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SEPTEMBER 2019

Pflücken erwünscht

Mit dem Projekt „Innsbruck essbar“ soll die Stadt grüner, lebenswerter und vor allem genießbarer werden: Statt Zierpflanzen werden im öffentlichen Raum Gemüse, Obst und Kräuter gepflanzt, die von allen Bewohnern gepflegt und geerntet werden können.

Fotos: © Axel Springer, Schwarzenauer

„Die essbare Stadt ist von allen für alle.“

Ute Ammerling, Obfrau Ernährungsrat
W

er in letzter Zeit am Waltherpark vorbeigekommen ist, hat vermutlich schon die Hochbeete voller Mangold, Lavendel, Grünkohl und anderer essbarer Gewächse entdeckt. Diese wurden Anfang Juli als erster Vorgeschmack auf „Innsbruck essbar“ gebaut, befüllt und bepflanzt und warten jetzt darauf, von den Parkbesuchern betreut und abgeerntet zu werden. 

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Hinter den Beeten steckt der 2017 gegründete Innsbrucker Ernährungsrat, der das Projekt der essbaren Stadt zusammen mit Partnern wie der Stadt Innsbruck und dem feld Verein auf den Weg gebracht hat. „Wir wollten etwas machen, wo wirklich jeder aktiv werden kann, und da ist dieses Projekt perfekt. Die essbare Stadt ist etwas von allen für alle“, erzählt Ute Ammerling, Obfrau des Ernährungsrates.

Picknick-Gespräche

Unter dem Motto "Vielfältiges, Widersprüchliches und Verbindendes zur nachhaltigen Ernährung der Stadt" finden im September und Oktober Picknick-Gespräche bei den Beeten im Waltherpark statt, wo sich Interessierte über das Projekt "Innsbruck essbar" und den Ernährungsrat informieren und austauschen können. 

 

Termine:
11. September bis 9. Oktober,
immer mittwochs ab 12 Uhr

 

Gärten für alle. 

Freie städtische (Grün-)Flächen werden durch gezieltes Bepflanzen essbar gemacht: Anstatt exotischer Sträucher oder anderer Pflanzen, die weder für den Menschen noch für Insekten Nahrung bieten, werden saisonale und regionale essbare Pflanzen eingesetzt und gesät, bei der Auswahl der Bepflanzung wird außerdem darauf geachtet, eine möglichst hohe Biodiversität zu erreichen. Dafür eignen sich öffentliche Flächen wie der Waltherpark, aber auch halböffentliche Freiflächen, wie man sie bei Schulen, Kindergärten und Seniorenheimen findet.

„Natürlich kann man so nicht die komplette Bevölkerung ernähren, aber das ist auch nicht das Ziel.“

GR Janine Bex, Ernährungssprecherin der Grünen

 

Raum für Begegnungen.

„Natürlich kann man so nicht die komplette Bevölkerung ernähren, aber das ist auch nicht das Ziel“, erklärt Janine Bex. Die Gemeinderätin und Ernährungssprecherin der Grünen ist selbst Teil des Ernährungsrates und von Anfang an im Projekt involviert. Mit den öffentlichen Beeten wolle man das Bewusstsein für Lebensmittel und einen verantwortungsvollen Umgang damit fördern, aber auch Begegnungsorte schaffen und öffentlichen Flächen wieder mehr Bedeutung geben.

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„Man muss keine Beete bauen können, um sich zu beteiligen – man muss nur mit anderen in Kontakt treten können. Und das ist das Schöne daran: dass es wieder mehr Austausch und Begegnung gibt“, sagt Bex. Ganz abgesehen davon, dass Gartenarbeit nachweislich einen positiven Effekt auf die Psyche hat, habe das gemeinschaftliche Gärtnern so auch das Potential, vielen Konflikten vorzubeugen oder sie auszuräumen. 

Essbare Stadt 2 6020 A239 1909

Bauen, hegen, pflegen: Ute Ammerling (r.), Iris Schreiber und ihre Kollegen vom Ern‰hrungsrat haben die Beete im Juli errichtet. 

„Man muss keine Beete bauen können, um sich zu beteiligen – man muss nur mit anderen in Kontakt treten können.“

Janine Bex

 

Berührungsängste.

Nicht jeder war von Anfang an überzeugt von der Idee: „Es gab anfangs viele Bedenken wegen Vandalismus und Verschmutzung durch Hunde, und wir haben uns schon auch Sorgen gemacht, dass vielleicht alles wegkommt“, berichtet Ammerling. Über ein Monat nach dem Aufstellen der Beete im Waltherpark habe man allerdings nicht ein einziges Mal Probleme gehabt, im Gegenteil – es sind sogar neue Pflanzen dazugekommen. Die Leute würden wirklich darauf schauen, dass alles schön bleibt und gepflegt ist, und seien sogar ein bisschen zu vorsichtig: „Im Moment merken wir noch, dass die Berührungsängste relativ groß sind. Die Leute trauen sich noch nicht so recht, etwas zu pflücken, obwohl es auch extra auf den Schildern steht.“ Sie hofft, dass sich das bald ändert – die Pflanzen seien ja schließlich dazu da, geerntet und gegessen zu werden.

Innsbruck ist nicht die erste Stadt, die essbarer werden will:

Erfolgreiche Beispiele sind u. a. die deutschen Städte Köln und Anderlach, wo bereits seit Jahren essbare Pflanzen das Stadtbild prägen. Für die Bürger dort ist es mittlerweile ganz normal, dass sie Salat & Co. aus den Beeten der Stadt holen.

Essbare Stadt 3 6020 A239 1909

Zugreifen ErlaubtDie ersten Kräuter- und Gemüsesorten können bereits geerntet werden. 

„Im Moment merken wir noch, dass die Berührungsängste relativ groß sind. Die Leute trauen sich noch nicht so recht, etwas zu pflücken.“

Ute Ammerling