ie Tiroler sind sehr brave Recycler“, sagt Annemarie Morbach von der Abfallwirtschaft Tirol Mitte (ATM), „sie trennen bereits zwei Drittel ihres Mülls im Haushalt, sodass nur noch ein Drittel zur Abfallsortieranlage ins Ahrental kommt." Die Umweltserviceorganisation managt die Müllbeseitigung zwischen Innsbruck und Schwaz. Morbach weiß bestens darüber Bescheid, was in der Region im Mülleimer landet: In Tirols Privathaushalten entstehen jährlich zirka 370 Kilo Müll pro Person. Diese Menge bezieht sich auf Abfälle jeder Art, von Sperrmüll bis zu Rest- und Biomüll, und davon kommen 32 Kilo durch Leichtverpackungen zusammen, also aus viel Plastik. Wären solche Mengen vermeidbar? Interessanterweise ist die „Fehlwurfquote“ von Plastik, das „versehentlich“ im Restmüll landet, in der Stadt höher als am Land. Macht die urbane Umgebung Menschen recyclingfaul? Und steigert die ländliche Idylle das Umweltbewusstsein?
//Einer, der in dieser Hinsicht neue Denkansätze liefert, ist Georg Dominguez. Der Innsbrucker zog vor ein paar Jahren aus Liebe zu seinem Haustier, dem Schwein Apollo, aufs Land.
Seither konnte er dem Landleben einiges abgewinnen. Heute besitzt er drei Schweinchen, hält Schafe, und ganz nebenbei kann er sich und seine Familie ziemlich gut selbst versorgen. Wer beim Schlagwort „Selbstversorger“ spontan an Aussteiger-Typen à la Roland Düringer denkt, stellt sich den Neo-Silzer leider falsch vor. Georg ist nämlich Unternehmer und das Landleben hat ihn auf eine Idee gebracht, wofür er mittlerweile auch viele Crowdfunder begeistern konnte: ein Geschäft ohne Verpackungen.
Regionales im urbanen Umfeld.
„Ich lege freitags immer ein Körbchen mit 2,50 Euro vor die Tür“, erzählt Georg, „und eine Nachbarin füllt es mit zehn frischen Eiern in bester Bioqualität, natürlich aus eigener Produktion. Am Land hat man naturgemäß mehr persönlichen Kontakt zur Landwirtschaft, und ich habe schnell gelernt, diese speziellen Netzwerke zu schätzen.“
Die Kunden können ihre eigenen leeren Behälter mitnehmen und befüllen.
Georg begann, sich mit der Frage nach regionaler und lokaler Verfügbarkeit bestimmter Produkte in der Stadt zu beschäftigen: Wie kommt man beispielsweise zu Milchprodukten „direkt vom Bauernhof“, wenn man keinen Bauern persönlich kennt? „Auf Bauernmärkten wird man zwar fündig, aber hier sind oft nur zehn Großbauern vertreten.“ Dabei ist die Anzahl von regionalen Produzenten viel größer: Georg ist mittlerweile mit gut 350 von ihnen vernetzt. Und deren Produkte will er in seinem verpackungsfreien Supermarkt zum Verkauf anbieten, etwa in Glasbehältern.
Stichwort Precycling.
Die Idee hat etwas von Bonbonladen-Romantik – aber wie holt man dort die Waren im verpackungsfreien Supermarkt ab? „Die Kunden können ihre eigenen leeren Behälter mitnehmen, diese mit Produkten füllen und dabei selbst die Mengen bestimmen. Natürlich werden wir im Geschäft auch Verpackungslösungen anbieten.
Diese werden aber frei von Plastik sein“, sagt Georg. Precycling lautet also die Devise – Abfälle erst gar nicht erst entstehen lassen. Am Gesamtkonzept arbeitet Georg seit nun einem Jahr, inklusive behördlicher Unterstützung in puncto Hygiene und Lebensmittelsicherheit.
//Die Eröffnung des Geschäfts in der Museumstraße soll im Laufe des Mai passieren, im Vollsortiment möchte Georg rund eintausend Produkte anbieten, die folgende Kriterien erfüllen müssen: regional, biologisch und nach Maß. Zum Vergleich: Kleinere Geschäfte der etablierten Handelsketten bieten mindestens das Fünffache an Produkten an, wobei jedoch das Sortiment Definitionssache ist. Denn selbst mit reduzierter Markenvielfalt kann alles Notwendige für den täglichen Bedarf angeboten werden.
Sogar Reinigungsmittel und Zahnpasta sind in Georgs Sortiment dabei, wobei letztere in Pastillenform verfügbar ist. „Sie schmecken zwar etwas anders als Zahnpasta aus der Tube, aber dafür ist auch das Produkt selbst frei von Plastik, und außerdem in der Dosierung sehr einfach.“
//Sein Geschäft will der 34-Jährige auch mit einer Küche ausstatten. Der Raum kann umfunktioniert und für „Private Dining“-Events gemietet werden. Auch kleine Schulgruppen sind willkommen – Georg möchte auch Kindern und Jugendlichen die Entstehung von Essen näher bringen: „Das gewöhnliche Verpackungsdesign vieler Lebensmittel kann oft ziemlich irreführend sein, sodass man kaum mehr eine Vorstellung von Produkten in ihrer Reinform hat. Gleichzeitig verliert man den Bezug zur Herstellung von Lebensmitteln.“
Liebe & Lose
Wer „Liebe & Lose" Per Crowdfunding unterstützen will, kann das unter www.startnext.com/liebeundlose tun. Die Aktion läuft noch bis 23. März und zählt jetzt schon zu den erfolgreichsten Lebensmittel-Crowdfunding-Projekten Österreichs.