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MAI 2020

Essen und Trinken

Ungewissheit à la carte

Die einen sehen der Wiedereröffnung der Gastronomie Mitte Mai mit Euphorie entgegen, die anderen mit Skepsis. 6020 hat sich unter Innsbrucker Gastronomen umgehört.

Text: Rebecca Müller und Eva Schwienbacher // Fotos: Franz Oss

Tomaselli

Krisensichere Kugel

 

Seit Mitte April sind die Tomaselli­­Eis­salons am Baggersee und in der Maria-Theres­ien-Straße wieder offen. Da das Eis Eigen­produktion ist, musste man mit der Öffnung nicht bis Mitte Mai warten. Das Frühlingswetter bescherte Inhaber Thomas Weber einen guten Start.

 

Vor allem am Standort Baggersee stehen die Kunden mit Masken und mehr oder weniger korrektem Abstand Schlange für ein Eis. Hier sei laut Weber bemerkbar, dass die Leute aufgrund von Homeoffice, Kurzarbeit und geschlossenen Schulen mehr unterwegs seien. In der Innenstadt fehlen hingegen die Touristen und auch die Einheimischen würden nur zögerlich kommen.

Kaltes Glück.

Das erste Eis an Kunden mit Masken zu verkaufen war zwar ungewohnt, doch die Freude überwog. „Es war ein Riesenglücksgefühl, so früh wieder aufsperren zu dürfen“, beschreibt Weber. Zunächst waren nur Becher mit Deckel erlaubt, mittlerweile gibt’s Eis auch in Tüten und deckelfrei.

 

Die Filiale in der Hofgasse bleibt aufgrund der Bauarbeiten in der Innenstadt vorerst zu. Ob und wann der Standort in der Herzog-Friedrich­Straße aufsperrt, ist noch offen. Auch wenn aufgrund der Schließung ein wichtiger Verkaufsmonat ver­loren ging, zählt Weber zu den Opti­misten – speziell für den Standort Baggersee hat er hohe Erwartungen: „Eis ist krisensicher.“

Glorious Bastards

Baumarkt für Pizza und Burger?

 

Wir sind extrem froh, dass es wieder losgeht, das soziale Leben und natürlich auch der Betrieb“, sagt Lukas Graf, Betriebsleiter von Glorious Bastards (früher Soulkitchen). Die Vorbereitungen für die Wiedereröffnung laufen auf Hochtouren. Man beschäftigt sich mit den Abstands­regeln, Hygiene­bestimmungen und dem Thema Masken.

 

Wie viele es von letzteren benötigt, sei eine der schwierigen Fragen, sagt Graf. Es sei nur schwer abzuschätzen, wie viele zum Pizza-, Burger- und Steakessen kommen und folglich, wie viel Personal gebraucht wird. „Wir bereiten uns auf alles vor. Sowohl auf den Run wie auf die Baumärkte oder auf McDonald’s als auch darauf, dass die Leute eher vorsichtig sind“, sagt Graf.

Keine Lieferungen.

Den Zustelldienst, den es bei Normalbetrieb über Lieferando und Mjam gibt, haben die Lokalbetreiber während der Schließung nach langem Überlegen eingestellt.

 

Dagegen sprach der Kostenaufwand, die große Küche allein für Bestellungen in Betrieb zu nehmen, und die Lage am Stadtrand, die laut Graf eine zufriedenstellende Zusammenarbeit mit den Lieferdiensten erschweren würde.

Stiftskeller und Bierstindl

Hendl mit Mundschutz

 

Ich bin seit 35 Jahren selbstständig und ein sehr ideenreicher Mensch“, sagt der Wirt Burkhard Pederiva. „Aber die aktuelle Situation lässt mich ratlos zurück.“ Pederiva führt das Einheimischen- und Kulturlokal Bierstindl sowie den Stiftskeller, der vor allem von Studenten, Einheimischen und Touristen lebt.

 

„Der italienische Gast geht in der Altstadt natürlich allen ab“, sagt der Gastgeber. Auch wenn die Grenzen heuer irgendwann geöffnet würden, werde das Jahr ein schmerzliches. Die Umsätze sind wie bei den meisten Gastronomen mit dem Shutdown weggebrochen, Rechnungen aber weiter eingetrudelt.

Öffnen, aber reduziert.

Was die Wiedereröffnung angeht, so ist Pederiva hin und her gerissen. „Lieber etwas später aufsperren und dann richtig durchstarten als sofort und nur zögerlich“, sagt Pederiva. „Andererseits wollen wir für unsere Stammgäste da sein. Deshalb sperren wir Mitte Mai auf.“ Klar ist, dass eine Öffnung nur in reduzierter Form stattfindet, einerseits wegen der Vorschriften – rund 70 Prozent weniger Gäste haben etwa im Stifts­keller durch den erforderlichen Mindest­abstand Platz –, andererseits, weil man mit weniger Gästen rechnet.

 

Die Speisekarte wird verkleinert, vom Personal wird voraussichtlich die Hälfte im Einsatz sein. Man hofft auf eine sukzessive Steigerung im Laufe der Wochen. Einen kleinen Trost für Fans des Deftigen gab es und gibt es jeden Sonntag vom Grill: Mit Mundschutz und Sicherheitsabstand kann man sich Grillhendln im Stiftskeller abholen.

HRC Innsbruck

T-Shirts ohne Träger

 

Im Schnitt gehen rund 200.000 Gäste im Hard Rock Cafe Innsbruck pro Jahr ein und aus, 70 bis 80 Prozent davon einheimische. Heuer wird sich diese Zahl laut Stefan Schäfer, Chef des HRC Innsbruck, halbieren. „Für uns ist klar, das Jahr ist ruiniert“, sagt Schäfer. „Bereits der Feber war schwach und im März war noch weniger los.“ Ob das HRC Mitte Mai aufsperrt, ist allerdings noch nicht fix.

Lieber warten.

Die Auflagen für die Wiedereröffnung, wie Abstandsregeln und Hygienevorschriften, bereiten zwar keine Probleme – das Lokal zählt mit 650 Quadratmetern reiner Gastfläche zu den größten in der Innenstadt, die Hygienevorschriften sind in den HRCs grundsätzlich sehr streng.

 

Schmerzhaft ist jedoch das Wegbrechen des Merchandise-Verkaufs, eine wichtige Säule des Gesamtkonstrukts HRC, durch das Ausbleiben der Touristen sowie die Streichung sämtlicher Musik­events bis Ende des Jahres. „Wir sind darauf ausgelegt, dass wir den ganzen Tag über verkaufen. Aber ob die Leute nun gleich rausgehen, ist fraglich“, sagt Schäfer. Man wolle nun weitere Ent­wicklungen, wie die Besucherströme in der Innenstadt und die Zahl an Neuerkrankungen, beobachten und dann entscheiden, wann und mit welchem Konzept neu gestartet wird.

Umbrüggler Alm  

Reopening am Berg

 

Erst eine Woche war die Umbrüggler Alm im März offen, als es hieß: zusperren. Zwei Monate später startet Pächterin Sonja Schütz mit Zuversicht, aber auch Vorsicht die Saison ein zweites Mal. „Wir rechnen nicht damit, dass wir an die Umsätze vom letzten Jahr anschließen können. Das ist nicht realistisch“, sagt Schütz.

 

Vier Hochzeiten waren geplant, drei davon sind wie alle anderen Veranstaltungen abgesagt. Auch mit weniger Abendgeschäft kalkuliert die Wirtin. Man wisse zudem nicht, wie sich die Leute verhalten würden und wie die finanzielle Situation vieler ausschaut. Den Zuspruch von Stammgästen hätte man jedenfalls.

Rehlasagne to go.

Gedanken macht sich Schütz auch über eine mögliche zweite Welle: „Wirtschaftlich wäre es eher zu verkraften, ein oder zwei Wochen später aufzusperren, als bei einem zweiten Shutdown noch einmal komplett zu schließen.“

 

Prinzipiell gibt sie sich aber optimistisch. „Ich bin gesund und fit,
was nicht selbstverständlich ist, und will nach vorne blicken.“ Auf die Um­brüggler einstimmen kann man sich bereits vor dem 15. Mai mit Take-Away-Angeboten: Bei schönem Wetter gibt es am zweiten Maiwochenende eine kleine Auswahl an Gerichten, Süßspeisen und Getränken zum Mitnehmen.

Deck 47

Mit Schwung gegen die Krise

 

Martin Klausner, Betreiber des Deck 47 am Baggersee, ist hörbar positiv gestimmt: „In Österreich wird ja gerne alles zerredet, bevor es überhaupt passiert. Ich freue mich darauf und bin dankbar, dass es jetzt wieder losgeht!“ Dass es ein paar offene Fragen und Unsicherheiten gibt, bestreitet er nicht, meint aber auch: „Alles geht!“

 

Das Deck 47 hat in den vergangenen Wochen auf Lieferdienst und Selbstabholung gesetzt und zusätzlich Mittagsmenüs angeboten. Am Anfang hätten dieses Angebot nur Stammgäste in Anspruch genommen, mit Mundpropaganda seien es bald mehr geworden.


An einem Strang.

Sein Team konnte er halten, indem er für seine Mitarbeiter Kurz­arbeit in Anspruch genommen hat. „Wir konnten jeden einzelnen behalten, die Zeit hat uns auch richtig zusammengeschweißt – die Stimmung ist super“, freut sich Klausner.

 

Gemeinsam wurden Restaurant und Terrassen auf Vordermann gebracht, für den notwendigen Abstand zwischen den Tischen ist gesorgt: „Es kann losgehen!“ Martin Klausner ist also bereit und hofft auf Gäste – und darauf, dass das Wetter so gut ist wie während der Quarantäne.

Machete und Kater Noster

Gespannt auf Praxistest

 

Das Machete – Burrito Kartell und das Kater Noster, beide von Johannes Steinkopff und Martin Beimler mit unterschiedlichen Teams geführt, hielten ihre Türen nach dem 15. März erst einmal geschlossen. „Die Mitarbeiter haben wir in Kurzarbeit geschickt, so konnten wir unser Team halten“, erzählt Johannes Steinkopff (im Bild in der Mitte, Martin Beimler links, Jörg Hronek rechts).

 

Ab Mitte April setzte man in der Machete auf Take away – worauf viele offensichtlich gewartet hatten: Das Lokal in der Anichstraße ist eigentlich immer voll, jetzt standen die Kunden eben am Gehsteig Schlange. „Das Angebot wurde wirklich sehr gut angenommen und läuft auch immer noch super“, freut sich Johannes Steinkopff.

Hoffen auf gute Lösung.

Mit Mitte Mai sollen nun beide Lokale wieder öffnen. Wie das in der Praxis aussehen wird, ließe sich noch schwer abschätzen, meint Steinkopff: „Im Kater Noster tun wir uns mit den Abstandsregeln leichter, die Machete ist ziemlich klein, das müssen wir uns anschauen – wir wollen es aber in jedem Fall probieren.“ Es werde wohl auf Trial and Error rauslaufen.

 

„Prinzipiell unterstützen wir die Maß­nahmen aber voll und hoffen einfach, dass wir für unsere Gäste – wie für unser Team – eine gute Lösung finden.“

Dachsbau

Nicht rentabel

Wenn wir nur bis 23 Uhr öffnen dürfen und immer nur eine gewisse Anzahl an Leuten reindarf, können wir gleich geschlossen halten. Das rentiert sich so für uns einfach nicht“, erklärt Frederik Lordick, Chef im Dachsbau. Der Club ist seit März zu, die Mitarbeiter sind in Kurzarbeit bzw. die Geringfügig-Beschäftigten mussten gekündigt werden, da bei ihnen die Kurz­arbeitregelung nicht greift. „Das war sehr hart, daran möchte ich gar nicht zurückdenken.“ Das übrige Team beschäftigt sich derweil mit Projekten wie Umbauarbeiten oder Dachsbau TV – regelmäßig werden über Instagram Dj-Sets und Ähnliches live gestreamt.

 

Das Team hat auch einen Spendenaufruf gestartet. Das Geld, das so reingekommen ist, sei zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein, hätte das Team aber sehr gefreut. Ein Teil davon geht allerdings ans Rote Kreuz: „Wenn wir pleite gehen, müssen wir uns halt was Neues suchen, an Corona aber sterben Menschen, daher wollten wir zumindest ein bisschen helfen.“

Der Umgang mit der Krise.

„Wir können Energie aus der Krise ziehen, andere Leute aus unserer Bubble sind wie gelähmt – was ich gut nachvollziehen kann. Es geht jeder anders damit um“, meint Lordick. Von offizieller Seite fühlt er sich – bei allem Verständnis – ein wenig im Stich gelassen. Ihm sei bewusst, dass es viele offene Fragen in vielen Bereichen gibt – aber: „Dass ausgerechnet auf die vergessen wird, die es unter anderem am härtesten trifft, wundert einen schon.“

 

Wie andere in der Gastro-Szene können auch Fred und sein Team nur abwarten und hoffen. „Das Wichtigste ist jetzt, dass wir diesen Virus so gut wie möglich unter Kontrolle bekommen und so viele Menschen wie möglich gesund bleiben.“

Kitchenhub

Schwerer Schlag

 

Wir sind sehr traurig – wir haben erst vor neun Monaten aufgesperrt, haben viel investiert und von heute auf morgen ist das Geschäft komplett eingebrochen“, erzählt Leonard, Besitzer des kleinen Lokals am Bozner Platz. Die ersten drei Wochen war das Kitchenhub zu, dann haben Leonard und sein Team auf Lieferservice und Abholung gesetzt. „Das hilft, der Umsatz ist aber natürlich nicht derselbe wie im Normalbetrieb.“

 

Mit Mitte Mai soll das Kitchenhub auf jeden Fall wieder aufsperren, auch wenn Leo­nard sich noch nicht ganz vorstellen kann, wie ein Betrieb in der Praxis aus­sehen wird: „Unser Lokal ist sehr klein und wir merken auch, dass die Leute Angst haben und nicht mehr so gerne essen gehen.“ So schwierig die Situation sei, meint der Gastronom, Corona habe alle getroffen und er versucht, optimistisch zu bleiben: „Wir können nur das Beste hoffen. Hoffen, dass wir diese Krise überstehen.“

Babalon

Die Madonna ist bereit

 

Wir werden auf jeden Fall aufsperren!“, sagt Werner Nicolussi, Gründer und Besitzer des legendären Lokals in den Bögen. Und natürlich werde er sich auch an die gesetzlichen Vorgaben halten und zum Beispiel für ausreichend Abstand zwischen den Tischen sorgen. „Vielleicht kommen auch so wenige Leute, dass wir gar nicht groß umräumen muss – was ich natürlich nicht hoffe!“ Im Gegenteil: Da er sein Babalon immer schon um 18 Uhr aufgesperrt hat, hofft er, dass sich auch die verkürzten Öffnungszeiten für ihn rechnen. „Normalerweise haben wir einige Gäste, die schon kurz nach 18 Uhr kommen. Das Babalon läuft ja nicht nur in den Nachtstunden.“

 

Dass andere Lokale, die später aufsperren, jetzt gezwungenermaßen gar nicht aufsperren, kann der erfahrene Gastronom verstehen. Und auch er ist gespannt auf den Praxistest und hofft auf viele Gäste, denen es in den letzten Wochen auch abgegangen ist, eine Bar zu besuchen.

Fazit


Die Bereitschaft, Gast und Personal durch entsprechende Maßnahmen zu schützen, ist bei allen Gastbetrieben da.


Alle stellen sich aber auch die Frage, wie ein Betrieb in der Praxis aussehen wird – und ob sich das Ganze auch rechnen kann.


Manche sind optimistisch, andere über­legen noch, ob sie aufsperren werden, wieder andere haben sich bereits entschieden, geschlossen zu halten – und alle blicken in eine ungewisse Zukunft. 

Die Regeln für die Gastro ab 15. Mai:

  • Geöffnet werden darf von 6 bis 23 Uhr
  • Maximal vier Personen pro Tisch plus Kinder
  • 1 Meter Abstand zwischen den Tischen
  • Personal muss bei Kontakt mit Gästen Masken tragen, Gäste am Tisch nicht, beim Betreten und Verlassen des Lokals aber schon
  • Keine freie Tischwahl, Reservierungen werden empfohlen