tefanie Sargnagel zu beschreiben, ist keine einfache Übung. Die 29-jährige Wienerin hat Kunst studiert, arbeitet 20 Stunden pro Woche bei der Telefonauskunft und schreibt ihre Erlebnisse und Gedanken in kurzen Texten nieder, die sie auf Facebook postet. Beispiel: „in der lugner city gibts jetzt einen eislaufplatz. nur statt echtem eis ist es dickes plastik und die lugnercity kinder kommen schwer voran wie allgemein im leben.“ Wenn sie „muss“, schreibt sie auch Reportagen und Artikel, zuletzt etwa einen vielgelobten Text über die Band Wanda, der in der Süddeutschen Zeitung erschienen ist.
„Bei ‚Willkommen Österreich‘ hab ich mir schon gedacht: Woah, fuck.“
stefanie sargnagel
6020: Als westösterreichisches Medium ist es noch etwas Besonderes, dich zu interviewen. In Wien warst ja schon überall ... Stefanie Sargnagel: Ja, irgendwie schon, voll arg eigentlich.
Die Lesereise zu „Fitness“ führt dich vorwiegend nach Deutschland. Ist es anders, dort zu lesen? Anfangs dachte ich, es wäre anders. Man sagt ja, dass die Deutschen einen anderen Witz haben. Der Wiener Humor ist im Vergleich dazu ziemlich derb. Die letzten Lesungen in Deutschland haben aber genauso funktioniert wie jene in Österreich. Man muss halt bei der Auswahl etwas aufpassen. Und ich lese eigentlich immer in ähnlichen Lokalen, bei Kulturvereinen oder in der Kunstszene, die verstehen mich ganz gut.
Österreichische Künstler sind derzeit in Deutschland sehr beliebt – siehe Wanda, Bilderbuch etc. Das stimmt. Und das ist auch für mich recht praktisch. Mein Artikel über Wanda für die Süddeutsche Zeitung hat echt einiges ins Rollen gebracht. Die Zeit hat gerade ein Wien-Special gemacht, weil ihrer Ansicht nach gerade so viel passiert in Wien. Dadurch sind auch viele österreichische Mainstream-Medien auf mich aufmerksam geworden.
Du warst vor kurzem ja auch bei „Willkommen Österreich“. Es war schon bei meinem ersten Buch im Gespräch, dass ich bei „Willkommen Österreich“ auftrete. Ich merke immer mehr, dass ich eigentlich urviel wichtige Leute in Wien kenne. Das war keine Absicht, ich bin halt immer viel weggegangen. Und jetzt realisiere ich gerade: Oh, die Leute, die ich kenne, machen ja alle was total Wichtiges. Als ich vom ORF dann wirklich eingeladen wurde, hab’ ich mir schon gedacht: whoa, fuck. Zu den Sachen, die ich schreibe, passt ja grundsätzlich eher der Underdog-Status.
Dein Verleger ist Stefan Redelsteiner, der Manager von Wanda. Ich kenne ihn schon ewig. Er war für mich immer ein eher verlotterter, sehr viel trinkender Typ. Deshalb ist es schon lustig, dass er jetzt so erfolgreich ist. Man hat ihm irgendwie nicht zugetraut, dass er so der Checker ist. Er wurde von der Wiener Indie-Szene auch immer ein bisschen belächelt. Der Stefan hatte immer die etwas komischen Bands unter Vertrag. Und jetzt ist er der, der am meisten Erfolg von allen hat.
In deinem Artikel bezeichnest du Marco Michael Wanda als Sektenführer und beschreibst, wie du dich zwischen Begeisterung und Abscheu durch das Album hörst. Sie haben echt arge Ohrwürmer. Am besten gefällt mir „Meine beiden Schwestern“, die anderen Lieder finde ich teilweise ein bisschen deppert. Aber eigentlich mag ich die Musik von Wanda gar nicht so ungern. Ich mag deutsche Texte.
Wie stehst du zu Kabarett? Eigentlich habe ich österreichisches Kabarett immer gemocht – Hader, Düringer, Dorfer, auch die Kabarettfilme wie „Muttertag“. Da war ich auch immer stolz drauf, dass Österreich das hervorgebracht hat. Aber im Moment kommt nichts Gutes mehr nach, hab’ ich das Gefühl. So was richtig Anarchisches, Arges gibt’s derzeit eigentlich nicht.
Poetry Slams sind nicht dein Fall … Ich habe zumindest noch nie einen guten Poetry Slam gesehen. Mir ist das immer zu affektiert. Da war immer zu viel Effekthascherei dabei. Und auch oft dieses naive Weltverbesser-Ding. Aber bitte nicht falsch verstehen: Poetry Slams sind eine Möglichkeit für junge Menschen, um sich auszuprobieren. Aber ich finde halt, sie sollten sich auch woanders ausprobieren.
Wie hast du denn angefangen? Ich habe in einem Magazin etwas publiziert und wurde gefragt, ob ich beim Release lesen will. Und dann habe ich Lesungen gemacht, weil ich ganz einfach Geld brauchte. Am Anfang habe ich das Lesen nicht gemocht, ich fand es irgendwie unnötig, meine Texte vorzutragen. Aber mittlerweile mag ich es ganz gern. Man verdient für wenig Aufwand gutes Geld.
„Ich merke immer mehr, dass ich eigentlich urviel wichtige Leute kenne.“
stefanie sargnagel
Facebook ist dein Haupt-Medium – mit längeren Texten hast du eher Probleme, wie du sagst. Einen langen Auftragstext anzufangen, finde ich uranstrengend. Das ist so ein Stress jedes Mal. Es geht dann eh. Dann nehme ich wieder Aufträge an und dann plage ich mich wieder. Ich finde auch diese Wertung ein bisschen komisch – wieso ist ein langer Text besser als etwas Reduziertes, Kurzes, Pointiertes? Niemand fragt einen Romanautor, ob er nicht mal Aphorismen schreiben will.
Verfolgst du andere Menschen auf Facebook? Das Humorige passiert ja eigentlich mehr auf Twitter. Ich habe Twitter probiert, aber mir ist das zu angestrengt. Alle wollen so gescheit und witzig sein.
Verwendest du Facebook-Sticker? Ja, aber nur im Chat. Wenn Leute mir schreiben, dass sie etwas von mir gut finden, dann weiß ich oft nicht, was ich antworten soll und überbrücke diesen Moment mit einem Sticker. Der tanzenden Banane zum Beispiel. Oder dem Hund mit der Sonnenbrille im Auto. Ich finde die Sticker schon urlustig.
Du sagst immer wieder, dass du gerne rappen würdest. Ganz ehrlich ist es so: Der Erfolg, den ich im Moment mit der Schreiberei habe, löst in mir das starke Bedürfnis aus, etwas ganz anderes zu machen. Früher war alles immer so locker, jetzt ist auf einmal urviel Stress da. Rap auszuprobieren, würde mir Spaß machen, glaube ich. Wenn man mit dem Reimen anfängt, dann denkt man auch automatisch in Reimen – in dieser Phase befinde ich mich gerade.
Liest du viel? Ich war als Kind voll die Leseratte, jetzt habe ich das Gefühl, dass das Internet meine Konzentrationsfähigkeit raubt. Ich hatte eine Phase als Teenager, wo ich zum Beispiel Houellebecq urcool fand – eigentlich alles, was sehr hart, sehr unverblümt, sehr gnadenlos ist. Humoristisches natürlich auch.
Hast du einen Plan für die nächsten Jahre? Nein, eigentlich überhaupt nicht. Irgendwann werde ich halt mit dem Callcenter aufhören müssen, weil sich die Lesungen nicht mehr ausgehen. Aber wer weiß, wie sich das alles entwickelt.
Aber deine Nische hast du gefunden. Ich hatte anfangs schon Probleme, mich zu positionieren. In die bildende Kunst hab’ ich nicht gepasst, für Cartoons kann ich etwas zu schlecht zeichnen. Für Literatur ist das, was ich mache, zu witzig. Mittlerweile ist das Nicht-Positionieren mein Vorteil, weil ich verschiedene Sachen machen kann. Ich weiß aber, dass ich ins humoristische Eck gehöre. Und ich glaube nicht, dass ich in den nächsten Jahren meinen Humor verlieren werde. Von dem her wird sich schon was ergeben.
Vielen Dank für das Gespräch.