lte Musik wird für gewöhnlich in einem seriösen Rahmen genossen. Hier lautet die Konzertdevise: eleganter Saal, sitzendes Publikum. „Wir finden es schade, dass es solche Barrieren gibt, die den Zugang zur Alten Musik erschweren“, findet Eva-Maria Sens, junge Betriebsdirektorin der Innsbrucker Festwochen. Darum findet heuer ein Festwochen-Remix im unbestuhlten Treibhaus-Turm statt, wo elektronische Musik erstmals mit Barockmusik fusioniert. Zu diesem Anlass treffen die Tiroler Barockmusiker Margret Köll, Walter Rumer und Herbert Walser-Breuss mit Barockharfe, Violone und Barocktrompete auf die große Experimentierfreude von Elektro Guzzi. Die Spezialität der Wiener Kombo ist live gespielter Techno mit Gitarre, Bass und Drums, ganz ohne Computer. Mit diesen Mitteln wollen sie nun bestimmte Elemente der Barockmusik aufgreifen und im Zusammenspiel mit den Tiroler Musikern weiterverarbeiten.
Grooves gefällig?
„Wir wollten die Hemmschwelle überwinden und die Musik wahrnehmbar und vor allem tanzbar machen“, sagt Sens. Die Musik aus der Renaissance und Barockzeit ist nicht nur sakral, es gibt auch eine Vielzahl von Stücken, die für weltliche Feiern und Tanz geschrieben wurden. Denn der Drang, den Tag genießen zu müssen, weil morgen überall Krieg und Krankheit lauern, ist ein typisches Motiv aller barocken Kunstgattungen quer durch halb Europa.
„Wir wollen die Alte Musik wahrnehmbar und vor allem tanzbar machen.“
Eva-Maria Sens
Um dieses feierfreudige Element in die Moderne zu transponieren, kooperieren die Festwochen mit dem Innsbrucker Techno-Eventkollektiv Bonanza. „Die englische Bezeichnung ‚Early Music‘ passt besser als die etwas abschreckende Variante ‚Alte Musik‘“, findet Martin Schümberg. Der Bonanza-Veranstalter hat keine Berührungsängste mit dem klassischen Stoff und weiß, dass dieses Experiment sowohl den Barock- als auch den Technofans ein gewisses Maß an Offenheit abverlangt. Aber: „Die Musik kann alle begeistern, unabhängig von Alter und Konsumgewohnheiten“, findet Schümberg. Eva-Maria Sens pflichtet ihm bei und freut sich auf die Weltpremiere: „Man kann nicht mit Worten beschreiben, wie es klingen wird – das muss man erleben!“
Alle Infos zum Programm unter: www.altemusik.at
„Sommerfantasien: Bonanza meets Festwochen“
am 6. August im Treibhaus-Turm, Beginn: 20 Uhr. Eintritt: 22 Euro
„‚Early Music‘ passt besser als die etwas abschreckende Variante ‚Alte Musik‘.“
Martin Schümberg
„Wir teilen ähnliche Klangvorstellungen“
Elektro Guzzi im Interview
Was habt ihr euch gedacht, als sich die Herausforderung „Elektro Guzzi meets Barock“ bot? Elektro Guzzi: Zuerst waren wir uns nicht ganz sicher, wie das funktionieren kann, weil es ja nicht unbedingt eine offensichtliche Konstellation ist. Wir wären von selbst wahrscheinlich nicht auf diese Idee gekommen. Wir haben uns dann sofort Aufnahmen einer Triple-Harfe besorgt und waren alle drei vom Klang begeistert. Ab diesem Moment war klar, dass das funktionieren kann, weil sich ja in unserer Musik alles um Sound dreht und die Barockinstrumente eine spannende Erweiterung davon sein können. Die Tatsache, dass Improvisation auch in der Barock-Musik eine sehr wichtige Rolle spielt, ließ uns schnell Gefallen an der Idee finden. Nach kurzen Treffen mit den Musikern Margret Köll und Herbert Walser-Breuss war auch schnell klar, dass wir ähnliche Klangvorstellungen teilen.
Mögt ihr Alte Musik? Als richtige Liebhaber klassischer, alter oder barocker Musik würden wir uns nicht bezeichnen, dazu kennen wir uns in diesen Stilen viel zu wenig aus. Aber es besteht ein großes Interesse daran. Gerade jetzt, wo wir uns als Vorbereitung mehr mit Barockmusik beschäftigen, merken wir, wie umfangreich dieses Feld ist und wie viel es zu entdecken gibt. Es besteht also durchaus Potenzial, zu Liebhabern barocker Musik zu werden.
Was fasziniert euch daran am meisten? Sehr spannend finden wir, wie unterschiedlich Orchester und Ensembles mit derselben Instrumentierung klingen können.
Wie passt euer Sound dazu? In unserer Vorstellung ist das eine vielschichtige Verschmelzung von elektronischen und akustischen Klängen.
Was ist dabei die schwierigste Aufgabe? Und die spannendste? Die größte Herausforderung ist technischer Natur. Zum Beispiel die Frage, wie wir unsere verstärkten Klänge mit dem akustischen Sound der Harfe zusammenbringen. Also wie wir mit den drei weiteren Instrumenten einen ähnlich starken, gemeinsamen Sound bauen können wie den, den wir als Trio haben. Wenn wir das technisch gut in den Griff bekommen, wird sich der Rest der Musik unserer Meinung nach sehr unbefangen entwickeln.
Sind alle Musikgenres rein theoretisch „elektroguzzifizierbar“? Das hat wahrscheinlich weniger mit dem Musikstil als mit den ausführenden Musikerinnen und Musikern zu tun. In jedem Genre gibt es Leute, die experimentierfreudig und offen für solche Abenteuer sind. Eine gute Zusammenarbeit kann aber nur funktionieren, wenn das Interesse am jeweiligen Musikstil auf Gegenseitigkeit beruht. Es gibt da natürlich Zusammenstellungen, von denen wir schon lange träumen, wie einmal etwas gemeinsam mit einem Gamelan-Orchester zu machen.
Vielen Dank für das Gespräch.