... du eine Pechsträhne haben könntest.
A
ls Anfang Juni 2012 Jules Handy läutete, herrschte bei ihr schon Vorfreude auf den Urlaub, den sie mit ihren Freunden geplant hatte: In wenigen Wochen würden sie mit einem VW-Bus starten, auf ihrem Weg die französische Riviera erkunden und im Zielort Barcelona in einer übertrieben coolen Airbnb-Wohnung mit Dachterrasse und Whirlpool ein paar Tage mit Party und guten Leuten verbringen. Den Bus organisierte ein Freund, die Unterkunft Jule selbst. Bald sollte es losgehen.
Und jetzt: Anruf aus Barcelona. Ja, wo sie denn blieben? Er warte schon vor der Wohnung. Jule wusste nicht, wie ihr geschieht. Sie habe doch eine Unterkunft in Barcelona gemietet, sagte der Herr am Telefon, der sich als ihr Vermieter entpuppte – für heute. Kalt lief es ihr über den Rücken: Sie hatte bei der Buchung Juni und Juli verwechselt.
„Damit waren die ersten 1.200 Euro in den Sand gesetzt“, erzählt Jule heute. Das war zwar ärgerlich, doch wollte keiner auf den Trip verzichten. Sie buchten eine neue Unterkunft und waren wenige Wochen später bereit für die Reise.
In der Werkstatt.
Wie sie aber schon am Brenner feststellen mussten, war es der VW-Bus nicht. „Bergauf rauchte es schon ordentlich hinten raus“, erinnert sich Jule.
In Frankreich war dann endgültig Endstation. „Wir wurden auf eine Werkstatt in der Nähe der Stadt Narbonne abgeschleppt, wo weit und breit nichts war“, erzählt sie. Statt einem Tag, blieben sie vier, weil der Bus doch kaputter war als von allen erhofft. Am dritten Tag hatte der Mechaniker Mitleid und brachte sie zum Strand – in einem fensterlosen Lieferwagen. Am vierten Tag fuhren sie mit dem Zug weiter.
„Irgendwann ist einem einfach alles egal.“
Jule
Die letzten Meter.
„Irgendwann ist einem einfach alles egal“, sagt Jule, „dann gibt es nichts mehr, worüber man sich aufregen könnte.“ Den Rest des Urlaubs genossen sie in vollen Zügen, wie sie sagt. Auch nachdem ihr am ersten Abend Handy und Brieftasche gestohlen wurden. Selbst als sie in einem Internetcafé für eine Freundin und sich Flugtickets buchte und, wegen der schlechten Verbindung, vier statt zwei Tickets kaufte, konnte ihr das nicht mehr die Stimmung vermiesen. „Ich habe nur noch gelacht.“
Und so fand die Geschichte auch ein jähes Ende. Jule war wieder in Innsbruck. Und wieder läutete ihr Handy. Ihre Freunde hatten in Frankreich den Bus abgeholt. Er hielt aber nur etwa 100 Kilometer durch. Jetzt stehe er irgendwo in der Provence neben der Straße. Sie haben sich ein Mietauto genommen. Bis bald.
... du dich dort von jeglicher Vernunft verabschieden könntest.
D
en ersten Atemzug unter Wasser beschreibt Angelika wie den Moment einer Erleuchtung: „Es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens“, sagt sie heute. Zu tauchen macht ihrem Mann Franz und ihr so viel Spaß, dass sie dafür einiges an Strapazen auf sich nehmen. Auch 30 Stunden lange Anreisen sind keine Seltenheit.
Umso ärgerlicher ist es, wenn man gerade in Mikronesien ankommt und im Hotelgang eine der ersten Kurven nicht richtig nimmt und auf der Nase landet – oder genauer auf dem Fuß. So erging es Angelika bereits am zweiten Tag ihres Urlaubs, nach nur einer einzigen Tauchtour.
Medizinfrau.
Ob es denn nicht vielleicht was Ernsteres sei, wollte Franz mit Blick auf den Fuß wissen? „Nein, da sind höchstens die Bänder gezerrt“, entgegnete Angelika etwas gereizt und wies auf mehr als 40 Jahre Arbeitserfahrung als Krankenschwester hin.
Tauchen war vorläufig kein Thema mehr. Auch Gehen war nur mit Krücken möglich. Ein Krankenhaus gab es auf der Insel nicht, dafür auf einer benachbarten eine Medizinfrau, die, als sie bei Angelika ankam, ihr „schon allein durch ihr Auftreten und ihre Ausstrahlung enormen Respekt einflößte“. Sie besah den Fuß und murmelte etwas zur Übersetzerin: „Not good“, sagte diese bedauernd. Die Medizinfrau verordnete Angelika ein Fußbad und Bettruhe und kam zwei Tage später wieder. Als sie sah, dass die Schwellung zurückgegangen war, hieß sie die Übersetzerin und Franz, Angelika gut festzuhalten: „Es war ein Schmerz, der eine Vollnarkose verdient hätte“, erinnert sich Angelika an den kurzen Griff der Medizinfrau, die den Fuß von einer Seite zur anderen drehte.
„Aber operieren hätte man das nicht müssen.“
Medizinfrau aus Mikronesien
Diagnose.
Als es ihr dann aber besser ging, ließ sich Angelika das Tauchen nicht mehr verbieten. Ganze zwölf Tage lang genoss sie das volle Programm der mikronesischen Insel, um dann doch einzusehen, dass sich ein richtiger Arzt den Fuß einmal ansehen sollte, und heimzukehren.
In Innsbruck schaute der Doktor abwechselnd das Röntgenbild und seine hinkende Patientin an. Immer wieder. Bis ihm die Frage: „Wieso gehen Sie?“ aus dem Mund fiel. Diagnose: Doppelter Knöchelbruch.
Angelika musste eine OP über sich ergehen lassen, ihr wurden Schienen angelegt, anfangs brauchte sie Krücken. Der Unfallchirurg lobte aber die Arbeit der Medizinfrau, ohne die es noch wesentlich komplizierter geworden wäre, wie er meinte. Das berichtete ihr Angelika ein Jahr später, als Franz und sie wieder in Mikronesien waren und sie der Medizinfrau von ihren Strapazen berichtete. Sie entgegnete aber nur kühl: „Aber operieren hätte man das nicht müssen.“
... dich der Blitz treffen könnte.
M
athias wacht auf. Er ist nackt, im Freien und sieht ein wenig Blut an seinem Fuß – neben seinem Kopf liegt ein zerfetzter Schuh. Jemand ruft seinen Namen. Es ist Kathrin, seine Freundin: Er solle liegen bleiben, ein Hubschrauber sei schon unterwegs.
Mit der USA-Reise feierten die beiden ihren Uniabschluss. Von New York nach Baltimore zur Hochzeit einer Freundin, und dann von Washington nach San Francisco. Die folgende Kalifornien-Rundreise wollten sie bei einem befreundeten Ehepaar am Lake Tahoe beschließen.
Fernab der Zivilisation.
Am vorletzten Tag luden die Gastgeber die sportbegeisterten Tiroler auf eine Wanderung ein, eine Tagesetappe des berühmten Pacific Crest Trails. „Wunderschön dort oben, mit herrlichem Blick auf den See“, schwärmten die Amerikaner.
Es war ein heißer Tag im August. Carla, die Ehefrau, wanderte mit, Ron sollte sie zum Startpunkt am Donner Pass (ja, wirklich!) bringen und sechs Stunden später am Ziel in Squaw Valley wieder abholen. So der Plan. „Kaum auf dem Weg, verlor sich jede Spur von Zivilisation“, erinnert sich Mathias heute: „Wir hatten keinen Empfang am Handy und sahen nur wenige Menschen.
Auf dem Gipfel.
Nach circa drei Stunden, kurz vor dem Gipfel, setzte sich Mathias etwas ab und erreichte kurze Zeit später glücklich und außer Atem den Tinker Knob – den höchsten Punkt ihrer Wanderung. Bereits seit einiger Zeit hatten sie in der Ferne kleinere Gewitterzellen beobachtet. Sollte der Wind drehen, müssten sie wohl irgendwo Unterschlupf suchen, dachte er: das Letzte, an das er sich erinnern kann.
„Ich habe gedacht, Mathias ist explodiert“, wird Kathrin später Reportern sagen. Denn just in dem Moment, in dem sie zu ihm nach oben blickte, schlug der
„Ich habe gedacht, Mathias ist explodiert.“
Kathrin
Blitz ein – direkt in Mathias. „Wo er gerade noch gestanden und Fotos gemacht hatte, hing nur noch eine kleine schwarze Rauchwolke in der Luft.“ Doch als sie ihm zur Hilfe eilen wollte, schlug ein weiterer Blitz neben ihr ein. Sie suchte Schutz hinter einem Felsen, wo sie wie durch ein Wunder eine Empfangsinsel fand, und verständigte die Rettungskräfte.
20 Minuten später regt sich Mathias wieder. Er ist nackt, im Freien und sieht ein wenig Blut an seinem Fuß – neben seinem Kopf liegt sein zerfetzter Schuh. Mathias hat gerade einen 40-Millionen-Volt-Blitzschlag überlebt.