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JUNI 2019

Ärger geht’s nicht – Maschek über Ibiza-Gate und die Macht der Satire

Seit 20 Jahren reden Peter Hörmanseder und Robert Stachel unter dem Namen Maschek einfach „drüber“ und nehmen mit ihren live synchronisierten Fernsehclips Politiker und Prominente aufs Korn. 6020 hat mit Maschek, dank Ibiza-Gate, gleich zweimal sprechen dürfen – über debile Österreicher, die Zukunft des ORF und Heinz-Christian Straches Allmachtsfantasien.

Fotos: Axel Springer
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itte Mai hat 6020 das Kabarettistenduo Maschek im Treibhaus getroffen, um über 20 Jahre Maschek, die Jugendsünden von Heinz-Christian Strache und Jan Böhmermanns Österreich-Ausstellung in Graz zu sprechen. Wenige Tage später hat ein Video, das den mittlerweile Ex-Vizekanzler auf Ibiza zeigt, nicht nur Schwarz-Blau, sondern auch dieses Gespräch in die Luft gesprengt. Robert Stachel, unter anderem die Stimme von Sebastian Kurz und Alexander Van der Bellen, hat nach Ibiza-Gate noch einmal mit uns telefoniert und unser ursprüngliches Gespräch aktualisiert.

6020:

Im Treibhaus gehen die besten Kabarettisten des Landes ein und aus. Was bringt Sie immer wieder hierher? Robert Stachel: Dass wir gerne die besten Kabarettisten des Landes treffen würden. Aber leider spielt nie jemand, wenn wir da sind. Peter Hörmanseder: Das Treibhaus ist einer der Orte, an dem man am liebsten spielt, weil das Publikum so nahe ist. Es gibt von der Quantität sicher größere Orte in Innsbruck, aber von der Qualität sicher nicht. Das Treibhaus ist ein Symbolort in einer Stadt wie Innsbruck.

 

Wer ist Ihr Lieblingstiroler zum „Drüberreden“? Stachel: Meine sind Andreas Khol und Alexander Van der Bellen. Bei Kohl macht es diese Art von Tiroler Selbstverständlichkeit, diese ... Hörmanseder: Borniertheit? Stachel: ... diese Ich-Behauptung aus. Er ist nicht nur der Erzkonservative, für den er gehalten wird. Er hat noch so eine zweite Ebene, die man schön karikieren kann – diesen Kohl als strengen, liebevollen Patriarchen, der sich um seine Schäfchen kümmert. Er wäre als Bundespräsident auch eine super Figur gewesen.

 

In Ihrem ersten Willkommen-Österreich-Clip nach Ibiza-Gate sprechen Sie die Rolle von Sebastian Kurz in der Regierungskrise an. Wie schätzen Sie die ein? Stachel: Kurz hat die Verantwortung dafür, dass er die FPÖ reingeholt hat. So leicht würde ich ihn nicht aus der Nummer rauslassen. Wenn Kurz auf den Schüssel-Effekt spekuliert, wird sich das nicht ausgehen. Kommt dann wieder Schwarz-Rot, wird sich die FPÖ daneben sehr schnell regenerieren, möglicherweise sogar Strache zurückholen. Der Hardcorefraktion, die den Strache wegen seiner Ausländer- und Heimatpolitik nach oben gewählt hat, ist Antikorruption kein Kernanliegen. Das Video wird der FPÖ weniger am Lack kratzen, als sich viele jetzt erhoffen.

„Offensichtlich ist Strache da einfach auch das Testosteron durchgegangen.“

Robert Stachel
Peter Hörmanseder (li.) und Robert Stachel treten regelmäßig im Treibhaus auf.

 

Hätten Sie erwartet, dass Strache und Gudenus auf das gestellte Setting reinfallen würden? Stachel: Es ist schwer, sich vorzustellen, wie das gelaufen ist. Die beiden sind Charaktere, die sehr von ihrem Wollen und weniger von ihrem Sein getrieben werden. Das macht sie möglicherweise zu einer leichteren Beute als einen in sich ruhenden Politiker. Einen Van der Bellen kann man sich nicht in dieser Situation vorstellen, auch nicht Kurz, Kern oder Rendi-Wagner. Das hat auch viel mit Straches und Gudenus‘ Männlichkeitsbegriff zu tun: Offensichtlich ist Strache da einfach auch das Testosteron durchgegangen.

 

Was schockiert Sie an Ibiza-Gate am meisten? Stachel: Mich schockiert das nicht, denn man weiß ja, wes Geistes Kind die FPÖ-Politiker sind. Jetzt hat man im wahrsten Sinne des Wortes die Smoking Gun für einen Verdacht, den man ohnehin immer gehegt hat. Dass die FPÖ das, was sie vorgibt, in Wirklichkeit nicht einlösen würde, war immer klar. Sie wurde gegründet als Sammelbecken für alte Nazis und wurde dann eine Anlaufstelle für alle Unzufriedenen am rechten Rand. Die entscheidenden Themen, für die die FPÖ gewählt wird, sind ihre Heimatduselei und ihre scharfe Antimigrationspolitik – und die sind von dem Video ja nicht betroffen

„Es ist kaum möglich, diesem Video noch ärgere Worte in den Mund zu legen als die, die tatsächlich gesagt wurden.“

Robert Stachel

 

Darf nach dem blauen Druck, der auf den ORF und speziell auch auf euch ausgeübt wurde, jetzt aufgeatmet werden? Stachel: Das hoffe ich. Ich erwarte mir von der nächsten Regierung, dass sie den ORF von sich unabhängig macht – und damit auch von der übernächsten Regierung. Wenn dieses belastende Material nicht aufgetaucht wäre, hätte Türkis-Blau sukzessive den ORF abgeräumt. Ein leises Aufatmen, eine stille Genugtuung gibt es bei Maschek aber insofern, dass unser Satz „Vom Neonazi zum Sportminister“ mittlerweile harmlos wirkt im Vergleich zu dem, was Strache in echt gesagt hat. Es ist kaum möglich, diesem Video noch ärgere Worte in den Mund zu legen als die, die tatsächlich gesagt wurden.

 

Mit seiner regierungskritischen Ausstellung in Graz löst Jan Böhmermann bei manchen Österreichern ähnliche Gefühle aus wie Thomas Bernhard bei der Premiere von „Heldenplatz“ 1988. Warum sind Österreicher so schnell beleidigt? HÖRMANSEDER: Weil es in Österreich acht Millionen Debile gibt. Es ist ja völlig lächerlich. Wenn man sagt, dass es acht Millionen Debile in Österreich gibt, dann gibt es immer noch 800.000, die keine sind. Das Debile an den Menschen ist nicht, dass sie nicht intelligent wären, sondern dass sie einfach vergessen. Stachel: Es ist ein Zeichen unserer Zeit, dass die Lust der Empörung auf allen Seiten groß ist.

„In Österreich gibt es acht Millionen Debile.“

Peter Hörmanseder

 

Wie ernst muss man Satire nehmen? HÖRMANSEDER: Satire hat eine maskierende oder demaskierende Funktion und stellt Zusammenhänge überspitzt und drastisch dar. Man muss sie so ernst nehmen, dass sie den Leuten einen Spiegel vorhält.

 

Zum Schluss zeige ich Ihnen ein Video der Innsbrucker Gemeindeliste „Gerechtes Innsbruck“. In diesem hier verkleidet sich Gerald Depaoli als die amtierende Verkehrsstadträtin und gibt ein Fake-Sommergespräch. Habt ihr etwas damit zu tun? Hörmanseder: Warum? Das wäre eine Beleidigung. Das ist klassischer Villacher Fasching. Stachel: Keine Ahnung, was die Agenda von diesem Herrn ist, aber scheinbar ist das eine Autofahrerpartei. Ein Politiker, der lustig sein will – das geht meistens schief. Kirche und Staat sollten getrennt sein, genauso wie Politiker und Satire.

„Ein Politiker, der lustig sein will – das geht meistens schief.“

Robert Stachel