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MAI 2020

Friseur

Zwischen Fulpmes, Innsbruck und L.A.

Von Fulpmes nach L.A., dann Hamburg und jetzt Innsbruck: Ibos Weg zum eigenen kleinen Herrenfriseursalon in St. Nikolaus ist ungewöhnlich. 6020 hat den Jungfriseur getroffen.

Fotos: Axel Springer
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i, ich bin der Ibo, einfach nur Ibo.“ Der junge, dunkelhaarige Bursch strahlt übers ganze Gesicht. In den sozialen Netzwerken ist er als Ibo Carlo Coxx bekannt. Vor rund einem Jahr hat der 23-Jährige in der Innstraße sein Barberstudio eröffnet. „Des is der Friseur von die ganzen Deutschrappern“ ist der Satz, der in Innsbruck darauf­hin schnell die Runde gemacht hat.

 

Gleich beim Eingang von Ibos kleinem Salon befindet sich die „Wall of Fame“. Fotos zeigen, wem Ibo in den letzten Monaten die Haare geschnitten hat. Raf Camora kennen viele, Namen wie Summer Cem, Kontra K, Joshi Mizu, Bonez MC sind vor allem Fans der Deutschrap-Szene ein Begriff. Es fällt auf, Ibo ist in den letzten Jahren ganz schön viel rumgekommen. Und das hat einen Grund: Ibo hat seinen Traum von Amerika wahr gemacht. Mit wenig Geld, aber viel Leidenschaft macht er sich vor zwei Jahren auf den Weg zu einem Friseur-Wettbewerb in L.A. Was er dann dort erlebt, übertrifft seine kühnsten Erwartungen. Aber alles der Reihe nach.

Eine Leidenschaft beginnt.

Schüler war Ibo meistens nicht gern. Die HTL habe ihm vor allem eines gebracht: „Die Gewissheit, dass das nicht meines ist“, erzählt er und lacht. Durch seine Schwester hört er von einer freien Lehrstelle in einem Friseursalon in seiner Heimatgemeinde Fulpmes im Stubaital. Der Schnuppertag gefällt ihm ausgezeichnet, nur sein Vater ist vom Berufswunsch seines Sohnes, gelinde ausgedrückt, überrascht. „Mein Papa ist so ein richtiger Macho-Türke, der seit vielen Jahren am Bau arbeitet. Dass sein Sohn Friseur werden will, war für ihn fast schon ein Schock“, lacht Ibo. Aber Ibo setzt sich durch und hat eine schöne Lehrzeit. Die Begeisterung für den Friseur-Beruf wächst jeden Monat mehr und die Chefin ist begeistert von seiner Leidenschaft. „Sie hat mich immer ermutigt, meine Träume zu verfolgen.“

Schnell entdeckt Ibo in den sozialen Netzwerken und auf YouTube bekannte Friseure und Barbiere, von denen er sich verschiedene Kniffe abschaut. Besonders großen Gefallen findet er an einem Star­friseur aus Los Angeles namens Taylor Cutz. Ohne irgendwelche Erwartungen zu haben, bewirbt sich Ibo bei einem der bekanntesten Friseurwettbewerbe der Welt, der Modown Barber Exhibit in L.A.. An diesem Bewerb nehmen die besten Friseure der Welt teil. Ibo schickt Videos von seiner Arbeit an die Veranstalter. Da er sich keine Chancen ausrechnet, eingeladen zu werden, vergisst er wieder darauf.

Ibo, Friseur und Barbier

„Des is der Friseur von die ganzen Deutschrappern.“

Ibo, Friseur und Barbier

Aber irgendwann klingelt das Telefon. Als Ibo sieht, dass es sich um eine Nummer aus Amerika handelt, bekommt er Gänsehaut. Der junge Friseur aus Fulpmes, der gerade erst seine Lehre abgeschlossen hat, wird tatsächlich nach Los Angeles, zu einem internationalen Friseurwettbewerb, eingeladen. Der Contest findet im November 2018 statt, Ibo beschließt schon im September nach L.A. zu fliegen. „Ich wollte immer nach Amerika und habe aufgrund dieser Einladung gedacht, wann, wenn nicht jetzt.“

Auf nach L.A.

Ibo fährt einige Wochen lang zusätzlich Taxi, um sich ein wenig Geld auf die Seite zu legen. Er verkauft sein Auto, kündigt seinen Job und bucht ein Flugticket nach Amerika. „Mein Papa hat bis zum letzten Tag nicht geglaubt, dass ich das wirklich mache.“ Das Geld ist knapp, mehr als ein Bett in einem Mehrbettzimmer in einem Hostel kann er sich nicht leisten. Gleich am ersten Tag in L.A. macht er sich auf den Weg zu seinem großen Vorbild, Taylor Cutz. In dessen Salon kann man nicht einfach so reinspazieren. An der Tür befindet sich eine Klingel und reingelassen werden nur seine, meist prominenten, Kunden. Taylor reagiert auf Ibo überrascht und zurückhaltend, er erklärt Ibo, dass ein Trainingstag bei ihm rund 1.000 Dollar kostet. Als er erfährt, das Ibo aus Österreich kommt und ohne richtigen Plan nach Los Angeles geflogen ist, ist er schwer beeindruckt von seinem Mut und seiner Leidenschaft. Ibo darf ihm daraufhin einige Tage kostenlos über die Schulter schauen und sogar ein wenig im Salon mithelfen.

VORBILD. Ibo durfte in L.A. Promifriseur Taylor Cutz (links) über die Schulter schauen.

Auch eine eigene Haarproduktlinie gemeinsam mit Raf Camora ist in Planung.

Der Zufall spielt Ibo auch weiterhin in die Hände. In einem Supermarkt wird er auf Deutsch sprechende Männer aufmerksam. Sie kommen ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass es sich um Rapper und Produzenten aus Deutschland handelt, die gerade in Los Angeles Musik aufnehmen. Ibo wird in ihre gemietete Villa eingeladen, um ihnen die Haare zu schneiden. Als sie erfahren, dass er in einem Hostel lebt, das 1.000 Dollar pro Monat kostet und sein Geld knapp ist, laden sie ihn ein, vorerst in ihrer Villa zu wohnen. „Mein Vater in Fulpmes konnte das nicht glauben. So kam es, dass Deutschrapper aus Berlin ihn angerufen haben, um ihn zu besänftigen.“

Zwischenstopp in Hamburg.

Ibos Künste sprechen sich in der Musikerszene binnen weniger Tage rum und er hat plötzlich viel zu tun. „Es war alles wie im Traum, ein kleiner Friseur aus Fulpmes bekommt blitzschnell Kunden in L.A.“, erinnert er sich. Die Wochen bis zum Contest vergehen wie im Flug. Die Konkurrenz stammt aus der ganzen Welt, der Rookie aus Fulpmes schafft es in der Kategorie „Bester Fade“ den ausgezeichneten vierten Platz zu erreichen. Zufrieden ist er damit aber nicht, er plant, dieses Jahr wieder am Contest teilzunehmen. Sein Ziel ist es, den Sieg zu holen.

Zwischen Fulpmes, Innsbruck und L.A.

WALL OF FAME. Ibo hat viele Kunden in der Deutsch-Rapszene.

Zwischen Fulpmes, Innsbruck und L.A.
Zwischen Fulpmes, Innsbruck und L.A.

Auch nach dem Contest bleibt Ibo in L.A.. Er hat sich inzwischen ein gutes Netzwerk aufgebaut und darf sogar bei Videodrehs Haare und Bärte stylen. Seine Kunden sind größtenteils Deutsche, die dauerhaft oder für kurze Zeit in L.A. leben. Zwei Monate nach dem Contest wird ihm die Leitung eines Barbershops in Hamburg angeboten. Wieder springt Ibo kurzerhand ins kalte Wasser und sagt zu. Die Zeit in Hamburg gefällt ihm, als aber sein Vater schwer erkrankt, bricht er nach wenigen Wochen die Zelte wieder ab und kehrt heim.

Zurück in der Heimat.

Ibo wohnt wieder daheim in Fulpmes und erfüllt sich den Traum vom eigenen Barberstudio. In St. Nikolaus findet er das für ihn perfekte Geschäftslokal. Nach wie vor zählen einige Deutschrapper zu seinen Kunden. Wenn sie in der Nähe sind, kommen sie nach Innsbruck, ansonsten fährt oder fliegt Ibo zu ihnen. „Ich war zum Haareschneiden beim Electric Love Festival in Salzburg oder auch bei Konzert-Touren mit dabei.“ Im Dezember hat Ibo den erfolgreichen Rapper Raf Camora kennengelernt. Er möchte im Herbst in Wien einen Barbershop inklusive Tätowier-Laden eröffnen. Ibo soll die Leitung des Barbershops übernehmen.

 

Seinen Laden in Innsbruck möchte er keinesfalls aufgeben, deswegen ist geplant, dass er zwischen Innsbruck und Wien pendeln wird. Auch eine eigene Haarproduktlinie gemeinsam mit Raf Camora ist in Planung. „Über ungelegte Eier soll man nicht gackern“, lacht er. Wichtig ist ihm nur eines: „Ich ermuntere jeden, an seine Träume zu glauben und auch mal mutig zu sein. Das Leben hält so viele Überraschungen bereit, wenn man sich nur traut“. Seit 2. Mai hat Ibo seinen Barbershop, nach der Corona bedingten Schließung, wieder geöffnet. „Ich war die ersten Tage komplett ausgebucht“, freut er sich. Die Zeiten während der Coronakrise sind auch für Friseure nicht einfach, aber Ibo bleibt wie immer optimistisch und freut sich auf alles, was kommt.