Im Wien ihrer Songs wird gespielt, gestritten, gesoffen und geraucht. Wie stehen Sie zum Rauchverbot? Voodoo Jürgens:Taugt mir überhaupt nicht. Dort, wo gegessen wird, muss nicht geraucht werden. In Beisln allerdings, wo Leute zum Trinken und Rauchen hingehen, ist es eine Beschneidung. Das geht mir auf die Nerven. In solche Spelunken gehen Nichtraucher gar nicht rein. Von dem her ist es lächerlich.
Ihr neues Album heißt „‘S klane Glücksspiel“ (2019). Muss man als Musiker manchmal alles auf eine Karte setzen? Ich glaube schon. Bei den meisten ist es so, dass es eine lange Durststrecke gibt. Manchmal muss man eben dranbleiben. Es wird auch nicht jedem immer so gehen. Es ist eine Mischung aus mehreren Sachen und Glück gehört wahrscheinlich auch dazu.
Steckt in ihren Liedern die Sehnsucht nach einem Wien vergangener Zeiten? Ich gehe manchmal rum und denke mir: Es ist absurd, wie jeder in sein Kastl reinschaut und irgendwie davon abhängig ist. Ich bin nicht für Automaten. Ich bin froh, wenn ich jemanden fragen kann, wenn mir jemand eine Auskunft gibt an einem Schalter, wenn ich nicht alles selber rausfinden muss. Immer muss man an den Akku denken. Das ist alles schon so ausgebaut, dass man einfach mitspielen muss. Das finde ich nervig.
„Ich würde mich als einen empathischen Menschen bezeichnen.“
„Du bist die Flachsn im Gulasch“, lautet ein im letzten Song des Albums vertontes Kompliment. Was ist das schönste Kompliment, das Voodoo Jürgens jemals bekommen hat? Ich freue mich immer, wenn jemand meinen Gesang oder meine Texte gut findet. Das ist eh das schönste Kompliment, das man als Musiker bekommen kann. Wenn die Leute sich in meinen Liedern, ihre Geschichte drinnen finden – das ist ein schönes Kompliment.
Reden wir über Sebastian Kurz. Was haben Sie neben einem ikonischen Haarschnitt noch gemeinsam? Er ist wahrscheinlich ganz anders aufgewachsen als ich. Er ist jemand, dem Macht wichtig ist – das ist mir sehr unwichtig. Ich glaube, es gibt da ziemlich wenig Überschneidungen.
Seit Ihr Album „Ansa Woar“ (2016) erschienen ist, ist in Österreich viel passiert. Stellen Sie mit Ihrer neuen Platte der Republik eine Diagnose? Ich überlege mir nicht, was ich sagen möchte. Ich kann mich auf meine Intuition verlassen. „Angst Haums“ ist eine politische Nummer geworden, weil sie in der Luft gelegen ist. Man hat in den letzten zwei Jahren gespürt, dass sich die Leute mehr über Politik unterhalten als sonst. Von da her ist es mir wichtig gewesen, ein Statement zu geben. Ich mag hier auf keinen Fall den Leuten reindrücken, wie es sein soll. Ich möchte lieber ein Spiegel sein, Stimmungen in der Luft auffangen und wiedergeben. Ohne Wertigkeit Geschichten zu erzählen, gibt mir viel mehr.
„Es ist absurd, wie jeder in sein Kastl reinschaut und irgendwie davon abhängig ist.“
Voodoo Jürgens
Im aktuellen Album findet man Wortneuschöpfungen wie „Scheidungsleichen“. Welche Wörter gehören Ihrer Meinung nach in den Duden? Das Wienerische wird ja eher abmontiert, als dass es in den Duden reinkommt. Von dem her ist es eine Sprache, die weniger wird. Es ist aber noch in den Köpfen drin. Ich verwende meist Wörter, die es schon gibt, die aber in Vergessenheit geraten sind. Vielleicht sollte man „Ohrwaschlkräuler“ als „Ohrwurm“ etablieren.
Nicht nur den Wiener Dialekt, sondern auch den Austropop hat man ja schon einmal abgeschrieben … Es ist immer eine Frage, wie man Lieder schreibt. Es gibt zeitlose Lieder und Lieder, die an der Zeit hängen. Tom Waits zum Beispiel hat in den Achtzigerjahren auch keine klassischen Achtzigerplatten gemacht. Die klingen heute noch genauso gut wie damals. Ich versuche immer, Instrumente zu verwenden, die in erster Linie zeitlos sind – eine Gitarre, einen Kontrabass, eine Ziehharmonika.
„Es gibt gewisse Grundthemen, die immer funktionieren: Sterben, verliebt sein oder einen Wickel mit irgendjemandem haben.“
Wie schreibt man denn einen zeitlosen Song? So, dass keine tagespolitischen Themen vorkommen. Es gibt aber Themen, die sich erstaunlich lange erhalten. Ich habe mir letztens einen Kabarett-Song vom Resetarits aus den Siebzigern angehört, der die Angst vor Terror thematisiert. Das ist in den 1970ern auch ein Thema gewesen. Es gibt gewisse Grundthemen, die immer funktionieren: Sterben, Verliebtsein oder einen Wickel mit irgendjemandem haben.
Ihre Lieder handeln oft von den Dramen des Alltags. Ist das Sozialpornografische Faszination oder Empathie? Ich würde mich als einen empathischen Menschen bezeichnen. Für Stimmungen, die unangenehm sind, bin ich sehr empfänglich. Die berühren mich dann auch. Ich bin ein paarmal gefragt worden, gefälligere Nummern zu schreiben. Da fehlt mir irgendwie der Ansatz. Ich wüsste nicht, wo ich da anfange. Es wäre auch verkehrt. Vielleicht ändert sich das mal. Ich bin jetzt nicht nur depri drauf, aber solche Themen interessieren mich mehr.
Vielen Dank für das Gespräch.