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MÄRZ 2017

Wohin, wenn’s wehtut?

Erstversorgungszentren an der Innsbrucker Klinik könnten in Zukunft dabei helfen, die überfüllten Notaufnahmen zu entlasten. Außerhalb des Krankenhauses gibt es am Wochenende ohne Zusatzversicherung nur wenige Alternativen – aber es gibt welche.

Foto: Axel Springer
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hrenschmerzen, Fieber oder ein unangenehmes Ziehen im Kreuz: Wer schon einmal am Wochenende oder in den Abendstunden krank war oder ein krankes Kind zu betreuen hatte, kennt die Schwierigkeiten beim Versuch, sich rasch von einem Arzt untersuchen und mit Medikamenten versorgen zu lassen. Viele Menschen entscheiden sich deshalb für den Gang in eine der Notfallambulanzen an der Innsbrucker Klinik, die nicht selten heillos überfüllt sind. „Besonders stark betroffen sind die Notaufnahme im Medizinzentrum Anichstraße (MZA) sowie jene an der Kinderklinik und der Unfallchirurgie“, weiß Alexandra Kofler, ärztliche Direktorin des Landeskrankenhauses Innsbruck. Alleine im MZA-Notfallbereich werden an Spitzentagen mehr als 200 Patienten betreut.

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Für die Klinik tun sich damit neue Probleme auf, wie Herbert Tilg, Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin I, erklärt: „In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Patienten in der Notaufnahme stetig angestiegen, vom Husten bis zum Herzinfarkt. Die Hauptherausforderung besteht heute darin, die am schwersten Erkrankten möglichst schnell herauszufiltern und sich für diese ausreichend Zeit zu nehmen.“

Besser beim Hausarzt aufgehoben?

Dabei helfen soll das „Manchester-Triage-System“, ein Verfahren zur Einstufung der Dringlichkeit der Behandlung. Jeder Patient, der die allgemeine oder pädiatrische Notaufnahme betritt, durchläuft diese Ersteinschätzung und wird einer von fünf möglichen Prioritätsstufen (Stufe 1 „sofort“, Stufe 2 „sehr dringend“, Stufe 3 „dringend“, Stufe 4 „normal“, Stufe 5 „nicht dringend“) zugeordnet. Im MZA-Notfallbereich überwiegen gegenwärtig klar die Stufen 4 und 5, erklärt dessen Leiter Michael Joannidis: „Die Zahl der Ambulanzbesuche und die Schwere der Fälle unterliegen aber auch jahreszeitlichen Schwankungen.“

Von Mitte Dezember bis Mitte Jänner verzeichneten die Notaufnahmen aus mehreren Gründen (Städtetouristen, wegen Urlaubs geschlossene Arztpraxen, Erkältungszeit) den größten Ansturm. Wie viele der gesamten Ambulanzpatienten beim Hausarzt „besser aufgehoben“ wären, könne er nur schätzen, sagt Joannidis. „Ich würde sagen, ungefähr ein Drittel.“

Höhere Kosten.

„Besser aufgehoben“ meint in diesem Fall, dass Menschen etwa mit einer Verkühlung bei einem Hausarzt ebenso adäquat und vor allem weit günstiger behandelt werden können – schließlich kommt in einem Krankenhaus wie jenem in Innsbruck bei jedem Patienten eine standardisierte „Maschinerie“ in Gang, die im Falle leicht erkrankter Personen nicht immer sinnvoll ist. Die hohe Erwartungshaltung gegenüber der spezialisierten Krankenhausmedizin und der damit einhergehende rechtliche Druck, Diagnosen mit allen dafür zur Verfügung stehenden Verfahren bestmöglich abzusichern, sind letztlich auch ein Kostenfaktor, gibt Herbert Tilg zu Bedenken.

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Neben den steigenden Ansprüchen der Patienten besteht ein weiterer Grund für die Überlastung der Notaufnahmen in den spärlich gesäten Alternativen. Gerade in den Abendstunden und am Wochenende bräuchte es „für kranke Menschen zentral gelegene Anlaufstellen im niedergelassenen Bereich“, ist Alexandra Kofler überzeugt. 

Hilfe durch Bereitschaftsdienst.

In Innsbruck gibt es einen allgemeinmedizinischen Bereitschaftsdienst immerhin an den Wochenenden und Feiertagen, sowohl untertags als auch in der Nacht. Untergebracht ist dieser im Gebäude des Roten Kreuzes Innsbruck (Sillufer 3), die Organisation erfolgt durch die Ärztekammer Tirol. Zwei niedergelassene Allgemeinmediziner versehen hier parallel Bereitschaftsdienst.

Herbert Tilg

„Die Herausforderung besteht darin, die am schwersten Erkrankten möglichst schnell herauszufiltern.“

Herbert Tilg, Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin I

 

Einer bleibt in den Ordinationsräumlichkeiten vor Ort, um Patienten zu empfangen, der zweite ist für etwaige Hausbesuche bei erkrankten Menschen zuständig. Die Idee des Bereitschaftsdienstes besteht darin, akute Beschwerden rasch zu lindern, beispielsweise auftretende Schmerzen medikamentös zu beseitigen. Von den Hausbesuchen profitieren vor allem chronisch kranke, in häuslicher Pflege befindliche Menschen, die etwa an Nebenwirkungen einer laufenden Therapie leiden. „Akut lebensbedrohliche Symptome wie plötzlich auftretende Atemnot, schwerwiegende Verletzungen oder Bewusstlosigkeit sind keine Fälle für den Funkarzt“, sagt Günter Atzl, Direktor der Tiroler Ärztekammer, „bei solchen Beschwerden ist unverzüglich der Rettungsdienst zu alarmieren.“

Thomas Müller

„Wir würden uns an der Kinder­ambulanz ebenso ein Erst-versorgungs­­zentrum wünschen.“

Thomas Müller, interimistischer Direktor der Universitätsklinik für Pädiatrie I
STARK ÜBERLASTET. Vor allem am Wochenende ist die Notaufnahme für Kinder und Jugendliche oft heillos überlastet.

 

Atzl könne sich gut vorstellen, auch werktags einen allgemeinmedizinischen Bereitschaftsdienst in Innsbruck zu installieren. „In 35 von 55 Tiroler Sprengeln gibt es so eine Nachtbereitschaft bereits.“ Das Projekt werde derzeit evaluiert, um auch für Innsbruck Schlüsse zu ziehen. Größter Knackpunkt bleibt allerdings die Finanzierung des Bereitschaftssystems, die jährlich neu beschlossen wird. Eine Verpflichtung für praktische Ärzte, ihre eigene Ordination am Wochenende oder abends zu öffnen oder stets telefonisch für Patienten erreichbar zu sein, gibt es derzeit nicht. Die Ordinationszeiten auf freiwilliger Basis auszudehnen, ist aufgrund fehlender finanzieller Anreize bei gleichzeitig zu zahlenden Gehaltszuschlägen für Ordinationspersonal nur für wenige niedergelassene Ärzte eine Option. 

Pilotprojekt mit praktischer Ärztin.

An der Innsbrucker Klinik will man deshalb ab 3. April mit einem Pilotprojekt versuchen, die überfüllte Notaufnahme in der Anichstraße zu entlasten – vorerst allerdings nur von Montag bis Freitag und untertags.

Die bisherige Triage für alle Patienten bleibt weiterhin bestehen. Um einen Teil jener internistischen Patienten, die nicht als dringend behandlungsbedürftig eingestuft werden, wird sich künftig eine praktische Ärztin kümmern, die im Ambulanzbereich in einem Ordinationsraum arbeitet. In leichteren Fällen sollen Patienten nach der Behandlung durch die Allgemeinmedizinerin nach Hause geschickt werden, in schwerwiegenderen können Internisten aus der Notaufnahme hinzugezogen und weitere Untersuchungen im Krankenhaus oder eine stationäre Aufnahme veranlasst werden. In einer „ein- bis zweijährigen Testphase“ wolle man evaluieren, wie sich diese neue Erstversorgungsambulanz bewährt, so Tilg. 

Kinderambulanz entlasten.

Ob dieses System auch an anderen Ambulanzen eingeführt wird, steht noch in den Sternen. Thomas Müller, interimistischer Direktor der Universitätsklinik für Pädiatrie I, würde sich an der Kinderambulanz jedenfalls ebenso ein Erstversorgungszentrum wünschen.

Medizinische Notversorgung in Innsbruck

 

Notfälle Rettung: 144

Alternativen in nicht akut bedrohlichen Fällen (Innsbruck-Stadt)

 

Ärztlicher Funkbereitschaftsdienst
Telefon: 0512/36 00 06
(Sillufer 3, 6020 Innsbruck)

Wochenende:
Freitag 20 Uhr bis Montag 7 Uhr
Feiertage: vom Vortag 20 Uhr bis zum Tag nach dem Feiertag 7 Uhr

 

++++

 

Kinderärztlicher Bereitschaftsdienst
Telefon-Hotline: 0676/330 63 39
Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 8 bis 14 Uhr
Außerhalb dieser Zeiten kann ebenso der Funkbereitschaftsdienst angerufen werden.

 

++++

 

Zahnärztlicher Bereitschaftsdienst
Samstag und Sonntag sowie an Feier- und Fenstertagen
von 9 bis 11 Uhr Welche Ordination geöffnet hat, steht auf der Website der Tiroler Zahnärztekammer.