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JULI 2019

Anzugträger für den Mars

In Innsbruck gibt es die weltweit einzigartige Ausbildung zum Analogastronauten. Acht Bewerber aus der ganzen Welt wurden ausgewählt, darunter der Innsbrucker Physiker Robert Wild.

Fotos: Franz Oss, OEWF Voggeneder
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inus 80 Grad, Staubstürme, Eis, Vulkane und gewaltige Canyons: Wenn in schätzungsweise 20 bis 30 Jahren der erste Mensch seinen Fuß auf den Mars setzt, muss er für die lebensfeindlichen Bedingungen bestens vorbereitet und ausgerüstet sein. Genau für diesen Zweck bildet das Österreichische Weltraum Forum (ÖWF), mit Sitz in Innsbruck, seit einigen Jahren Analogastronauten aus. „Analogastronauten sind speziell ausgebildete Raumanzugtester, die bei Mars-Simulationen und technischen Tests eingesetzt werden. „Wir testen auf der Erde, unter welchen Bedingungen Weltraummissionen stattfinden würden“, erklärt Robert Wild.

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Der 37-Jährige wurde nach einem strengen Aufnahmeverfahren gemeinsam mit sechs Männern und einer Frau für die weltweit einzigartige Ausbildung in Innsbruck zugelassen. Robert ist der einzige Österreicher im Team, seine Kollegen stammen aus Deutschland, Großbritannien, Griechenland, den Niederlanden, Israel und Italien. Da es sich um eine Ausbildung handelt, haben alle ihre bisherigen Jobs behalten. Einmal pro Monat kommen die künftigen Analogastronauten aus allen Himmelsrichtungen für ein langes und intensives Ausbildungswochenende nach Innsbruck. „Ein Kollege fliegt sogar immer extra aus seinem derzeitigen Wohnort Singapur ein. Ich habe es hingegen fein, ich komme mit dem Rad zum ÖWF, in die Rossauer Etrichgasse“, lacht Robert.

Karrierewege.

Geboren in Wien hat der Wahlinnsbrucker aufgrund seines amerikanischen Stiefvaters in den USA die High School besucht. Den Bachelor und Doktor in Physik hat er an den Universitäten von Arizona und Colorado gemacht. 

 

Herausfordernd. Analogastronauten tragen einen 50 Kilogramm schweren Raumanzug und müssen mit Handschuhen teils filigrane Arbeiten durchführen. 

 

„Ab und zu ertappe ich mich schon dabei, zu überlegen, wie es wäre, wirklich in den Weltraum zu fliegen.“ 

Robert Wild, Physiker, Uni Innsbruck

Anzugträger für den Mars

Häufige Fragen:

Kann ich einmal den Aouda-Anzug anprobieren? Leider nein, nur zertifizierte Analogastronauten können mit Aouda arbeiten.

 

Wir benötigen den Anzug für Dreharbeiten, einen Film, für eine Ausstellung, geht das? Die Museumsvarianten von Aouda können unter bestimmten Bedingungen als statisches Display verliehen werden. Leider nicht die Vollversionen.

 

Kann ich das Spacesuit-Lab des ÖWF besuchen? An sich ist das Labor nicht öffentlich zugänglich. Bei guten Begründungen, etwa Gruppenbesuche von technisch Interessierten, sind selten Ausnahmen machbar.

Anzugträger für den Mars

Zukunftstrip. Das ÖFW hat sich auf Mars-Experimente spezialisiert.

 

Vor zwei Jahren ist Robert aus Amerika nach Innsbruck gezogen. „Zum einen, weil die Universität in Innsbruck top ist, und zum anderen, weil mir die traumhafte Bergwelt für meine Freizeitgestaltung wichtig ist.“

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Die Umstellung von Amerika auf Innsbruck fiel ihm leicht. „Nur das Sonntagshopping fehlt mir manchmal“, lacht Robert. Zurzeit arbeitet der Startrekfan an experimentellen Untersuchungen interstellarer Ionen als Forscher an der Universität Innsbruck. Auch Lehrtätigkeiten gehören zu seinen Aufgaben.

Keine Bruce-Willis-Typen.

Das Herzstück von Roberts Ausbildung ist das Tragen und Steuern des Raumanzuges „Aouda.X“. In diesem Anzug wird eine Mars-Mission simuliert. „Aouda.X“ kann alle wesentlichen Einschränkungen eines realen Mars-Raumanzuges wiedergeben, wie etwa Gewicht, Druck-Gegenkräfte oder eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit. Das ÖWF ist eine von weltweit nur fünf Organisationen, die derartige Anzüge entwickeln. „Analogastronauten sind keine Bruce-Willis-Typen, die zu heroischer Musik Raketen entgegengehen“, lacht Gernot Grömer, Administrative Director des ÖWF.

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Die Anforderungen an einen Analogastronauten sind ähnlich wie bei NASA oder ESA, mit Abstrichen. Im Auswahlverfahren wurden nicht nur die Gesundheit und körperliche Fitness der Bewerber untersucht, sondern auch psychologische Faktoren und Eigenschaften, wie etwa Geduld. Außerdem brauchen die zukünftigen Analogastronauten ein großes Wissen in den Bereichen Wissenschaft und Technik. Körperliche Fitness ist wichtig, um den 45 Kilogramm schweren Anzug tragen und testen zu können. Außerdem braucht es spezielle Körpermaße, keinen zu muskulösen Körperbau. Den Raumanzug anzuziehen, ist nur mit Hilfe möglich, aufgrund der komplizierten Elektronik eine Prozedur und dauert mehrere Stunden. Komplett verkabelt, werden beispielsweise auch sämtliche Körperfunktionen des Trägers überwacht.

Marsstation. 2018 hat in der Wüste von Oman eine simulierte Marsmission stattgefunden.

 

 

 

Die Grundausbildung von Robert und seinen Kollegen umfasst aber nicht nur die Steuerung des ÖWF-Raumanzug-Prototypen, sie deckt außerdem Geologie, Planetologie, Astrobiologie, Medientraining, Stressmanagement, Notfallmedizin und ein umfassendes Fitnesstraining ab.

Mission Israel.

Fünf oder sechs der sich jetzt in Ausbildung befindlichen Analogastronauten werden bei der nächsten Mars-Missions-Simulation im Herbst 2020 in der Negev-Wüste in Israel teilnehmen.

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„Die Gegend rund um den Ramon--Krater wurde auf Grund ihrer geologischen Ähnlichkeiten zum Mars ausgewählt“, weiß Robert, der hofft, bei der Mission teilnehmen zu dürfen.

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Nicht nur die Analogastronauten des ÖWF werden in Israel vier Wochen lang vor Ort sein, 100 Forscher und Experten aus der ganzen Welt kommen zur Mission. „Wir suchen bei der Mission nach Fehlern in Arbeitsabläufen und Geräten, damit diese nicht erst am Mars entdeckt werden und dort zu Problemen führen“, erklärt Grömer.

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Mehr als 20 Tonnen Ausrüstung werden benötigt, um die 20 Experimente durchzuführen. Der Raumanzug des ÖWF wird dann unter härtesten Bedingungen getestet. Innsbruck soll, wie bereits bei vergangenen Missionen, wieder das Houston Österreichs, also das Kontrollzentrum, sein. Ein wichtiges Thema ist die Zeitverzögerung zwischen Erde und Mars. Die Entfernung zwischen Erde und Mars ist nicht immer gleich. Sie schwankt gewaltig zwischen 56 und 401 Millionen Kilometern. Wenn am Mars gefunkt wird: „Erde, wir haben ein Problem“, dauert es im Durchschnitt 20 Minuten, bis vom Kontrollzentrum eine Antwort kommt.

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Das bedeutet, am Mars müssen schnell anstehende, weil vielleicht lebensnotwendige, Entscheidungen von den Astronauten selbstständig getroffen werden. Auch das muss trainiert werden. „Wir nehmen mit der Mission in Israel die größte Reise der Menschheit quasi schon vorweg und freuen uns, dass ein Stück Österreich bzw. Innsbruck dabei ist“, meint Grömer, der mit einer ersten tatsächlichen, bemannten Reise zum Mars bereits in 20 Jahren rechnet. „Es ist davon auszugehen, dass der erste Mensch auf dem Mars bereits geboren ist.“

Weltraumträume.

Roberts Leidenschaft für den Weltraum wurde bereits als Kind geweckt, damals bekam er ein Fernrohr geschenkt. Ob ihm die Ausbildung „Analogastronaut“ neue berufliche Wege eröffnet, kann er noch nicht sagen. „Ab und zu ertappe ich mich schon dabei, zu überlegen, wie es wäre, wirklich in den Weltraum zu fliegen, aber das ist natürlich unrealistisch, man muss schon am Boden bleiben“, lacht Robert. Der leidenschaftliche Physiker hat in jedem Fall Blut geleckt, und seit dem Ausbildungsstart überlegt er, ob vielleicht mal die Möglichkeit besteht, bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) zu arbeiten. „Ob’s klappt, steht wo? Natürlich in den Sternen“, schmunzelt Robert.

„Analogastro-
nauten sind keine Bruce-Willis-Typen, die zu heroischer Musik
Raketen entgegengehen.“

Gernot Grömer, Administrative Director ÖWF

Zusammengefasst

AnalogAstronauten

Analogastronauten sind speziell ausgebildete Raumanzugtester, sie werden nach einem umfassenden Auswahlverfahren selektiert und durchlaufen eine mehrmonatige Grundausbildung. Eingesetzt werden Sie bei technischen Tests und Mars-Simulationen.

Die Analogforschung

Analogforschung ebnet den Weg für künftige benannte Missionen zum Mond oder Mars. Analogforschung ist die Entwicklung von Ausrüstung, Methoden und Strategien für die zukünftige menschliche und robotische Erkundung von Himmelskörpern.

Der Anzug

„Aouda.X“ wurde entwickelt, um realistisch die Simulation von bemannten Mars-Missionen zu ermöglichen. Das umständliche Arbeiten in einem Raumanzug ist ein wesentlicher Faktor in der Planung von Missionen. Als Anzugträger werden ausschließlich zertifizierte Analogastronauten des ÖWF eingesetzt.

Das Österreichische Weltraumforum (ÖWF)

Das ÖWF ist ein Netzwerk für Raumfahrtspezialisten und Weltrauminteressierte von Forschungseinrichtungen, aber auch aus Industrie und Politik. Das Spektrum der Tätigkeiten reicht vom einfachen Impulsreferat in Schulklassen über Expertengutachten für die Republik, internationalen Mars-Expeditionssimulationen bis hin zur Vermittlung von Raumfahrttechnologien für terrestrische Anwendungen.