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AUGUST 2018

Kleingärten

My Grün is my Castle

Auch ohne „Alltagsgeschichten“-Skurrilitäten haben Schreber- oder Kleingärten Hochjunktur und sind auch bei jungen Menschen beliebt. Das gilt besonders für den Raum in und um Innsbruck. Warum eigentlich? 6020 darf übern Zaun schauen.

Fotos: Axel Springer
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er auf der Hallerstraße Richtung Osten unterwegs ist, ahnt nicht unbedingt, wie idyllisch die Wiesenflächen zwischen dem Arzler Kalvarienberg und der viel befahrenen Verkehrsader sind. Entlang der Wiesenwege wurden hier vor Jahrzehnten gleich mehrere Kleingärten angelegt. Peter Angerer hat in einem davon viel Zeit verbracht: „Seit ich geboren wurde, bin ich hier“, erzählt der 20-Jährige. Eine alte Metallrutsche zeugt noch heute vom Spaßpotenzial der 400 qm großen Fläche, die er gemeinsam mit seiner Schwester bespielte. Die kleine Hütte ist mit Strom, Wasser, Küche, Kühlschrank und Couch ausgestattet und wird regelmäßig besucht. Allerdings erstreckt sich der Garten entlang einer steilen Böschung, wodurch die eigentliche Nutzungsfläche um einiges reduziert wird. Darüber verläuft die Bahntrasse.

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Der Grund gehört den Österreichischen Bundesbahnen, die diese und ähnliche Flächen ihren Mitarbeitern zur Tagesnutzung vermieten – eine Win-Win-Situation, weil dadurch Flächen bewirtschaftet werden, die sonst die Bahn pflegen müsste.

Für den Kleingarten zahlt Peters Familie 400 Euro Pacht im Jahr. In Innsbruck gibt es 250, tirolweit 650 Kleingärten der ÖBB, alle zwischen 100 und 300 qm groß. Bevorzugt werden Anwärter wie Peters Vater, die ÖBB-Wohnungen ohne Garten bewohnen. Die Familie hatte Glück, die Wartelisten sind lang. Umso mehr weiß er die Ausweichmöglichkeit von der Reichenauer Wohnung ins Grüne zu schätzen.

Viel Handarbeit.

Der HTL-Absolvent lädt hier gerne seine Freunde zum Grillen ein, hat aber auch keine Scheu vor mühseliger Handarbeit: „Hütte, Blumen, Himbeerstauden und Rutsche haben wir alles selber hergerichtet“, sagt er. Er deutet grinsend auf einen hohen Kirschbaum hin, an dem noch einige überreife Früchte hängen: „Ich weiß noch genau, wie klein der war, als wir ihn gepflanzt haben.“ Die Steinmauer, die den Hang stabilisiert, ist auch Marke Eigenbau: „Manche Steine haben wir aus der Sillschlucht, andere aus der Ötztaler Ache geholt. Da haben wir auch viel Erde wegschaufeln müssen. Alles per Hand und Schubkarre, weil die letzten Meter zum Garten nicht befahrbar sind“, schildert er.

„Hütte, Blumen, Himbeerstauden und Rutsche haben wir alles selber hergerichtet.“

Peter Angerer

 

Heute dienen die Kleingärten eher der Erholung – ein Thema, das von der hiesigen Stadtpolitik im Jahr 1978 tatkräftig angegangen wurde. „Es wurden ebene Gründe in Sonnenlage gesucht und gepachtet. So entstanden jene 350 Gartenanlagen, die heute noch bestehen“, erklärt Melanie Mair, die bei der Innsbrucker Immobiliengesellschaft (IIG) städtische Kleingärten verwaltet. Diese befinden sich in der Nähe des SOS Kinderdorfs im Osten der Stadt, in Arzl gleich in der Nähe der ÖBBL-Gärten und in Pradl an der Gumpp- bzw. Andechsstraße. „Es gibt aber auch viele private Gärten, die wir nicht verwalten, wie jene in Richtung Flughafen“, stellt Mair klar.

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Das Interesse an den 350 Anlagen ist seit ihrer Errichtung ungebrochen hoch. Aktuell müssen Interessenten bis zu zehn Jahre auf ihr Häuschen im Grünen warten. Melanie Mair: „Vor einiger Zeit wurden in einem Jahr nur zwei Objekte wieder frei, ein Jahr später waren es zehn, heuer sind es bereits zwölf. Ein Generationenwechsel ist spürbar.“ Bei einer Neuvergabe werden Interessenten bevorzugt, die in einer Stadtwohnung ohne Gartenfläche leben.

My Grün is my Castle

ES GEHT AUCH ANDERS.

Das Gartendorf Tirol ist eine private Kleingartenanlage mit 71 Häuschen in Zirl.

My Grün is my Castle

Neue Zielgruppe.

Die Häuschen sind nobel ausgestattet und kosten zwischen 450 und 760 Euro pro Monat.

My Grün is my Castle

 

Auch die Kleingärten der IIG sind nur für die Tagesnutzung gedacht, „wenn aber jemand feiert und lieber im Gartenhaus übernachtet, ist das natürlich legitim.“

Gesucht: Rückzugsort.

„Nach Jahren in der Stadt kommt oft die Sehnsucht nach mehr Grün“, findet Anna. Aufgewachsen ist die 32-jährige Turnusärztin am Stadtrand von München, in einem Haus mit Garten, ehe sie zum Studium nach Innsbruck kam. „Im vergangenen Winter hatte ich dann einen Anflug von ‚Mir wird die Stadt zuviel.‘ Ich brauchte einen Rückzugsort neben der Wohnung, wo ich hinfahren kann, wenn ich alleine sein will.“ Zunächst dachte sie an eine Hütte in den Bergen, was sich bald als Ding der Unmöglichkeit rausstellte. Dann fand sie im Netz Infos über das Gartendorf Tirol, eine private Kleingartenanlage mit 71 Häuschen in Zirl und war „sofort geflasht“.

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„So einen Schrebergarten hatte ich noch nie gesehen. Hier kann man gleich mehrere Tage und Wochen verbringen, kochen, vor Ort schlafen. Eine Mischung aus Ferienwohnung und Hütte“, erzählt Anna. Anfang Dezember besichtigte sie die Anlage, am Ende des Monats war sie bereits Mieterin ihrer Oase. „Den Jahresausklang haben wir auch hier gefeiert, Feuer gemacht und gegessen. Wir waren die Einzigen“, schildert sie begeistert.

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Das Holzhäuschen ist mit Dusche und WC, Hochbett und Küche nobel ausgestattet, darf aber nicht als Hauptwohnsitz genutzt werden. Aktuell sind nur wenige Einheiten vermietet. Die Anlage wirkt daher fast bizarr ruhig, was der Idylle im Grünen allerdings nicht schadet. „Ich bin mir bewusst, dass das Häuschen ein Luxusgut ist. Die Miete zwischen 450 bis 760 Euro im Monat gehört definitiv in die obere Preisklasse“, sagt Anna.

Das Interesse an den 350 städtischen Kleingärten ist seit ihrer Errichtung ungebrochen hoch.

 

Für ihren Rückzugsort verzichtet sie allerdings gerne auf andere Dinge. Die vorhandenen Luxusmöbel und das Fernsehgerät mussten raus: „Hier will ich minimalistisch wohnen“, stellt sie klar. Und gibt zu bedenken, dass der Wunsch nach grünen Oasen bei vielen nicht umsonst immer größer wird: „Es geht um Freiräume und ein erhöhtes Eigenbewusstsein. Wer in Kleingärten Beete anlegt, hinterfragt womöglich, woher das Essen kommt und kann gegebenenfalls auch autark sein.“

Wo ist noch Platz?

Die Tatsache, dass Gemeinschaftsgärten als Alternative zum Schrebergarten mit Häuschen auch immer beliebter werden, scheint Annas Eindruck zu bestätigen. Doch gäbe es in und um Innsbruck überhaupt noch geeignete Flächen, um die wachsende Sehnsucht nach dem eigenen Grünen zu decken? Walter Treschl vom ÖBBL hätte eine Idee: „Wir würden gerne die schmalen Gründe entlang der Bahntrassen zur Verfügung stellen, die für Wohn- oder Gewerbegebiete ungeeignet sind,“ heißt es. „Allerdings müssten diese Flächen erst umgewidmet werden. Und da ist die Politik gefordert.“

Die Anmeldemodalitäten für die städtischen Kleingärten findet man auf www.iig.at.

 

Infos zur neuen Anlage in Zirl gibt’s auf
www.gartendorf-tirol.at.