n diesem sonnigen Vormittag herrscht in den hellen Räumen der Großküche reger Betrieb. Es duftet nach deftiger Hausmannskost und Suppengewürzen. Frauen in strahlend-weißen Uniformen zählen und portionieren letzte Röstitaler, eine ganze Badewanne voll Kasspatzln wartet nebenan auf ihre weitere Bestimmung. „In den Anfangszeiten – eigentlich ein Wahnsinn – haben wir das fertige Essen möglichst heiß in Plastikdosen abgefüllt“, erzählt der braungebrannte, gutgelaunte Küchenchef, „natürlich war es trotzdem längst kalt und vermischt, bis es bei den Leuten zuhause war.“ Man sieht Walter Schiestl an, dass er heute noch leidet, wenn er nur daran denkt.
//Seit damals hat sich viel verändert. Längst wird das Essen zuerst auf drei Grad schockgekühlt, appetitlich in spezielle Gefäße portioniert und erst später mit eigens entwickelten Induktionsplatten und Kombidämpfern bei den Pensionisten und Kindern wieder erwärmt. Und statt 200 Essen vor fast 40 Jahren bereitet seine moderne Großküche im Keller des Dürer-Heims in Pradl heute bereits 1.500 Portionen zu. Täglich. 365 Tage im Jahr. Da muss jeder Handgriff sitzen.
„Essen ist ein Höhepunkt im Alltag von Heimbewohnern.“
Walter Schiestl, Küchenchef
Arbeiten mit System.
Fünf Großküchen betreiben die Innsbrucker Sozialen Dienste, kurz ISD, für die Stadt. Die Aufgabenbereiche der einzelnen Betriebe sind klar verteilt. Walter Schiestls Team kocht hauptsächlich für Essen auf Rädern (500 Portionen), verschiedene Altersheime in der Umgebung (900 Portionen) und die städtische Herberge (50 Portionen). Und damit es noch ein bisschen komplizierter wird, kann zwischen Vollkost, leichter Vollkost, Vegetarisch, Diabetiker, Fischmenü, Naturschnitzel (gibt es jeden Tag), verschiedenen Beilagen und Breikost gewählt werden. Da braucht’s schon ein ausgeklügeltes, über Jahrzehnte perfektioniertes EDV-System, damit am Ende auch jeder das bekommt, was er ausgewählt hat. Der Computer rechnet die einzelnen Bestellungen in Gesamtmengen um und spuckt Einkaufslisten inklusive der benötigten Rezepte ebenso aus wie Personenzettel, mit denen die genauen Menüwünsche später am Förderband portioniert werden können.
//Auch Küchenchef Alfred Toplitsch kennt sich mit großen Zahlen und Mengen aus. Er hat in der Großküche Reichenau das Sagen. Seine Küche hat sich auf Kinder spezialisiert. Für sie steht morgen Currygeschnetzeltes mit Salat und Frittatensuppe auf dem Menüplan. Dafür hat sein Team eben 150 Kilo Huhn und 85 Kilo Blattsalat verarbeitet, 280 Liter Suppe gekocht und 60 Kilo Frittaten per Hand (!) geschnitten.
Bedarf steigt
Vor 30 Jahren aßen nur 150 Kinder ihr Mittagessen in der Schule oder dem Kindergarten. Heute sind es bereits 2.150 Buben und Mädchen. In fünf Jahren könnten es schon 3.000 sein.
2017 haben Innsbrucks Großküchen 330.000 Essen für Kinder gekocht und 58 Schulen, Kindergärten und -krippen beliefert.
„Den Kindern wäre natürlich am liebsten, wenn es jeden Tag Pizza und Nudeln gäbe.“
Alfred Toplitsch, Küchenchef
Das Auge isst mit.
Die Verantwortung, so viele Menschen zu verköstigen, ist groß. Wie im Labor lagern in einem eigenen Kühlschrank fein säuberlich beschriftete Rückstellproben von jedem Essen, die zur Kontrolle einbehalten werden. Auch für den Fall, dass eine der Großküchen ausfällt – durch einen Brand etwa – und eine andere Küche einspringen muss, ist vorgesorgt. Notfallpläne mit genauen Anweisungen sind sicher im Tresor verstaut.
Auch sonst nehmen die Küchenchefs ihre Aufgabe sehr ernst. „Essen ist ein Höhepunkt im Alltag von Heimbewohnern“, gibt Walter Schiestl zu bedenken. Darum bestehe er auch darauf, dass die Mahlzeiten schön angerichtet werden. „Das Auge isst immer mit“, so der resolute Küchenchef, „auch wenn die Leute nur noch Breikost essen können.“ Nach über 30 Dienstjahren sieht er andere Dinge inzwischen allerdings lockerer. Niemals hätte ein Diabetiker früher von ihm Zucker bekommen, erzählt er. Inzwischen gibt er nur mehr Empfehlungen aus und lässt die Menschen selber entscheiden. Essen bedeutet eben auch im Altenheim Lebensqualität und ist weit mehr als bloße Nahrungsaufnahme.
Verhandlungssache.
In der Reichenau beschäftigen Alfred Toplitsch ganz andere Themen. „Den Kindern wäre natürlich am liebsten, wenn es jeden Tag Pizza und Nudeln gäbe“, lacht er. Seine Diätologin, die für einen ausgewogenen Menüplan verantwortlich zeichnet, sieht das natürlich anders. Und auch die Stadt mischt sich ein. Ihre Vorgaben: Es soll möglichst zweimal Fleisch, einmal Fisch, einmal vegetarisch und einmal Süßes auf den Tisch kommen. Und bitte kein Schweinefleisch. Es gilt, den goldenen Mittelweg zu finden – und realistisch zu bleiben, was die Kleinen auch wirklich essen. Im Zweifelsfall lieber Fischstäbchen statt Fisch. Wichtig sei doch vor allem, dass die Kinder glücklich und satt sind, so Toplitsch.
Langweilig wird ihm in den nächsten Jahren nicht werden. Denn während die Zahl der Essen für Pensionisten relativ gleichbleiben dürfte, soll der Bedarf an Kinderessen künftig stark steigen, sind sich die Verantwortlichen sicher. Neue Wohngebiete, mehr Kinderkrippen, Ausbau der Ganztagesschulen – zu den derzeit 2.150 Kinderessen könnten schon in den nächsten fünf Jahren noch weitere 1.000 dazukommen, so die vorsichtige Prognose. Die Küche in der Reichenau rüstet auf und wäre nach einem Umbau in den Sommerferien rechtzeitig zu Schulbeginn bereit dafür.
Lieferdienst
Essen auf Rädern ermöglicht es alten Menschen, weiter in ihren eigenen vier Wänden zu bleiben, auch wenn sie nicht mehr selber kochen und einkaufen können. In Innsbruck liefern täglich von 7 bis 11 Uhr sechs Autos des Roten Kreuzes rund 500 Essensboxen aus.