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FEBER 2017

Vom Verlieren und Finden

Der Regenschirm ist der Klassiker, die Dissertation oder der Feuerlöscher gehören zu den Kuriositäten. Jeden Tag gehen in Innsbruck Gegenstände verloren – zum Glück wird vieles davon gefunden und landet im städtischen Fundamt. 6020 hat sich umgesehen und dabei auch gleich etwas verloren ...

Foto: Franz Oss
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ie Welt der Funde ist fein säuberlich geordnet: nach Monat und nach Gegenstand. Die Krücken liegen neben den Skistöcken, die Brillen neben den Kopfbedeckungen. Einen besonders großen Platz in den Regalen nehmen vollgepackte Koffer, Taschen und Rucksäcke ein. Auch sämtliche Funde aus ÖBB-Zügen landen in der Fallmerayerstraße 2. Nicht jeder Koffer wird abgeholt, für einige ist das Innsbrucker Fundamt die Endstation. „Viele Touristen wissen wahrscheinlich nicht, wo sie nachfragen oder suchen sollen“, vermutet Herwig Kaltenhauser. Der 50-Jährige arbeitet seit der Eröffnung 2003 im Fundamt, zunächst mit einer Halbtagsmitarbeiterin, jetzt mit der Unterstützung von zwei Mitarbeiterinnen. 

Ein Kommen und Gehen. 

Ein junger Bursch betritt die Räumlichkeiten. Kevin ist auf der Suche nach einem Rucksack, den er vor etwa einem Jahr beim Zugfahren verloren hat. „Die Fundgegenstände werden bei uns nur genau ein Jahr lang aufbewahrt. Das könnte zeitlich knapp werden“, bedauert Herwig, hilft ihm aber gleich in den Regalen des betreffenden Monats zu suchen. Kevin erzählt, dass er bis vor Kurzem als Koch in Holland gearbeitet hat und daher keine Zeit zum Suchen seines Rucksacks hatte. „Ich bin angehender Hundezüchter und das Wichtigste im Rucksack sind die Dokumente meiner Hunde“, erklärt Kevin. Er schmunzelt über einen Tischventilator und einen Rasierapparat im Regal, aber seinen Rucksack findet er nicht.

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Als Nächstes kommt ein älterer Herr ins Fundamt, er hat vor einigen Monaten einen Schlüsselbund verloren. Es ist das dritte Mal, dass er im Fundamt vorbeischaut, auch an diesem Tag wird er in einem Berg von abgegebenen Schlüsseln nicht fündig. Herwig verabschiedet den Herrn freundlich und nimmt sich Zeit für unsere Fragen.

HERR DER FUNDE. Herwig Kaltenhauser

„Verloren wird alles, was nicht niet- und nagelfest ist.“

Herwig Kaltenhauser
6020:

Was war der wertvollste Fund im Innsbrucker Fundamt? Herwig Kaltenhauser: Vor etwa zehn Jahren hat ein älterer Herr in der Tiefgarage des Einkaufszentrums Sillpark einen Geldkoffer neben das Auto gestellt und stehenlassen. Wie uns der Finder mit einem Polizisten den Koffer vorbeigebracht hat, haben wir große Augen gemacht: Der Koffer war tatsächlich voller Geld. Die genauen Umstände kenne ich nicht, aber der ältere Herr war natürlich unglaublich erleichtert, als er bei der Polizei eine Verlustmeldung gemacht hat und ihm gesagt wurde, dass sein Koffer bei uns ist. Für den Finder ist eine üppige Summe Finderlohn rausgesprungen, die vorgeschriebenen fünf Prozent nämlich.

 

Was war der kurioseste Fund? Für meine zwei Mitarbeiterinnen und mich ist inzwischen nichts mehr kurios. Verloren wird alles, was nicht niet- und nagelfest ist, auch Rollstühle oder Kinderwägen zum Beispiel. Innsbruck ist eine lebhafte Stadt, da kommt einfach mal schnell was abhanden. In Zeiten von Veranstaltungen, wie dem Bergiselspringen, dem Air + Style oder jetzt im Fasching ist bei uns natürlich besonders viel los. Waffen oder Drogen haben wir übrigens zum Glück noch nie gefunden. 

 

Was wird am häufigsten verloren? Schlüssel! 2016 wurden bei uns 1.042 Schlüssel abgegeben. Mit großem Abstand folgen in der Statistik des Vorjahres 498 Handys, 483 Brillen und 193 Pullover. Es wird übrigens jedes Jahr mehr verloren. Ein Beispiel: 2015 wurden „nur“ 924 Schlüssel verloren.

 

Was passiert mit den Fundgegenständen, die nicht abgeholt werden? Wir sind verpflichtet, Funde ein Jahr lang aufzubewahren, danach werden sie an die soziale Einrichtung WAMS gespendet, Schmuck verkaufen wir an einen Juwelier, das damit eingenommene Geld geht an die Stadt. Schlüssel werden vernichtet.

 

Was ist das Schönste an Ihrem Job? Es ist schön, Menschen zu helfen, und es ist einfach beglückend, wenn sich Menschen freuen, dass sie verloren Geglaubtes wiederfinden. Da fällt mir zum Beispiel ein Mädchen ein, das sich sehr gefreut hat, dass bei uns ihre Mütze abgegeben wurde. Die Mütze hat ihre inzwischen verstorbene Großmutter gestrickt und hatte für sie einen großen, ideellen Wert. Außerdem finde ich es schön, dass ich tagtäglich Kontakt mit Menschen aus sämtlichen Gesellschaftsschichten habe. 

Was ist nicht so schön an Ihrem Job? Da fällt mir eigentlich nur das Ausräumen der Koffer, Taschen und Rucksäcke ein. Wir müssen schauen, ob sich Lebensmittel darin befinden, und wenn wir dann saure Milch oder ein drei Wochen altes Käsebrot finden, ist das schon eine arge Geruchsbelästigung (lacht). Zum Ausräumen verwenden wir übrigens immer Einweghandschuhe, das ist wichtig.

 

Gehört auch das Ausforschen des Verlustträgers zu Ihrem Job? Ja, wenn wir den Namen des Besitzers oder der Besitzerin entdecken, versuchen wir Kontakt aufzunehmen, was allerdings nicht immer gelingt. Was mich immer wieder wundert, ist, dass einige ausgeforschte Verlustträger nicht vorbeikommen, um ihre Gegenstände abzuholen. Hier steht zum Beispiel ein großer Koffer, den eine Wörglerin vor zwei Monaten im Zug verloren hat. Ich habe sie kontaktiert, aber sie hat ihren Koffer bis jetzt noch immer nicht abgeholt. Ich werde sie bald noch mal anrufen.

Das Fundamt in der Fallmerayerstraße 2

GUT ZU WISSEN 

Das Fundwesen fällt seit 2003 ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden und Magistrate. Polizeidienststellen können daher keine Auskunft mehr über Funde erteilen.

 

Öffnungszeiten

Das Fundamt in der Fallmerayerstraße 2 ist von Montag bis Freitag von 8 bis 13 Uhr geöffnet. Montag bis Donnerstag von 13 bis 17.30 Uhr können Funde auch im Bürgerservice in den Rathausgalerien abgegeben werden. Außerhalb dieser Öffnungszeiten können Funde in der Fundbox in den Rathausgalerien eingeworfen werden. 

 

Für zukünftige Finder 

Es gibt eine Abgabepflicht! Wer etwas gefunden hat, das mehr als 20 Euro wert oder offensichtlich wichtig für den Eigentümer (z. B. Kreditkarte, Schlüssel etc.) Wert besitzt, ist zur Abgabe bei der zuständigen Behörde verpflichtet. Die zuständige Behörde ist in den meisten Fällen die Gemeinde, in der der Gegenstand gefunden wurde.