Du bist schon etwas herumgekommen als Straßenmusiker, beispielsweise hast du drei Sommer lang in Nizza gespielt. Was sind die prägnanten Unterschiede zwischen den verschiedenen Orten, an denen du auftrittst? Gregor Blösl: Der größte Unterschied ist immer, unter welchen Umständen die Leute am jeweiligen Ort sind. Bis jetzt war ich in Nizza, Paris, Köln, Bozen, Innsbruck und München. Am angenehmsten ist es in Nizza, weil die Leute, die zuhören, alle auf Urlaub sind. Sie haben mehr Zeit zum Zuhören. Untertags hab ich in Nizza nicht gespielt, weil es einfach zu heiß ist. Zwischen 19 und 20 Uhr wird es dann angenehm, da gehen die Leute Abendessen und danach gehen sie auf der Promenade spazieren. Die Leute haben dann einfach keinen Stress, sie sitzen da und schauen aufs Meer. Das Coole ist, dass man derjenige ist, der ihnen einen schönen Abend macht. Sie sitzen einfach bei mir, damit sie ein kleines Konzert haben. Da sind dann 30 bis 40 Leute, die mir zuhören. In München oder Innsbruck spiele ich in den Einkaufsstraßen, da kann man von Leuten, die vorbeigehen, gut einen Euro abstauben, aber sie haben prinzipiell Stress und nicht so viel Zeit zum Zuhören. Da muss man einfach, klar und laut spielen.
Kommen manche Stücke, die du spielst, irgendwo besser an als woanders? Ein bisschen vielleicht schon, ich bin mir aber nicht sicher, ob es auf das Land ankommt. In Nizza habe ich zum Beispiel versucht, über „Alle meine Entchen“ zu improvisieren. Das hat überhaupt nicht funktioniert. Die Leute haben mich angeschaut und nicht gewusst, was los ist. Dann habe ich „Frère Jacques“ gespielt und sie haben es kapiert – „ah, der improvisiert jetzt einfach über die Melodie eines Kinderliedes“.
„Auf der Straße gibt es einfach nur eine kurze Aufmerksamkeits- spanne, deshalb sind die Zauberworte: leicht verständlich, aber trotzdem interessant.“
Gregor Blösl
Du erlaubst dir also oft Improvisationen? Eigentlich nur Improvisationen, ich spiele kein einziges durchkomponiertes Stück. Ich improvisiere über die Melodien. Yann Thiersen kommt speziell in Frankreich sehr gut an, die Leute dort haben mich immer wieder gefragt, ob ich ihn spielen kann.
Wenn du in Nizza bist, brauchst du doch sicher das ganze Geld, das du einnimmst? Im ersten Jahr musste ich sogar selber Geld reinzahlen (lacht). Im zweiten Jahr habe ich ein paar Schulden zurückzahlen können, die ich in Innsbruck hatte, im dritten Jahr bin ich dann pari ausgestiegen, weil ich da nicht mehr in meinem Bus gewohnt habe, sondern mir ein Zimmer geleistet habe.
Nachdem du eine musikalische Ausbildung genossen hast, gibt dir das Straßenmusikerdasein alleine nicht genug Befriedigung, nehme ich an. Ich brauche auf jeden Fall noch was anderes. Die Straßenmusik hat sich ja nur zufällig ergeben. Ich habe es vor 15 Jahren schon einmal probiert, damals bin ich mit einem Campingbus nach Spanien gefahren und habe ein bisschen gespielt. Da sind sich gerade einmal die Benzinkosten ausgegangen. Im Fall von Nizza war es so: Ich war in Wien mit dem Kompositionsstudium fertig und war sieben lange Jahre nicht auf Urlaub. Ich war immer Taxifahren und Klavierstudieren. Ich hatte 3.000 Euro übrig, die ich für einen VW-Bus ausgegeben habe, und dann bin ich ab nach Nizza.
Was muss man machen, dass man als Straßenmusiker gut verdient? Im ersten Jahr in Nizza habe ich mich noch geärgert, dass die Leute es scheinbar nicht verstanden haben, was für gute Musik da gespielt wird. Ich habe teilweise wirklich sehr gute Konzerte gespielt und es ist nichts reingekommen. Als ich dann wieder nach Nizza bin, weil ich keinen Bock auf Kellnern und Taxifahren in Innsbruck hatte, habe ich kapiert, dass, wenn die Leute schon immer nach Yann Thiersen und solchen eingängigen Sachen fragen, ich das dann auch spielen muss.
ZUR PERSON
Gregor Blösl
ist 35 Jahre alt, hat in Wien Komposition studiert und spielt einmal pro Woche als Straflenmusiker auf seinem E-Piano in Innsbruck (Sparkassenpassage).
Plötzlich standen halt nicht mehr sechs Leute da, sondern 30. Ich habe das ganze Repertoire von Yann Thiersen angeschaut und die möglichst brauchbaren Stücke ausgewählt, also jene, die nicht so depressiv sind. Ich habe die Sachen eingeübt und mein Einkommen vervielfacht. Ich habe einfach gemerkt, dass Musik auf der Straße anders funktioniert. Die langen Improvisationskonzerte mit vielen verschiedenen Themen, die ich davor gemacht habe, machen erst einen Sinn, wenn man eine Viertelstunde zuhört. Aber auf der Straße macht es keinen Sinn, dort muss es einfach und prägnant sein. Es muss nach zwei bis drei Sekunden klar sein, was für eine Stimmung das Stück verkauft. Auf der Straße gibt es einfach nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne, deshalb sind die Zauberworte: leicht verständlich, aber trotzdem interessant.
Im Grunde funktioniert das Spielen auf der Straße also wie ein guter Popsong? Ja, im Grunde schon, ein guter Popsong braucht eine gute Einleitung und muss dann alle Versprechen einlösen, die er am Anfang macht.
Du hast ja auch beim Stadtteilfest Anpruggen gespielt, wie war das? Ich habe dort versucht, Techno zu machen. Da kommen wir auch zu einem guten Punkt: Ich mache die ganze Straßenmusik ja nur, um Geld zu verdienen, damit ich dann das machen kann, was ich will, nämlich meine eigenen Kompositionen und Techno.
Hat sich durch die Straßenmusik dein Zugang zur Musik verändert? Mein Zugang hat sich komplett verändert. Im Studium lernt man ja nur, dass man immer noch komplizierter und noch detaillierter spielen sollte. Es geht ganz wenig darum, dass man simple Stücke schreibt und sie fertigmacht. Ich habe in meinem Kompositionsstudium 20 Kontrapunktstücke angefangen, aber keines wirklich fertiggemacht. Jetzt möchte ich einfach eine klare, schöne Sache produzieren, mit der die Zuhörer was anfangen können.
Vielen Dank für das Gespräch.