Wir empfehlen
MAI 2016

Musik aus Tirol

Traumjäger

6020 stellt Musiker aus Innsbruck vor. Diesmal: lilla.

Fotos: Franz Oss
B

eide haben jede Menge Banderfahrung. Sie kommt aus einer klavierlastigen Folkpop-Band, er aus der Welt rauer Posthardcore-Gitarrenriffs. Sie lernten sich bei einer gemeinsamen Mitfahrgelegenheit Richtung München kennen. Ihr Ziel war das Konzert des Singer-Songwriters Ben Howard. Später trafen sie sich wieder und beschlossen bei einem Kaffeekränzchen, zusammen zu jammen, und schrieben prompt ihr erstes Lied „Chasing Dreams“. Als hätten Lisas Gesangstalent und Jakes Gitarren-Know-how schon immer aufeinander gewartet. Die beiden haben einen Heidenspaß beim Liederschreiben, probieren vieles aus, und begegnen sich dabei stets auf Augenhöhe. Sie können einander frei sagen, was sie gut oder schlecht finden, die mehrjährige Banderfahrung hat sie beide konflikterprobt gemacht. So erreicht das Duo wichtige Etappen schneller als andere: kleine Gigs, ein Video auf dem tummelplatz-Kanal und eine Demoaufnahme, die beachtliche Resonanz findet. Das erste Album soll im Herbst kommen. Darüber hinaus wirkt sie wie das typische liebe Mädel von nebenan, er wie der harte Typ. Und falls er jemals ein Drogenproblem entwickeln sollte, wird sie ihn retten, garantiert. Denn bei lilla, so der Name des Duos, will man als romantisch veranlagter Zuhörer mehr als eine rein musikalische Verbundenheit erahnen. Allerdings können Lisa und Jake über Johnny-Cash-und-June-Carter-Vergleiche nur lachen, sie sind kein Liebespaar. Warum man diesen Umstand irgendwie betrauert, ist rational nicht zu erklären.

 

Lieben Dank für die Umarmung.

Lilla verzaubern mit zarten, melancholischen Popliedern. Dank Reverb und Delay erzeugt Jake mit seiner Gitarre eine verträumte Stimmung, die ihresgleichen sucht. Ergänzt wird das Ganze durch Lisas Texte, verfasst in englischer und deutscher Sprache. Die Entscheidung für die eine oder andere Sprache trifft die textaffine Poetryslammerin je nach Inspiration zum Song. Diesem verpasst sie aus einem vorerst wirren Gefühl einen szenischen Aufbau, eine wohlüberlegte Dramaturgie, die aber nicht überkünstelt sein will. „Ich möchte Bilder zu den Klängen malen, die authentisch sind, aber kein leichtfertiges Phrasendreschen“, beschreibt Lisa den kreativen Schreibprozess. Sie ist nicht der Typ „Rampensau“, und genauso wenig mitteilungsbedürftig: „Ich will ja nicht irgendetwas aus meinem Tagebuch vortragen“. 

„Nach dem Gig waren einige so aufgewühlt, dass sie Lisa und Jake einfach umarmen mussten.“

 

Das Schreiben lebt sie eher als eine Notwendigkeit, um neue Parallelwelten zu kreieren. Und den Leuten davon zu erzählen. „Und erst, wenn es einem Song gelingt, uns beide irgendwie zu berühren, sind wir damit zufrieden“, sagt Jake. Einen gemeinsamen Nenner findet das Duo immer wieder, selbst wenn Jake und Lisa charakterlich grundverschieden sind und musikalische Stimmungen sehr unterschiedlich wahrnehmen. „Ich finde unsere Lieder sehr hoffnungsvoll und lebensbejahend“, erklärt die Sängerin. „Ich finde sie enorm traurig“, kontert der Gitarrist. Als lilla vor wenigen Wochen ihren Feuertaufen-Auftritt in der Bäckerei absolvierte, erzählte Lisa dem Publikum von der Lebensfreude ihrer Songs. „Daraufhin musste das Publikum aber lachen“, berichtet sie, etwas verwundert, aber amüsiert. Nach dem Gig waren einige Zuschauer dermaßen aufgewühlt, dass sie Lisa und Jake einfach umarmen mussten. „Es geht nicht um das, was wir sagen oder besingen, sondern darum, was die Lieder in den Leuten auslösen“, analysieren die beiden. Schließlich könne jedes Individuum je nach Tagesverfassung anders auf Musik reagieren, das wisse man nie so genau. Die Mission, die Hörerschaft berühren zu wollen, scheint aber geglückt. 

Keine Farbe.

Der Bandname „lilla“ bedeutet auf Schwedisch „klein“ und hat rein gar nichts mit der Farbe zu tun. Einen Bandnamen zu finden, ist nicht leicht, und so mussten ihn sich Lisa und Jake erst schöntrinken. „Ich habe in Schweden studiert“, erzählt die 27-Jährige, „also habe ich eben dieses kurze, einprägsame Wort vorgeschlagen, das uns anfänglich gar nicht gefiel.“ Eine durchzechte Nacht half ihnen dabei, sich doch für das eingängige Wort zu entscheiden. Das geschah vor knapp acht Monaten, nun bereitet sich die Band auf zukünftige Projekte vor. „Das ist uns alles in der kurzen Zeit gelungen, weil uns viele Leute dabei unterstützen“, sagt Jake. Er freut sich über den großen Zusammenhalt in der eigentlich kleinen, aber engagierten Innsbrucker Szene. Das Album werden sie im Sommer in einem Haus am See im Salzburger Land fertigschreiben, die Aufnahmen sind für Herbst geplant. Hierfür wird sie auch der Jazz-Schlagzeuger Markus Rappold an Drums und Synthies unterstützen. Man munkelt sogar, dass er bald als fixes Bandmitglied bei lilla dabei sein wird.        

Musikserie Lilla 6020 Mai 2016 A199 2

Musik von lilla in Worten: 
verträumter, befreiend-melancholischer Pop ohne Größenwahn - einfach schön!

Bandmitglieder: 
Lisa Prantl
Jakob Schuierer

Wo tritt lilla auf?
Innsbruck und Umgebung, das Duo fühlt sich vor allem auf kleinen Bühnen am wohlsten. Daher als Geheimtipp zu vermerken.

Bekanntheitsgrad:
sieben von zehn Noten

Mehr Infos: 
soundcloud.com/lillamusik
facebook.com/lillamusik

Den Bandnamen mussten sich Lisa und Jake erst schöntrinken.