und dabei wurde 320.000 Mal ein Medium entlehnt. Tendenz steigend.
Wodurch unterscheiden sich Innsbrucks Unibibliotheken von der neuen Stadtbibliothek?
Während sich Unibibliotheken durch ihren Bestand auf wissenschaftliche Literatur und Forschung fokussieren, ist eine Stadtbibliothek breiter aufgestellt und kann von Büchern, Fachliteratur bis hin zu Unterhaltungsmedien alles beinhalten. In der Amraser Straße wird es auch mehr Spielraum für verschiedene Veranstaltungen geben. Öffentlich sind aber fast alle Bibliotheken.
In den kommenden fünf Jahren wird der Medienbestand auf 150.000 aufgestockt.
Nicht nur Bücher, sondern …
Der aktuelle Bibliotheksbestand umfasst Belletristik, Sachbücher, Reiseliteratur, Comics und Graphic Novels. Dazu gehören auch die 10.000 Titel der digitalen Stadtbibliothek mit eBooks, eAudio, ePapers und eVideos, die jederzeit verfügbar sind. Arthouse-Filme, die eher nicht im Programm legaler Streaming-Portale zu finden sind, sind ebenso verfügbar wie Serien und knapp 200 Spiele. Ja, Spiele, also Brettspiele für Kinder. In den kommenden fünf Jahren wird der Medienbestand auf 150.000 aufgestockt. Damit gibt’s in der Bibliothek ein Medium pro Einwohner. Momentan betreuen zwölf Lektorinnen und Lektoren 17 Lektorate.
Best of Entlehnungen.
„Wir waren voller Hoffnung“ von Lerke von Saalfeld, „Tyll“ von Daniel Kehlmann und „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ waren 2017 die drei meistentlehnten Medien. Und zwar als Hörbuch. Knapp dahinter folgen gleich mehrere Staffeln von „Game of Thrones“ auf DVD.
Die beliebtesten Filme bzw. Serien sind „Barbapapa“ und die Komplettbox von „Pippi Langstrumpf“.
2018 besonders oft entlehnte Bücher sind „Die Hauptstadt“ von Robert Menasse, „Die Geschichte der getrennten Wege“ von Elena Ferrante und „Ampel, Straße und Verkehr“ von Peter Nieländer. Ebenso beliebt: Deutsch-, Französisch-, Spanisch- und Englischkursmedien.
Vor allem Eltern tendieren immer mehr zum Ausleihen statt zum Bücherkauf.
Weitere Fun Facts.
Mit seinen 40 x 1,7 x 51 cm ist „Der Grüffelo“ das größte Buch in der Stadtbibliothek. Es ist der Hit in Kinderbibliotheken und Kitas, weil sich gleich mehrere Kinder rundherum setzen können, um gemeinsam zu lesen.
Apropos Kinderbücher: Vor allem Eltern tendieren immer mehr zum Ausleihen statt zum Bücherkauf.
Die schwersten und teuersten Bücher sind Kunstbände. Diese werden hauptsächlich vor Ort gesichtet. Das schont das Kreuz.
Regelmäßig nachbestellt werden Bücher aus der Kategorie Fantasy, die sich extremer Beliebtheit erfreuen und dementsprechend oft entlehnt werden. Fantasy-Reihen kommen meist in mehreren Bänden daher, die idealerweise ab dem ersten Band fortlaufend verfügbar sein sollten.
Ein Taschenbuch erlebt selten seine 36. Entlehnung – zu diesem Zeitpunkt sind sie meist abgenutzt.
Die Stadtbibliothek war zwischen 1941 und 1999 am Burggraben zu finden, übersiedelte im Oktober 1999 in die Colingasse und wird am 9. November in der Amraser Straße neu eröffnet. Drei Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter waren an allen drei Standorten tätig.
Und was hat’s gekostet?
Die Innsbrucker Immobiliengesellschaft (IIG) hat über 4.000 Quadratmeter von Markus Schafferer bzw. seiner Pema Group um 4.095 Euro pro Quadratmeter gekauft – also um insgesamt 16,6 Millionen Euro. Die Stadt Innsbruck wird diese Flächen ab Inbetriebnahme von der IIG, die eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Stadt ist, nun mieten – um 90.000 Euro pro Monat auf die nächsten 25 Jahre.
So wird die Investition der IIG finanziert. Und auch Eigentum geschaffen, betonen die Befürworter des Deals – allen voran Vize-Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer und ihre Liste FI. Insgesamt steckte die Stadt 18,7 Millionen Euro in die Bibliothek, sie wird auch den Betrieb finanzieren.
Und wer hat’s entschieden?
Im Gemeinderat wurde genau dieser Plan am 27. Jänner 2016 mit 24:15 Stimmen abgesegnet. FI war geschlossen dafür, innerhalb der ÖVP gab es drei Nein-Stimmen, dagegen waren auch die damalige grüne Vize-Bürgermeisterin Sonja Pitscheider, die SPÖ bei einer Stimmenthaltung (Ernst Pechlaner) und die FPÖ.
DER KLEINE BEITRAG:
Eine Jahresmitgliedschaft bei der Stadtbibliothek kostet regulär 20 Euro, ermäßigt (zum Beispiel für Kinder, Senioren und Studierende) 8 Euro.
DIE NEUEN ÖFFNUNGSZEITEN:
Montag: 14 bis 19 Uhr
Dienstag bis Freitag: 10 bis 19 Uhr
Samstag: 10 bis 17 Uhr
Die Medienrückgabe ist rund um die Uhr möglich.