lso schrieb Matthias Strolz am 30. Oktober 2012: „Einer der Punkte, der beim Going public von Neos am meisten Resonanz ausgelöst hat, ist unsere Farbe. Wir sind NEOS-magenta-pink.“ Elf Monate später schaffte die Liste den Einzug ins Parlament, vier Jahre danach erneut. Doch die hierzulande größte Werbekampagne im 50. Jahr nach dem „Summer of 69“ stammt zwar von Magenta, hat aber weder mit der derart gebrandeten Partei noch dem Nationalratswahlkampf zu tun.
Die Neos haben das Magenta-Synonym schon früher als ihren Gründervater Strolz im Mai 2018 abgestreift. Als Pink genießen sie in Österreich politischen Wiedererkennungswert ungeachtet des US-Popstars und der Verwendung dieser Farbe im Corporate Design der Grünen. In der Personalisierung des Alleinstellungsmerkmals setzt die neue Chefin Beate Meinl-Reisinger längst eigene Duftnoten. Ihr Umfeld von Claudia Gamon über Sepp Schellhorn bis Gerald Loacker hat der Strolz-Nachfolgerin sogar mitten im Europa-Wahlkampf eine Babypause ohne politische Einbuße ermöglicht.
Pink stagniert wie Türkis.
Doch die Partei tritt auf der Stelle. Vom Hype einer im Vergleich zur Mandatszahl überproportional wichtigen Stimme der Opposition blieben bei der nationalen Stellvertreterabstimmung zur EU letztlich doch wieder nur die acht Prozent vom letzten Mal – erneut klar hinter den Grünen. Urplötzlich sind die Neos nicht mehr allein das Zünglein an der Waage. Doch während der Tie-Break zur Nationalratswahl immer öfter auf „Vorteil Grün“ steht, wirken die taktischen und strategischen Überlegungen der jüngeren Konkurrenz wie aus jenem Zeitfenster nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos, als eine Zweierkoalition der Neos mit der ÖVP möglich schien. Der Personalcoup mit Ex-„Kurier“-Herausgeber Helmut Brandstätter als Nr. 2 soll sie wieder zurück in diese Position bringen. Denn zwei Monate vor der Entscheidung stagniert Pink in Umfragen bei acht Prozent so wie Türkis bei 37 Prozent. Zusammen 45 Prozent – wohl knapp zu wenig für eine Mandatsmehrheit.
//Dass laut einer Umfrage des Market-Instituts für „Der Standard“ dennoch 39 Prozent der Österreicher sich die Neos in der nächsten Bundesregierung wünschen, zeigt lediglich, wie eng das Gefäß ihrer Wählerschaft mit dem ÖVP-Reservoir kommuniziert. Doch der Volkspartei bleiben neben SPÖ und FPÖ wohl auch die im Hochsommer auf zumindest 12 Prozent eingeschätzten Grünen als Paarvariante. Mit dem Nebeneffekt, dass eine solche Koalition auch noch zu einer Aussöhnung der uneingestandenen Konflikte zwischen türkiser Bundesspitze und schwarzer Landesstärke führen könnte. Immerhin sind die Grünen ein bewährter Regierungspartner entlang der ÖVP-Westachse.
Kalkül statt Misstrauen.
So hatten sich die Neos das wohl nicht vorgestellt, als sie sich mitten in ihrem medial gestützten Dauer-Höhenflug nicht am erfolgreichen Misstrauensvotum gegen die Regierung Kurz 1 beteiligten. Das Wohlwollen der Volkspartei-Anhänger wurde allzu teuer mit dem Verdacht der puren Machtoption erkauft. Wie ehrlich die staatstragende Begründung auch gemeint sein mochte, letztlich blieb der fahle Nachgeschmack, als hätte ein allfälliger künftiger Juniorpartner sich frühzeitig andienen wollen. Was bei anderen Listen als ganz normales Kalkül hingenommen wird, taugt bei den Neos infolge ihrer offensiven politischen Anstandsbeschwörungen durchaus zum kleinen Glaubwürdigkeitsverlust. Einen solchen haben sie sich durch die Nichtwahl von Ursula von der Leyen zur Präsidentin der Europäischen Kommission ohne Not erneut zugefügt. Die Begründung für diese fehlende Stimme von Claudia Gamon ist sogar in liberalen Kreisen kaum vermittelbar.
Urplötzlich sind die Neos nicht mehr allein das Zünglein an der Waage.
Unterdessen bleibt das Potenzial für eine klar liberale Partei begrenzt. Nicht nur die deutsche Tradition belegt, dass jede Zweistelligkeit im Prozentergebnis als großer – und seltener – Erfolg zu werten ist. Hierzulande fehlt den Neos zudem noch jene Flächenanbindung, die den Grünen auch erst nach Jahrzehnten geglückt ist. Ungeachtet ihrer Beteiligung an der Salzburger Landesregierung und von Bürgermeister Markus Moser in Mils bei Imst sind sie vorerst ein Phänomen der wenigen großen Städte in Österreich. Schon bei der Vorarlberg-Wahl nur 14 Tage nach jener zum Nationalrat steht Pink dabei erneut vor allem im Wettbewerb mit Grün.
//Doch während die Konkurrenz zumindest auf Landesebene nicht mehr auf ihre neue alte Allzweckwaffe Werner Kogler angewiesen ist, brauchen die Neos auch im Regionalen ihre alles überragende Chefin Beate Meinl-Reisinger. Ungeachtet der mehr denn je auf Fernsehen und Social Media setzenden Wahlkämpfe könnte das schlicht ihren Terminkalender überfordern. Diesem Manko einer zu grobmaschigen Personaldecke steht aber gegenüber, dass 46 Prozent der Österreicher glauben, dass die Neos viele neue Ideen in die Politik bringen. Das ist laut „Der Standard“ der höchste je von Market für eine Partei gemessene Wert.
//„Farbpsychologen verbinden mit Magenta Eigenschaften wie Idealismus, Dankbarkeit und Mitgefühl“, schrieb Matthias Strolz vor sieben Jahren. Diese Phase ist für Pink vorbei. Vergesst Magenta!