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SEPTEMBER 2019

Bunte Mitte im schwarzen Land

Anders als bei Landtagswahlen spürt die ÖVP in Sachen Nationalrat auch in Tirol ihre Schrumpfung zur Mittelpartei. In dieser Liga führt sie regional zwar unangefochten, ist aber in der Hauptstadt nur einer von vier Sieganwärtern.

 

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ie Tiroler Volkspartei ist Titelverteidiger in der Regionalliga der neun ÖVP-Landesorganisationen. Mit 38,2 Prozent hat sie bei der Nationalratswahl 2017 sogar die Niederösterreicher in den Schatten gestellt. Dementsprechend war hier auch der Abstand zu FPÖ (24,9) und SPÖ (20,8) größer als in den anderen Bundesländern. Umso auffälliger wirkt das Ergebnis von Innsbruck, wo immerhin ein Sechstel der Wahlberechtigten lebt: Dort musste sich die ÖVP (26,7) der SPÖ (28,3) geschlagen geben, die – wie zuvor nur dreimal in den 1990er-Jahren – bei der Nationalratswahl Rang 1 eroberte. Noch 2013 lagen hier die Grünen voran. 1999 ging der Hauptstadtsieg an die FPÖ, die damals im Land insgesamt erstmals an der SPÖ vorbeigezogen war.

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Die Ausgangssituation vor dem 29. September 2019 ist also für Stadt und Land sehr unterschiedlich. In Tirol steht die schwarze Titelverteidigung für die türkise Parlamentstruppe von vornherein fest. Die internen Verstimmungen zwischen ÖAAB sowie Wirtschafts- und Bauernbund wirken höchstens demobilisierend für die Wahlbeteiligung, könnten aber dennoch prozentmaximierend für die Gesamtkonstruktion ÖVP sein. Zumal die regionale Listenführerin, Ex-Ministerin Margarete Schramböck zwar keine regionale Hausmacht hat, aber nun national ab und zu etwas sagen darf. Das ist schon außergewöhnlich für einen Wahlkampf, der ansonsten fast durchwegs und vollkommen unabhängig von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten nur ein Zugpferd kennt: Sebastian Kurz. 

Das ist der totale TV-Wahlkampf.

Diese Konzentration auf den bundesweiten Spitzenkandidaten wirkt nicht zwangsläufig, denn ÖVP und SPÖ holten zuletzt mehr als 60 Prozent ihrer Mandate aus den 39 Regionalwahlkreisen; und die FPÖ kaum weniger. Von den 15 in Tirol möglichen Mandaten errangen diese drei Parteien 2017 immerhin elf – fünf schwarze/türkise, je drei rote und blaue – auf dem Wege des ersten und zweiten Ermittlungsverfahrens in den fünf Wahlkreisen sowie auf Landesebene. Es blieben also nur vier für die Bundeslisten übrig, wo Schramböck nun überdies als Nummer 4 abgesichert ist, aber weder SPÖ noch FPÖ einen Tiroler Kandidaten an wählbarer Stelle platziert haben. Da auch ihre Tiroler Listenführer Selma Yildirim und Peter Wurm nur von überschaubarer Zugkraft sind, konzentrieren also auch Sozialdemokraten und Freiheitliche das Augenmerk ganz auf ihre nationalen Galionsfiguren Pamela Rendi-Wagner bzw. Norbert Hofer und Herbert Kickl.

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Diese Österreich-Strategien sind allerdings weniger überraschend, als der ausschließliche Blick auf die regionale Herkunft der Mandate annehmen lässt. Mehr als alle anderen Wahlgänge ist jener für den Nationalrat seit jeher eine Angelegenheit der bundesweiten Medienpräsenz und somit des Bekanntheits- und Beliebtheitsgrades der Spitzenkandidaten zwischen Neusiedler und Bodensee. Diesen Effekt verstärken nun nicht nur die so genannten sozialen Medien von Facebook und Instagram bis zu YouTube und Twitter. 2019 markiert auch den bisherigen Höhepunkt aller Fernsehwahlkämpfe in Österreich. Von den Sommergesprächen in ORF und Puls4, den Talks im Hangar 7 bei Servus TV über Duelle, Konfrontationen und Blind Dates bis zu den vier Elefantenrunden der Bundesländerzeitungen und Privatsender sowie von ORF und oe24.tv reicht das Bildschirmstakkato, das besonders im September kaum einen Abend auslässt. 

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Das bedeutet einerseits, dass die nationalen Listenersten überwiegend rund um Wien unterwegs sein werden, wo fast alle Fernsehstudios sind. Das heißt zum anderen, dass Parteien mit vielen Mitgliedern und Funktionären dennoch im Vorteil sind, um die angesichts des Medienrummels stark unterschätzte zweite Wahlkampfmethode in den Ländern zu üben: persönlicher Kontakt mit möglichen Wählern – vom Marktstand bis zum Hausbesuch. Ein ständiger Balanceakt zwischen dem Lobgesang auf die bundesweiten Spitzenkandidaten und dem Anpreisen der regionalen Listenführer.

Ex-Ministerin Margarete Schramböck hat zwar keine regionale Hausmacht, darf aber nun national ab und zu etwas sagen.

Bodenpersonal und Luftstreitkraft.

Für diese Basisarbeit haben Jetzt/Liste Pilz und Neos zu wenig Bodenpersonal, um auch nur annähernd mithalten zu können. Auch die FPÖ reicht trotz ihrer fast so langen Tradition nicht an das dichte Netz von ÖVP und SPÖ heran, die in Relation zur Einwohnerzahl immer noch zu den mitgliederreichsten Parteien weltweit in Demokratien zählen. Die Blauen gelten aber ungeachtet der sündteuren Aufholjagd von Türkis/Schwarz und Rot immer noch als die stärkste Social-Media-Partei Österreichs. Die Grünen wiederum profitieren von ihren fünf Landesregierungsbeteiligungen (einschließlich des Proporzes in Oberösterreich) allein schon durch die dadurch gesicherte regionale Medienpräsenz auch in nationalen Wahlkämpfen. 

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Diesen Nachteil für kleine Parteien bei den Bodenstreitkräften gleicht allerdings ein Vorteil im Luftwahlkampf mehr als nur aus. Fernsehduelle, wie sie in Österreich sogar Kanzler gegen die Chefs auch kleiner Oppositionsfraktionen führen müssen, würde sich in den USA oder Deutschland kein Titelverteidiger antun. Hierzulande sind sie auch dann Teil des politischen Brauchtums, wenn ein Titelverteidiger noch im Amt ist. Auch deshalb wird dies für viele Stimmbürger vor allem eine Wahl pro oder contra Kurz, an der die regionalen und nationalen Kandidaten bloß mitnaschen.