prache ist verräterisch. Wenn in Niederösterreich nach beinahe einem Vierteljahrhundert unter Erwin Pröll ihm Johanna Mikl-Leitner erst als Parteichefin und dann an der Spitze des Landes folgt, birgt schon dieser Ausdruck Stoff für Häme. „Folgt“ sie im Sinne von „gehorchen“?
//Der Patriarch wirkt über die Ankündigung seines Rücktritts hinaus. Niemand hat sich getraut, ihn öffentlich „der Erwin“ zu nennen. Doch schon fragt man (!) sich medial: Wird „die Hanni“ Frau Landeshauptmann oder Landeshauptfrau sein? System Waltraud Klasnic oder Prinzip Gaby Burgstaller – die Prototypen der ersten weiblichen Darstellerinnen einer solchen Politikposition neben 70 Männern in der Zweiten Republik. Kaum ein Job erscheint archaischer als jener, den Erwin Pröll länger ausgeübt hat als alle anderen; mit Ausnahme von Heinrich Gleißner, der Oberösterreich vom Kriegsende bis in die Kreisky-Ära regiert hat; nach seiner ersten Amtszeit noch vor dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland. Beinahe 30 Jahre lang war er der Hauptmann ob der Enns. Nach Pröll am nächsten kamen ihm Tirols Eduard Wallnöfer und Josef Krainer senior in der Steiermark mit jeweils mehr als 23 Jahren. Würde Südtirol hier wie in manch anderen Austro-Belangen mitgerechnet, schöbe sich aber gleich ein Doppelpack dazwischen. Silvius Magnago war dort länger Landeshauptmann als Gleißner in der Zweiten Republik, Luis Durnwalder übertraf immerhin seinen Studienkollegen Pröll.
Politische Marathonmänner.
Bei aller Unterschiedlichkeit der politischen Marathonmänner: Die toten Legenden Gleißner, Magnago, Wallnöfer und Krainer teilen mit ihren lebenden Epigonen Pröll und Durnwalder, aber auch Wiens Michael Häupl und Oberösterreichs Josef Pühringer das Patriarchalische.
Der Nachkriegstypus Landesvater hatte zumindest am Beginn des dritten Jahrtausends keinesfalls ausgedient. Im Gegenteil: Je länger die Person im Amt, desto weiter steht sie vor der Partei. Die Langzeit-Regional-Satrapen waren auch Dauergaranten für hohe Wahlsiege. Nicht von ungefähr ist das Lieblingsratespiel niederösterreichischer Politikbeobachter, wie viel Prozent die ÖVP bei der Landtagswahl 2018 verlieren wird. Auch unter Pröll hat sie nach seinem Start 1993 die absolute Mehrheit verloren und erst 2003 wieder erreicht. Da war er schon länger im Amt als es jene planen, die nun einer grundsätzlichen Dienstzeitbeschränkung der Landeshauptleute das Wort reden.
//Zwei Perioden seien genug, heißt es da meistens. Das geschieht aktuell ausgerechnet am Beispiel der USA, wo auch der beste Präsident nach nur einer Wiederwahl abtreten muss.
Der Nachkriegstypus Landesvater hatte zumindest am Beginn des dritten Jahrtausends keinesfalls ausgedient.
Acht Jahre: Mehr Zeit haben sie nicht, um Amerika und die Welt (mit)zugestalten. Zum Vergleich: Günther Platter kam schon vor Barack Obamas Amtsantritt an die Spitze Tirols. Nach etwas mehr als neun Jahren wird er hier am 3. August 2017 der zweitlängstdienende Landeshauptmann nach dem „Walli“ sein. Mehr noch: Wenn Pühringer und Häupl abtreten – was der eine für heuer angekündigt hat und vom anderen erwartet wird –, gerät Platter auch unter den aktiven Kollegen zur Amtszeit-Nr. 2. Nur Burgenlands roter Blau-Verbinder Hans Niessl ist dann länger in diesem Job als der Schöpfer der schwarzen Westachse. Im Sinne der Amtsperioden-Beschränker sollte er dann aber schon 2018 nicht mehr antreten dürfen. Dafür gibt es gute rationale Gründe, aber es widerspricht seiner gefühlten Dienstzeit. Er wirkt langsamer in der Aufgabe angekommen, als das Antrittsdatum vermuten lässt.
Wie einst Pröll, wie einst Häupl. Ihre Vorgänger warfen lange Schatten. Hierzulande wirkt Herwig van Staas Auftrittsfreude als ständiger Stachel in der Landesvaterrolle seines Nachfolgers.
Diesseits von Trumpobama.
Platter ist ein gutes Beispiel für die Schwächen eines Zwei-Perioden-Limits. Routine, mehr Erfahrung als die Gegenübers zu haben, ist auch eine Frage von Rahmenbedingungen. Durch den Abgang der Langzeitkollegen wird der Tiroler schlagartig zum aktuell längstdienenden ÖVP-Vertreter in der Landeshauptleutekonferenz. Solche Rollen prägen ihre Spieler. Allzu lange ausgeübt, sind sie auch der Schritt über den Gipfel der Erfahrung in das Tal der Selbstherrlichkeit. Aus dieser Perspektive ist das Südtiroler Modell einer Amtszeitbeschränkung auf drei Perioden von jeweils fünf Jahren wohl der beste Kompromiss. Für Landesräte und Bürgermeister gilt es schon. Das ist auch die Grundvoraussetzung dafür, dass es nun auch für den Landeshauptmann beschlossen werden soll. Seine wichtigsten Ansprechpartner sollten ihn nicht einfach aussitzen können. 15 Jahre sind zudem ein Zeitraum zu kurz für die Etablierung feudalherrschaftlicher Vorgangsweisen, aber lang genug für den Erwerb von hinreichend Routine – durchaus zum Vorteil der jeweiligen Länder. Ungeachtet aller Kritik am Fürstengehabe von Wallnöfer über Durnwalder bis Pröll: Das Bundesland, Südtirol und Niederösterreich erlebten insgesamt gute Zeiten unter diesen Landeshauptleuten.
15 Jahre sind aber zu lang, um die Parteien zu permanenter Nachwuchspflege und Nachfolgersuche zu zwingen. Um eine derart dynamische Personalpolitik zu erzwingen, braucht es raschere Ablaufdaten an der Spitze – samt Synchronisation mit den anderen Verwaltungsebenen: Kanzler, Minister, Bürgermeister. Solch festgeschriebene Schlusspunkte bergen jedoch den Lahme-Enten-Effekt in sich. Je näher der Wechsel kommt, desto weniger mächtig ist der Amtsträger. Denn seine Gegner setzen schon auf den Nachfolger. So klar die Vorteile einer Amtszeitbeschränkung für eine lebendige Demokratie gegenüber einer patriarchalisch oder auch matriarchalisch anmutenden Verwaltung (Beamte sitzen ohnehin jeden Politiker aus) erscheinen: Die Nachteile eines festgeschriebenen Wechsels sind auch diesseits von Trumpobama nicht zu unterschätzen.