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almost died“, sagt Gábor in die Kamera. Er war in der Wüste unterwegs, ohne Equipment, und ohne Wasservorräte. Zum Glück hat er die Überquerung überlebt. Aber keine Angst, er ist nicht verrückt, sondern nur ein Scherzkeks. Die Wüste, die er gerade bezwungen hat, hat eine Fläche von knapp 2,6 Quadratkilometern, die Bewohner am kanadischen Yukon bezeichnen sie liebevoll als die kleinste Wüste der Welt. Rein geologisch handelt es sich um einen ausgetrockneten See, wo sich nachher Sanddünen gebildet haben. Gábor wollte seine „Carcross Desert“-Errungenschaft trotzdem auf Video festhalten.
Zu sehen ist das Video auf seinem Facebook-Reiseblog „Hitchhiking Through Paradise“, den er regelmäßig mit neuen Fotos und Geschichten befüllt. Geschichten erlebt er auf Reisen zur Genüge. Alles fing am 22. August 2013 an: Die monatelang geplante Reise startete mit einem Spanienurlaub mit Freunden, seither hat Gábor 19 Länder besucht, ist dank Auto- oder Bootsstopp 45.252 Kilometer weit gereist und hat dafür zwei Jahre, sieben Monate und 26 Tage gebraucht (Stand vom 16. April). Zurzeit ist er mit seiner mexikanischen Freundin und Reisegefährtin Ale in Panama City, jobbt als Deutschlehrer, die beiden wohnen wochenweise bei Bekannten.
Der Aufenthalt in Panama dauert nun schon länger als geplant. Ausflüge nach Costa Rica gönnen sich Gábor und Ale immer wieder mal. Die Weiterreise muss noch koordiniert werden, Gábor würde gerne die Darién-Lücke zwischen Panama und Kolumbien überqueren, was aktuell nicht leicht machbar ist. Denn hier ist die Panamericana durch ein Regenwaldgebiet unterbrochen, in dem zu allem Überfluss die Guerilla-Kämpfer in den vergangenen Wochen „auf alles schießen, was sich bewegt“, erzählt Gábor. Alternativ könnte es per Boot durch die Karibik weiter nach Süden gehen. Der erfahrene Stopper lässt sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen.
„Die körperliche Hygiene wird manchmal sehr vernachlässigt, das muss man aushalten.“
GÁbor Tolnai
Risiken kennen und ausblenden.
Seit Gábor durch den amerikanischen Kontinent trampt, hat er sich hie und da in nicht ganz angenehme Situationen gebracht: Ob Großstädte oder Wildnis – da, wo er manchmal mit Zelt gecampt hat, lauerten mehr als einmal vermeintliche Gefahren wie kriminelle Gangs oder Bären. Er sieht’s pragmatisch: „Die meisten Unfälle passieren statistisch gesehen im eigenen Haushalt.“
Angst hat Gábor auf Reisen nicht, er kennt die Risiken und fokussiert sich auf die höhere Wahrscheinlichkeit, dass alles gutgeht. Zudem weiß er genau, wie man sich in welcher Situation verhalten muss. Als er etwa durch heruntergekommene Stadtteile Miamis spazierte, galt es, auf die eigene Körpersprache und Ausstrahlung zu achten und soweit es ging nicht aufzufallen: „Da hingen zusammengebundene Schuhe an den Stromkabeln, als Warnung vor bestimmten Gangs. Ich bin trotzdem durch und bin womöglich auch aufgefallen. Aber ich habe mich normal verhalten und keine sichtbaren Wertsachen dabeigehabt. Es ist nichts passiert.“
Für seinen Trip durch die Wildnis Alaskas war der 29-Jährige top ausgerüstet und bestens über Flora und Fauna informiert. Gábor macht sich aber auch nicht viel aus Komfort. Und wenn er in den Everglades nur seinen Hut zur Verfügung hat, um Trinkwasser aus dem Sumpf zu filtern, dann zögert er nicht. „Die körperliche Hygiene wird manchmal sehr vernachlässigt, das muss man erst aushalten“, erzählt er scherzhaft – wahr ist es trotzdem. Seine Art zu reisen ist mit Sicherheit nicht jedermanns und -fraus Sache.
Fragen kostet nix.
Gábor reist nicht, um Instagram-Selfies zu knipsen, er tut es für sich. Und will Leute anspornen, sich zu fragen: Was passiert, wenn man eine Woche Paris inklusive Hotel gebucht hat und die Stadt einfach nicht mag? Warum nicht in den nächsten Zug Richtung Süden steigen, anstatt auszuharren? Oder einen Flug buchen und ohne weitere Ziele ins Abenteuer starten?
Durch Couchsurfen oder Airbnb kann man leicht Kontakte zu Insidern knüpfen. „Ich will andere Leute inspirieren, auf Reisen nicht immer den vorgetrampelten Pfaden zu folgen“, sagt Gábor. Als Stopper hat er jahrelange Erfahrung, und keine Fahrt war wie die andere. „Eine Mitfahrgelegenheit findet man leichter auf Raststätten. Durch die persönliche Anrede können alle Beteiligten gleich entscheiden, ob die Sympathie auf Gegenseitigkeit beruht.“ Einmal hat ihn Merkels Chauffeur in der gepanzerten Limo mitgenommen, leider ohne Kanzlerin. In den USA hat er beim Stoppen einen Pferdecoach kennengelernt, der die Tiere für Westernfilme wie „The Lone Ranger“ trainiert. Und manchmal hat er auch schräge Bekanntschaften gemacht, wie mit den lesbischen Naziblondinen auf Crystal Meth, die ihn und seine Exfreundin – eine Inderin – mitnahmen. „Wir hatten ein mulmiges Gefühl, aber haben einfach nur geplaudert und alles ist gutgegangen.“ Aber klappt das immer? Was wollen die Leute eigentlich als Gegenleistung? „Eigentlich nur Gesellschaft“, antwortet Gábor prompt.