Wir empfehlen
AUGUST 2020

Schöne alte Welt

Geld verdienen wollen Andrea und Walter mit ihrem Geschäftsraum nicht. Lediglich den Vorbeigehenden „eine Freude machen“, wie sie sagen. Deswegen dekoriert Andrea alle paar Wochen die Auslage neu – mit Gegenständen aus ihrem reichen Sammlerrepertoire.

Fotos: Axel Springer
O

ft verlangsamen Passanten ihren Schritt, wenn sie am Schaufenster vorbeigehen. Die bunten Figuren, urigen Bergschuhe oder alten Bücher erhaschen ihre Aufmerksamkeit. Manchmal steht Andrea Peer dann im Geschäftsraum, hinter dem Vorhang der Auslage, und lässt ihren Blick über die Regale und Stellagen des ehemaligen Lebensmittelgeschäfts und Friseursalons streifen. Hier, in der Pradler Straße 50, stehen Erinnerungsstücke aus ihrer Kindheit und Jugend wohlgeordnet nebeneinander. Auch Werkzeug und Schuhe ihres Partners und ehemaligen Schusters Walter bewahrt sie hier auf, und viele andere Gegenstände, die sie zeit ihres Sammlerlebens auf Flohmärkten erstanden hat. Sie überlegt, was davon demnächst besonders gut in ihrer Auslage harmonieren könnte und welche Geschichten das Schaufenster erzählen soll. 

 

Walter unterstützt sie dabei: „Wichtiges ist den Leuten unwichtig, und Unwichtiges wiederum wichtig“, meint er. Viele glauben, sie betrieben ein Geschäft, weil sich mittlerweile alles nur ums Geld drehe. Aber nicht bei ihnen beiden, nicht bei Walter und Andrea. Zwar wollten sie hier vor etwa elf Jahren eine Schusterei eröffnen, doch habe er feststellen müssen, dass die Schuhkultur, wie Walter sagt, „so verkommen ist“, dass er nichts mehr ausrichten könne. Jetzt ist es ein Hobbyraum mit einem Schaufenster, das dank Andrea alle paar Wochen sein Erscheinungsbild ändert und den Passanten einen Blick in eine schöne alte Welt gewährt – und zumindest den ein oder anderen hektisch vorbeieilenden Schritt für wenige Augenblicke wohltuend verlangsamt. 

Wichtiges ist den Leuten unwichtig, und Unwichtiges wiederum wichtig“

Schöne alte Welt

Lauter urige Gegenstände haben in der Pradler Straße 50 eine Heimat
gefunden und dürfen manchmal in die Auslage – auf die große Bühne. 

Schöne alte Welt

Andrea sammelt nicht nur gerne, sie hat auch ein gutes Auge, wenn es um die Gestaltung geht. 

Schöne alte Welt

„Früher war doch einiges besser“, ist Walter überzeugt – auch die Kindheit. Daran erinnert das Spielzeug, das Andrea sorgfältig aufbewahrt. 

Schöne alte Welt

„Alles, was noch funktioniert, sollte auch genutzt werden“, sagt Walter, der sein eigenes Bild lieber nicht in einem Magazin sehen möchte. 

Schöne alte Welt

Vor Andreas Schaufenster in der Pradler Straße werden die Schritte der Passanten oft langsamer.

 

Es hätte eigentlich eine Schusterei werden sollen, doch geworden ist es ein Sammelort für Erinnerungen an eine Welt von gestern.