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SEPTEMBER 2019

Muskeltraining auf Waldboden

Früher altmodisch, heute hip: Forstmeilen erleben im Zuge des Freiluftfitnessbooms eine Renaissance. 6020 hat sich die legendäre Forstmeile in Amras und den Fitnessparkour Hungerburg näher angesehen.

Fotos: Axel Springer
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ein Schweißgeruch, kein lautes Stöhnen beim Gewichteheben und kein Surren der Laufbänder, stattdessen die kühle Frische des Waldes, zwitschernde Vögel und ab und zu ein umherhuschendes Eichkätzchen: Forstmeilen oder Trimm-dich-Pfade, wie sie in Deutschland heißen, haben für viele eindeutige Vorzüge gegenüber Fitnessstudios. Keine Öffnungszeiten, viel Platz und keinerlei Kosten sind weitere Pluspunkte des Gelände-workouts. Die Idee stammt aus den späten 1960er-Jahren, in den 70ern schossen dann Forstmeilen wie Schwammerln aus dem Boden, bevor sie viele Jahre als eher altmodisch galten. 

 

Old but gold.

Wer in Innsbruck lebt, hat möglicherweise das Gefühl, die Forstmeile beim Schloss Ambras „gäbe es immer schon“. Und tatsächlich gibt es sie schon länger als sehr viele Stadtbewohner, nämlich seit 1973. Der Fitnessparkour Amras zählte damals zu den ersten Freiluftgymnastikanlagen dieser Art in Tirol. Ende der 1990er wurde das Geländetraining überarbeitet. Nach dem Motto „das Kind muss an die Luft“ haben viele die Amraser Forstmeile mit Eltern oder Klassenkollegen unzählige Male besucht. 

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Als cool galt das Waldworkout eher nicht, aber genau das scheint sich jetzt zu wandeln: Im Zuge des Booms neuer Trainingsarten wie Hindernislauf, Crossfit oder Bootcamp erleben Forstmeilen ein echtes Revival. Denn das, was In-Sportarten wie Crossfit oder Bootcamp auszeichnet, hatten die Forstmeilen immer schon im Programm: die Abwechslung und die Ganzheitlichkeit. „Forstmeilen kombinieren Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Koordination. Egal welches Ziel man verfolgt, ob Muskelaufbau oder Abnehmen, alles ist mit der Forstmeile möglich“, erklärt die Innsbrucker Fitnesstrainerin Patricia Kapfinger. Die 29-Jährige hält pro Woche bis zu zwölf Kurse ab, wenn das Wetter mitspielt, sind viele davon Outdoortrainings.

„Forstmeilen kombinieren Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Koordination.“

Patricia Kapfinger, Fitnesstrainerin

 

Zur Person:

Patricia Kapfinger ist Fitness- und Ernährungstrainerin. Die Innsbruckerin ist gelernte Kindergartenpädagogin, hat sich aber vor einiger Zeit dazu entschlossen, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Seitdem ist sie hauptberuflich als Personal Trainerin tätig und bietet Einzel- und Gruppenkurse an und unterrichtet in Fitnessstudios und Volkshochschulen.

Kreatives Austoben.

Im Frühsommer stand Patricia vor der Aufgabe, Kursteilnehmer fit für den Hindernislauf „Innsbruckathlon“ zu machen, die Amraser Forstmeile war dafür bestens geeignet. Allerdings hat sich Patricia nur selten an den Anzeigetafeln orientiert und viele der vorhandenen Geräte wie Ringe, Balancierstangen oder auch Balken umfunktioniert und für eigene Übungen verwendet. Ein Beispiel: Im Mittelteil der Forstmeile gibt es eine Holzwand, die man laut Tafel zum Dehnen verwenden soll, Patricia hat ihre Kursteilnehmer über die Wand „gejagt“. „Die Forstmeile eignet sich für vieles. Man muss nur kreativ sein“, erklärt die gelernte Kindergartenpädagogin.

Amras im Check.

Verfehlen ist unmöglich: Beim Schloss- Ambras-Parkplatz geht’s am Zebrastreifen über die Straße, und schon beginnt, gut gekennzeichnet, die Amraser Forstmeile. Rund 40 Tafeln erwarten die Bewegungsfans, die, je nach Farbe, in die Bereiche Aktivierung, Koordination, Kräftigung, Ausdauer und Dehnung unterteilt sind. Los geht’s mit einer Handvoll Aktivierungsübungen, danach gibt es zahlreiche Übungen für Kräftigung und Koordination. Gedehnt wird zwischendrin sowie am Ende der Forstmeile. Danach folgen für die Ausdauer zwei Joggingstrecken. Zum Aufbau kann Patricia wenig sagen: „Es kommt schließlich immer darauf an, was man trainieren will. Aber statische Dehnübungen zum Schluss sind laut neuesten Studien sogar eher kontraproduktiv.“

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Beim Betrachten der Hinweisschilder fällt Patricia auf, dass es relativ wenig Text gibt: „Es wird leider nicht wirklich erklärt, worauf man bei den Übungen achten soll, welche Muskelgruppen gefragt sind und was man vermeiden sollte. Das ist schade.“ 

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Während die 29-Jährige weitergeht, entdeckt sie bei der nächsten Station Fabian und seinen Freund Daniel, die gerade Klimmzüge machen. Die beiden Innsbrucker trainieren zwei- bis dreimal pro Woche am Gelände der Amraser Forstmeile. Wie Patricia überlegen sie sich, wie sie die Geräte für ihre eigenen Ansprüche verwenden können: An einer Station, die eigentlich eine Bauchübung vorsieht, machen Fabian und Daniel zum Beispiel lieber Liegestütze.

„Es wird leider nicht wirklich erklärt, worauf man bei den Übungen achten soll. Das ist schade.“

Patricia Kapfinger, Fitnesstrainerin

Laufen zum Abschluss.

Einige der auf den Anzeigetafeln gezeigten Übungen scheinen für ambitionierte Hobbysportler zu leicht und zu wenig herausfordernd zu sein. Ausnahme: die zahlreichen Gleichgewichtsübungen. Die findet sogar Fitnesstrainerin Patricia zum Teil ziemlich schwierig. „Interessant wäre es, wenn die Tafeln Übungen mit verschiedenen Schwierigkeitsstufen zeigen würden“, befindet Patricia. Baumstämme und ähnliches sind nicht verstellbar, daher seien einige Übungen auch nicht für jede Körpergröße geeignet. Schade findet es Patricia, dass nicht alle Übungsplätze top in Schuss sind. 

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Wenn etwa bei einem Holzstamm mit Einkerbungen die Anzeigetafel fehlt, hat sogar die Vollblutfitnesstrainerin keine Idee, welche Übung vorgesehen bzw. möglich wäre. Am Ende der Forstmeile befinden sich noch zwei Laufstrecken mit 0,5 Kilometern und 1,2 Kilometern. Fabian und Daniel laufen zum Schluss ihrer Trainingseinheit meistens noch eine der beiden Strecken. „Allerdings laufen wir die Strecken mehrmals, einmal wäre doch zu wenig“, erklärt Fabian. 

 

App für Forstmeile:

Für die Forstmeile Amras ist eine App angedacht in der verschiedene Übungen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden näher beschrieben werden sollen. 

 

Patricias Fazit:

„Die Nähe zur Stadt ist bei der Amraser Forstmeile genial. Man braucht nicht einmal ein Auto, in wenigen Schritten ist man mitten im Wald.“ Die Übungen der Tafeln könnten einigen Hobbysportlern möglicherweise zu langweilig sein. Patricia rät daher, sich eigene Übungen zu überlegen und zur perfekten Ausführung von einem Fitnesstrainer erklären zu lassen.

Outdoorfitness

Forstmeile Amras:

40 Tafeln mit Übungen, 0,5 km und 1,2 km Laufrunde zum Abschluss, Geeignet für Jedermann

Outdoorfitness

BELIEBT. Die Amraser Forstmeile lockt seit Jahrzehnten große und kleine Bewegungsfans in den Wald.

Hungerburg im Check.

Deutlich weniger bekannt als die Amraser Forstmeile ist die Forstmeile Hungerburg, die auch gern als Fitnessparkour Fit 2000 Hungerburg bezeichnet wird. Mit knapp unter 20 Tafeln ist das Geländetraining quasi die „Miniversion“ zu Amras. Die erste Hürde ist es allerdings bereits, die Hungerburg Forstmeile zu finden. Wer sich am Parkplatz bei der Talstation Hungerburg befindet, startet zunächst steil bergauf und hält sich immer links. Nach einigen Metern befinden sich auf einer kleinen Lichtung mehrere Richtungsschilder und Wegkreuzungen. Versteckt im Gebüsch befindet sich dort die erste Anzeigetafel der Forstmeile. Nach wenigen Metern verlässt die Forstmeile dann den Forstweg und führt direkt in den Wald: Viel Ruhe und ungestörtes Trainieren sind garantiert, bei Regen gilt es rutschsicher zu sein.

„Die Forstmeile eignet sich für vieles. Man muss nur Kreativ sein.“

Patricia Kapfinger, Fitnesstrainerin

 

Barren, Baumstümpfe, Balancierstangen: Bei den Übungen fällt auf, dass sie jenen der Amraser Forstmeile sehr ähneln. „Allerdings sind auch Partnerübungen angegeben, die dem Training einen neuen und besonderen Reiz geben“, erklärt Patricia. Schade ist es, dass einige Tafeln nur schwer erkennbar bzw. so stark verschmutzt sind, dass der Text kaum lesbar ist. Das Ende der Forstmeile befindet sich am Spielplatz Taubental, dort beginnt dann der Rosnerweg-Run. Das heißt, wer sich nochmal richtig auspowern will, kann die 2,7 km lange Rundwanderstrecke, die unterhalb der Arzler Alm vorbeiführt, perfekt für eine abschließende Laufeinheit nützen.

 

Patricias Fazit:

„Wir in Tirol machen vieles mit den Haxen: Skifahren, Radfahren, Wandern und so weiter. Da ist es großartig, wenn wir auch Übungen für den Oberkörper machen, so wie es bei der Forstmeile an vielen Stationen möglich ist.“

Outdoorfitness

Forstmeile Hungerburg:

20 Tafeln mit Übungen, 2,7 km Rosnerweg-Run, Geeignet für Jedermann

Outdoorfitness

Das Forstamt gibt Auskunft: Im Frühjahr 2020 soll die Forstmeile ein bisschen "aufgemöbelt" werden. Es steht ein Frühjahrsputz, etwa bei den Schildern, an, außerdem soll die Strecke lichtdurchflutet werden.