litzlichter aus dem persönlichen Gedächtnis überstrahlen Tatsachen der historischen Gewichtung: Den Knirps beeindruckten an Olympia 1964 vor allem die 100 km/h. Aber nicht das Tempo der Abfahrer, sondern die eigene Erfahrung – im tscheppernden VW Käfer des angereisten deutschen Onkels auf den Autobahnahnen von Innsbruck bis Zirl. Ansonsten: Kaum eigenes Erleben und erst recht keine medial vermittelten Ereignisse. Im gesamten riesigen Wohnblock besaß nur eine Familie einen Fernsehapparat. Und Radio? Da war das Spielen im verschneiten Hof allemal spannender.
//Ganz anders Olympia 1976: 200 km/h – im gut gedämmten BMW 2500 des angereisten deutschen Onkels auf der Autobahn im Unterland. Doch den Halbstarken beeindruckte das nicht annähernd so sehr wie die halbe Geschwindigkeit zwölf Jahre zuvor. Er durfte ein bisschen beim amerikanischen Sender ABC mithelfen, das wie 1964 die Winterspiele in die USA übertrug. Farbfernsehen. Mit unwirklich grellen Tönen. Vielleicht ist deshalb noch so fest im Gedächtnis verankert, dass Franz Klammer in einem gelben Rennanzug die Abfahrt gewann. Eine Stunde später gab es dazu schon die Sonderausgabe der „Tiroler Tageszeitung“. Das war die wahre Tempo-Sensation. In Schwarzweiß.
Auftakt zum Ende der Ära Niescher.
Die Paralympics 1984 und 1988 hingegen: null Erinnerung. Der jugendbewegte Erwachsene sorgte sich eher um Treibhaus und Utopia. Allenfalls die Skisprung-arena auf dem Bergisel gemahnte weiter an Olympia, als Auftrittsfläche für ein Künstlerspektrum von Miles Davis über Mikis Theodorakis, Udo Lindenberg und Lucio Dalla bis zu Gianna Nannini. Und dann sogar noch der Papst. Sommerliche Wohltaten in der winterlichen Domäne von Jens Weissflog, Matti Nykänen und Gari Puikkonen.
//Zur Entflammung eines weiteren olympischen Feuers reichte die Stadionnutzung in der warmen Zeit allerdings nicht aus. Während des Bosnienkriegs, zwischen russischer Verfassungskrise und dem Inkrafttreten des europäischen Vertrags von Maastricht gab es zwar am 17. Oktober 1993 eine bis dato Rekordbeteiligung an der erst vierten Volksbefragung im Nachkriegs-Innsbruck, doch die Watschen für die Winterspielbetreiber war heftig: 45,2 Prozent der Wahlberechtigten machten mit, 73,5 Prozent stimmten gegen eine neuerliche Olympia-Kandidatur. Ein halbes Jahr später war jener Bürgermeister Romuald Niescher Geschichte, der 1983 den Olympia-Luis Alois Lugger abgelöst hatte.
Sinkende Beteiligung und Ablehnung.
Ungeachtet dieser Erfahrung, die ihn mit ins Amt gehoben hatte, ließ auch Nachfolger Herwig van Staa sich auf das Spiel mit den fünf Ringen ein.
In Innsbruck gingen alle Versuche, Olympia wiederzubeleben, an einem Großteil der Bevölkerung einfach vorbei.
Zwischen dem sanften Putsch gegen islamistische Tendenzen in der Türkei und der Wahl von Tony Blair zum britischen Premierminister ließen sich am 9. März 1997 allerdings nur noch 35,7 Prozent der wahlberechtigten Innsbrucker befragen. Aber auch sie stimmten – nicht ganz so eindeutig wie dreieinhalb Jahre zuvor – dagegen: 52,6 Prozent Nein aus der Hauptstadt überwogen das landesweit klare Ja (bei allerdings wesentlich niedrigerer Beteiligung).
//Wenn mehr als zwei Dekaden nach dem letzten Versuch, sich wieder um die echten Winterspiele zu bewerben, im kommenden Herbst erneut gefragt wird, ob wir das wollen, werden die Antworten ungeachtet jeglicher allfälliger Vorinformation vor allem von Emotion getragen.
Die Befürworter können sich daran festklammern, dass die Ablehnung von 1993 bis 1997 schon deutlich geringer geworden ist. Sie hoffen wohl auch, dass mittlerweile genügend Gras über die Sache gewachsen ist.
Redimensionierung wider Medienwahn.
Um das Projekt von Winterspielen 2026 anzuschieben, nutzen der landesweit heute breiteren Pro-Olympia-Allianz als in den 1990er-Jahren keine noch so gut aufbereiteten Finanzvorschauen. Die glaubt zwar vielleicht nicht gerade keiner, aber sie sind auch heute selten das Papier wert, auf dem sie ausgedruckt werden. Die richtigen Pläne der Redimensionierung des Mega-Events auf ein menschliches Maß machen die Rechnung vielleicht nicht ohne das Internationale Olympische Komitee (IOC), aber sicher ohne den wahren Wirt – die Medien. ABC hat 1964 noch 600.000 Dollar für die Fernsehrechte in den USA gezahlt, 1976 waren es bereits zehn Millionen. NBC, das alle Lizenzen bis 2020 um 4,3 Milliarden erworben hat, bezifferte allein seine Auftaktspiele im Rahmen dieses Broadcaster-Kontrakts in Sotschi 2014 mit 775 Millionen. Da braucht nicht erst Frank Stronachs „Wer das Gold hat, macht die Regeln“ bemüht zu werden, um zu erahnen, wo der Bartl den Most holt. Nur so nebenbei: NBC hat gerade 25 Prozent von Euronews gekauft.
Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer hat allen Grund zur Nervosität. Denn heute erinnert vieles an 1993, als die Volksbefragung ebenfalls ein halbes Jahr vor der Gemeinderatswahl angesetzt war. Die Befürworter präsentieren beruhigende Zahlen, die Gegner setzen auf die Macht der Gefühle. Der erst zu überzeugende, aber noch neutrale Beobachter erinnert sich unterdessen an die jüngste Belebung des Innsbrucker (Alp-)Traums: 15 Jahre nach dem letzten Nein zumindest die Youth Olympic Games. Davon bleibt dem mittlerweile 50plus- aka Uhu-Vertreter vor allem das „Sch…“ im Eröffnungseid in Erinnerung – aber weder seine Urheberin noch sportliche Ereignisse. Das ist ungerecht gegenüber den Athleten, aber nicht untypisch für einen Innsbrucker: Abgesehen von 1964 und 1976 gingen hier alle Versuche, Olympia wiederzubeleben, an einem Großteil der Bevölkerung einfach vorbei.