a Amalia – Musick zum Streicheln“ steht in sauberer Kuli-Schreibschrift auf dem linierten Zettel, der in der Kassettenhülle steckt. Ein paar Zentimeter daneben liegt ein weiteres Mixtape auf dem Kaffeetisch. „SOUND & WEED“ steht mit blauem Filzstift geschrieben. Darunter: „Dusch Mix 194“. Die Tapes sind nur zwei Obskuritäten der Sammlung von Albi Dornauer, Musikfreak und Kurator der Ausstellung „Tapes, Kassetten + K7“ in der Bäckerei.
//Bis vor einigen Jahren war die Kassette aus den Läden, ja sogar aus verstaubten Plattenregalen zunehmend bis ganz verschwunden. Was bei vielen bis heute bleibt, sind Erinnerungen an wabernde, verhedderte oder gar gerissene Tonbänder, Bleistiftzweckentfremdungen und kitschige Mixtapes. Warum holt man die Kassette also wieder zurück? „In einer Zeit, in der du alles auf YouTube und auf Soundcloud und sonst irgendwo findest, bewirkst du mit einer Kassette etwas wie eine künstliche Verknappung und machst das Werk damit wieder wertvoller, weil es nicht jeder haben kann“, meint Albi Dornauer.
Frühe Podcasts.
Aus einem zerschlissenen „Technics“-Rucksack holt Albi mit wenigen Handgriffen 40 Jahre Innsbrucker Musikgeschichte hervor. Eine Kartonschachtel ist gefüllt mit den Ausgaben der „SFI Kassettenzeitung“, einer Art Podcast-Vorläufer des „Büro diderot“, den man von 1987 bis 1990 unter anderem abonnieren und sich per Post zuschicken lassen konnte. Auf den Tapes findet man allerhand Kuriositäten. Ausgabe Oktober 1987: Ein Mitschnitt eines Konzerts von Billy Bragg (!) im Treibhaus, in dem der legendäre E-Gitarren-Troubadour mit einem Konzertbesucher, der einen Nazi-Spruch von sich gibt, zu diskutieren beginnt. Des Weiteren vorgelesene Zeitungsartikel, Interviews und so weiter.
//„Die Kassette hat sowohl einen musikhistorischen als auch einen soziologischen Wert. Man findet Kassetten, die mehr Zeitdokumente sind als Tondokumente“, erzählt Dornauer. Zwei der wichtigsten Exponate stechen durch ihre Farbgestaltung hervor. Die Covers der Demos des Innsbrucker Ausnahmemusikers Hans Platzgumer sind mit fanzine-artigen bunten Zetteln gestaltet. „Live in Berlin“ steht neben einem Bild von Saddam Hussein. „Der Tierquäler“ verkündet ein in grün gehaltener Tonträger. Platzgumers musikalischer Weg hat ihn Ende der 1980er von Innsbruck über München und Wien nach New York geführt, wo er mit seiner Band H. P. Zinker als erster Künstler beim heutigen Riesenlabel Matador veröffentlicht wurde.
Es begann in Rimini.
Anfang der 1980er verursachte die Kassette – unter Insidern auch lässig mit K7, also Ka-sette (italienisch „sieben“) abgekürzt – nicht nur die Verbreitung von Mixtapes aus norditalienischen Diskotheken, sondern etablierte im musikantenstadlverseuchten Tirol auch eine DJ-Kultur. Dornauer: „Die erste DJ-Kultur war offiziell die Hiphop-Kultur.“ Dennoch bildete sich unabhängig davon unweit des Lago die Garda eine eigene Musikrichtung. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Cosmic Music, bei der man Musikstile wie Funk, Brazil und Disco auf dieselbe Geschwindigkeit mischte und über einen gleichbleibenden Beat legte, in Innsbruck Einzug fand.
//DJ Stefan Egger, Inhaber des ehemaligen Innsbrucker Plattenladens Soundstation, legte bereits Anfang der 1980er in der Galaxy Disco auf und vertrieb dabei wöchentlich erscheinende DJ-Mixes auf Kassette. Einige dieser Mixtapes finden sich unter den Ausstellungsstücken – neben einer Reihe von Innsbruck-Samplern, die mit Titeln wie „Null Komma Innsbruck“ oder „Knüppel aus dem Sack“ zeigen, dass man bei der Namensgebung durchaus Fantasie hatte.
„Man darf gar nicht daran denken, was schon alles verloren gegangen ist.“
Albi Dornauer
Das Geschäft mit der Nostalgie.
Bei einer Handvoll Leerkassetten, die er auf dem Tisch ausbreitet, kommt Albi Dornauer ins Schwärmen: „Ich finde sie einfach so hübsch.“ Nostalgische, fast Science-Fiction-ähnliche Namen zieren die leeren Tonträger: AGFA CARAT Fe Cr oder SONI-CLUB C60 Low Noise Hi-Fi. Was heute harmlos, irgendwie kitschig aussieht, war dereinst das Hassobjekt der Musikindustrie. Mit Initiativen wie „Home Taping Is Killing Music“ versuchten große Musikkonzerne, die Menschen vom Überspielen von Tracks und ganzen Alben abzuhalten. Auch dieser Aspekt der Kassettenkultur wird Teil der Ausstellung in der Bäckerei sein. Der Aufhänger: Eine Kassette der Dead Kennedys mit einer absichtlich leeren Seite, um das kollektive Töten der Musikindustrie voranzutreiben.
//Genau heute, in einer Zeit, in der Musik-Piraterie im großen Stil möglicherweise so leicht war wie noch nie, feiert die Leerkassette ein Comeback – zumindest auf Ebay. Dort ersteigern Kassetten-Fans seltene Exemplare leerer Tapes mit dem idealen Tonband für Preise um die 20 Euro pro Stück. Bestimmte Walkmen mit guten Mikrofonen für Musik- oder Naturaufnahmen sind Sammlern im Extremfall mehrere tausend Euro Wert.
Zurück in die Gegenwart.
„Man darf gar nicht daran denken, was schon alles verloren gegangen ist in den letzten 20 bis 25 Jahren, was die Leute weggeworfen haben.“ Albi Dornauer ist eine Art Schatzsucher. Er fährt in Länder wie Ghana, Togo oder in den Sudan, um Schallplatten und CDs zu kaufen, die man bei uns nicht (mehr) kennt. Dort sieht er immer wieder, dass Kassetten noch heute als robustes Alltagsmedium gebraucht werden. In Österreich erlebt die Kassettenproduktion einen langsamen Wiedereinzug in die Plattenläden und die Merchandise-Stände kleiner Bands.
„Du brauchst nicht, wie bei der Schallplatte, ein professionelles Tonstudio, einen Umschnitt, ein Presswerk oder Geld, sondern du machst einfach eine Kassette, überspielst sie dir 30 bis 50 Mal, kopierst dir ein Cover, und fertig ist die Veröffentlichung.“ In Wien und Graz gibt es bereits Labels, die Kassetten veröffentlichen, es soll auch bald ein Kassetten-Kopiergerät in Innsbruck stehen. Wie kommt es, dass mit den Jahren totgeglaubte Tonträger immer wieder in die Gesellschaft zurückfinden? „Das ist bei Vinyl und Kassetten dasselbe – dass sie eine Zeit wiederaufleben lassen, in der Musik noch wirklich innovativ sein konnte.“ In Zeiten von Spotify und Musikgeschmacksdiktatur ist die Kassette ein privates Medium. Ein Medium mit Rauschen und Fehlern, ein Medium mit individuellen Spuren. Ein Medium für und von Menschen.