Über den Swing
Swing entstand als Stilrichtung des Jazz bereits Ende der 1920er-Jahre in den USA und dient als Überbegriff für Tänze wie Charleston, Balboa und Lindy Hop. Der Sound und der dazugehörige Lifestyle galten zunächst als Tabubruch, vor allem für Frauen. Weibliche Jazzfans nannte man damals Flappers: Sie gaben sich selbstbewusst, zeigten ihre Beine, trugen kurzes Haar, dafür keine Korsage und tranken Alkohol – der grofle Gatsby lässt grüßen.
//Zu den berühmtesten Locations zählte bis Ende der 1950er-Jahre der legendäre Savoy Ballroom in New York. Hier wurde zum Bigband-Sound jahrzehntelang getanzt: Namen wie Frankie Manning, einer der erfolgreichsten Tänzer und Lindy-Hop-Choreograph, prägten die Ballroom-Szene, hier wurde auch die Jazz-Ikone Ella Fitzgerald entdeckt und berühmt. Geswingt wurde aber auch an der US-amerikanischen Westküste: Hier entstanden eigene Tanzvarianten wie der Hollywood-Style Lindy Hop.
//Aus Jazz, Swing, Lindy und Co. entwickelten sich dann Musikrichtungen und Tänze wie Jive, Boogie, R'n'B und Rock'n'Roll.
ber ihre Haare hat Greta Günther einen hellen Schal gebunden, dazu trägt sie roten Lippenstift und einen perfekt gezogenen Lidstrich. Ihr oranger, hoch auf der Taille sitzender Vintage-Rock schwingt bei jeder Drehung mit. Sie bindet gerade eine violett glänzende Schleife um einen Stock: „Für unseren Limbo Contest heute Abend“, erklärt sie. Nebenbei wird im Bäckerei-Café die Soundanlage gecheckt: Hier finden regelmäßig einstündige Lindy-Hop-Crashkurse statt, wo alle willkommen sind, die die Grundschritte lernen möchten. An diesem Freitagabend ist nach der Schnupperstunde auch ein großer Tanzabend geplant, der in den hinteren Räumlichkeiten stattfindet. Zu diesen Anlässen brezeln sich viele Innsbrucker Tanzfans gerne auf, so auch Vanessa Dittmer, die mit Bluse und Röckchen in die Bäckerei gekommen ist. Vanessa und Greta gehören zum Verein „Swingout Innsbruck“, einer Gruppe von Musik- und Tanzfans, die sich der Verbreitung des Swing-Virus in Innsbruck und Tirol verschrieben hat. Schwer tun sie sich nicht, denn der Swing hat eine hohe Ansteckungsgefahr – bei diesem groovigen Sound auch nur dem Mitschnipsen zu widerstehen, ist fast unmöglich.
Die ganze Welt swingt.
Doch wie schafft es ausgerechnet diese Stilrichtung, die Massen zu begeistern? „Die Popularität von Lindy und Co. geht wohl Hand in Hand mit der allgemeinen Retro- und Vintage-Welle, die auch den Kleidungsstil wieder populär gemacht hat “, vermutet Vanessa. Außerdem sei der Tanzstil bei jungen Leuten so beliebt, weil er im Gegensatz zu traditionellen Standardtänzen unbeschwerter und lockerer ist.
//Beim Swing gibt es fixe Grundschritte wie den „Swingout“, der so gut wie überall auf der Welt
bekannt ist. Dabei hält man den Tanzpartner an der Hand, holt ihn oder sie zu sich, um dann wieder wortwörtlich „rauszuschwingen“. Altes wird übernommen, aber auch weiterentwickelt: Jeder tanzt mit jedem, auch Männer mit Männern und Frauen mit Frauen. Die eigene Persönlichkeit darf miteinfließen, sowohl im Tanz- als auch im Kleidungsstil. „Es gibt nichts Statisches oder Steifes, sondern unzählige Interpretationsmöglichkeiten“, fasst Vanessa zusammen. Auf die Frage, ob der Trend vor allem durch TV-Formate mit tanzenden Promis gepusht werde, antworten Greta und Vanessa mit einem klaren Nein.
„Das Swing-Revival war in Hamburg schon in den 1990ern ein Thema“, weiß Greta, die übrigens oft über die reduzierte Darstellung von Lindy Hop in Fernsehshows schmunzeln muss.
//„Dort geht es vielfach nur darum, coole Bilder einzufangen – einfach um die inszenierte Perfektion.“ Dabei bleibe kaum Platz für die soziale Komponente und die Liebe für diese Kultur. „Für uns ist es eine Leidenschaft für Kleidung, Musik, Geschichte und aktuelle Bands, die als facettenreiches Hobby auch unseren Alltag einnimmt“, sagt Vanessa. Der Vintage-Modestil sei dabei aber kein Muss, wie etwa bei einer Tracht, denn jeder dürfe sich beim Tanzen so kleiden, wie er sich wohlfühlt: „Unsere Tanztruppe ist sehr bunt gemischt, es sind natürlich auch Jogginghosen erlaubt“, sagt Greta. Jeder, wie er mag, das sei eben das Angenehme.
Mach den Huhn-Move!
Individuelle Spontaneität ist ein wichtiger Bestandteil des Lindy Hop:„Die Basics sind international die gleichen, wie das Grundvokabular einer Sprache, von der es aber gleich 1.000 eigene Dialekte gibt“, erklärt Greta. „Davon ausgehend entsteht eine große Spielwiese für unzählige Ausdrucksmöglichkeiten“, fügt Vanessa hinzu. Da die Grundschritte beliebig erweiterbar sind, ergeben sich je nach Tänzer-interaktion oft auch spektakuläre und komische Situationen. Es soll auch Profi-Wettbewerbe für improvisierte Tänze geben, wo das Publikum gerade die „blödesten“ Bewegungen am coolsten findet. „Das Schöne an Lindy und Co. ist, dass man sich dabei nicht zu ernst nehmen muss.“ Oder glaubt jemand wirklich, der Huhn-Move* sei aus einer bierernsten Situation entstanden?
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Tanzbewegung, bei der der Kopf vor- und zurückbewegt wird – wie ein spazierendes Huhn eben.
Das Schöne an Lindy und Co. ist, dass man sich dabei nicht zu ernst nehmen muss.
Infos für Lindy-Neugierigen
In der Bäckerei findet jeden Dienstag ab 19 Uhr ein Lindy Forum mit Schnupperstunde statt. Donnerstags wird abwechselnd im Cafe Galerie und im Nax getanzt. Weitere Infos zu Events, Kursen und Workshops gibtís unter: www.swingoutinnsbruck.at.
Auch die Volkshochschule bietet diverse Tanzkurse an – Details unter: www.vhs-tirol.at!
Diese Künstler passen zu den Tanzmoves:
Meschiya Lake & The Little Big Horns
Carsie Blanton
Floís Jazz Casino (aus Innsbruck)
Jonathan Stout and His Campus 5