Vor zwei Jahren hat der Sistranser seine Unteroffizierskarriere beim Bundesheer an den Nagel gehängt. Stattdessen wollte er sich den langgehegten Wunsch erfüllen, Pilot zu werden. Angefangen hat die Faszination Fliegen für ihn schon früh.
Regelmäßige Besuche am Flughafen und Flugsimulationen am Computer hatten ihren fixen Platz im Freizeitprogramm. Und nicht zuletzt seine Stationierung beim Heer in Absam hat dazu beigetragen, dass der eigentliche Berufswunsch nie in Vergessenheit geraten ist: „Schon alleine der Ausblick auf die Einflugschneise im Inntal hat mich immer wieder zum Träumen verleitet.“
//Die freudige Aufregung des angehenden Berufspiloten ist unübersehbar, als er die kleine, einmotorige DA40 Diamond Star vor dem Abflug von allen Seiten inspiziert. Die vergangenen Monate hat er sich mit der theoretischen Ausbildung herumgeschlagen. Und die hat es in sich. Ein angehender Linienpilot muss in Europa rund 14.000 Prüfungsfragen beantworten können, um seine Lizenz zu erhalten. „Wer länderspezifische und doppelte Fragen sortiert, kommt im Endeffekt auf rund 7.000“, meint Steinmair. Immer noch eine beachtliche Zahl.
Theorie und Praxis.
Zum ersten Mal sitzt er nicht im Cockpit. Er hat bereits ein Jahr in Texas verbracht, um dort die grundlegende Ausbildung zu absolvieren. „In den USA ist es etwas billiger, das Fliegen an sich zu lernen“, erklärt Steinmair. „Dafür muss in Europa dann viel Theorie nachgeholt werden.“ Inzwischen hat er rund 240 Flugstunden absolviert. Dazu kommt noch einmal ein gutes Dutzend am Simulator. Und die braucht er auch, denn sein Ziel ist hoch gesteckt: Hobby-Pilot zu sein, war von Anfang an nicht genug. Für ihn muss es eine Karriere am Steuer eines Verkehrsflugzeugs sein.
„Täglich lernen rund 30 Flugschüler im Luftraum über Tirol unter den wachsamen Augen ihrer Fluglehrer das Fliegen.“
„Das Cockpit ist das schönste Büro der Welt“, versichert er, während er hinter dem Control Stick Platz nimmt. Neben ihm steigt Mario Karner in die Maschine ein. Er ist Fluglehrer bei der Innsbrucker Flugschule FlyWest und wird Steinmair während seines Übungsflugs zur Seite stehen. Zuerst werden die Headsets aufgesetzt. Sie schützen nicht nur vor dem Lärm der Maschine, sondern erleichtern auch die Kommunikation. Noch am Boden besprechen die beiden den Flug. Funk- und Navigationsfrequenzen werden eingestellt, GPS-Daten eingegeben und die Starterlaubnis vom Tower eingeholt. Außerdem erhält Steinmair eine kurze Einweisung in die Instrumente, da er zum ersten Mal in einer DA40 sitzt. „Im Prinzip gleich wie in einem Auto. In derselben Klasse ist alles in etwa da, wo man es gewohnt ist“, fasst der Fluglehrer zusammen. „Aber einmal, vor dem ersten Flug, muss man es sich eben zeigen lassen.“
Abflug.
Nachdem der Dieselmotor des Kleinflugzeugs warmgelaufen ist, geht es los. Gemächlich rollt die Maschine in Startposition, während am Cockpitfenster der Tiroler Himmel vorbeizieht.
Es dauert einen Moment, bis sich Steinmair an den Control Stick gewöhnt hat. Bislang ist er nur mit einem „Yoke“, dem vor allem in älteren Flugzeugen üblichen, lenkradähnlichen Steuerknüppel, geflogen. Noch beim Start bekommt er das Schaukeln aber in den Griff. Die DA40 ist leicht genug, um sich schon nach der Hälfte der Startbahn in die Luft zu schwingen.
//Als die Maschine langsam auf gut 900 Meter steigt, kann Steinmair den Ausblick genießen – vorerst. Noch über dem Stadtgebiet ist es für den Flugschüler allerdings vorbei mit dem Panorama. Auf der Flugroute nach Osten – dem Inntal entlang bis Rattenberg – wird er den Instrumentenflug üben. Um auch an einem sonnigen Spätsommertag Schlechtwetter zu simulieren, setzt er eine Brille auf. Ein Großteil davon ist mit einem Sichtschutz aus Kunststoff versehen. Nur ein kleines Fenster über der Nase erlaubt ihm den Blick auf die Cockpitanzeigen.
Blindflug zur Übung.
Im Flugzeug merkt man aber nicht, dass der Pilot effektiv blind ist. „Sehen müssen wir eigentlich nur, um zu starten“, erzählt Karner.
Während des Flugs orientiert sich die Crew anhand der Instrumente und selbst zum Landen wäre Sicht nicht zwingend nötig. Karner sieht seinem Schüler genau auf die Finger. Es vergehen rund 15 Minuten, bis das Funkfeuer Rattenberg erreicht ist. Der dort positionierte Sender erlaubt es Piloten, ihre eigene Position zu bestimmen – ähnlich einer Boje in einer Hafeneinfahrt. Hier kreisen bei Schlechtwetterlage Flugzeuge, wenn sie auf eine Landeerlaubnis im Inntal warten. Eine zweite solche Anlage steht im Westen im Kühtai. So kann ein „Stau“ im engen Inntal vermieden werden, wo Ausweichmanöver riskant wären.
//Während Steinmair sich zwangsläufig auf die Instrumente konzentrieren muss und das Flugzeug in die Warteschleife einschwenkt, nimmt sich Karner Zeit, die Berge von oben zu bewundern. „Egal wie oft man in Tirol fliegt, es ist immer wieder ein atemberaubender Anblick“, erzählt er, nicht ohne Grinsen in Richtung seines „blinden“ Flugschülers. Karner selbst ist seit 15 Jahren Pilot und seit zwölf Ausbilder. Für ihn hat die Karriere wie für die meisten Tiroler mit dem Segelflug begonnen.
Funkfeuer.
Nachdem er sein Ziel erreicht hat, lässt Steinmair die Maschine mehrmals im Bereich des Funkfeuers kreisen. Währenddessen ertönt die Stimme eines deutschen Piloten in den Headsets. Er möchte wissen, ob das Wetter eine Überfliegung des Brenners nach Süden zulässt. Gleich mehrere andere Piloten antworten ihm und geben Tipps. Die geplante Route sollte kein Problem sein. Schließlich gibt Karner seinem Schüler das Okay für die Umkehr. Nach rund 45 Minuten geht es zurück nach Innsbruck.
//Die Flugstunde kostet Steinmair circa 250 Euro. Ungefähr derselbe Betrag würde auch anfallen, wenn er sich den Flieger ausleihen würde. Je nach Typ der Maschine ist der Preis allerdings nach oben offen. Auch hier klingt die Ausgabe auf den ersten Blick hoch. Allerdings müssen nur die Stunden bezahlt werden, die das Flugzeug aktiv im Einsatz ist. Ein Flug von Innsbruck nach Kroatien nimmt in etwa 90 Minuten in Anspruch. So ist es mit der DA40 im Sommer zum Beispiel durchaus leistbar, zu viert für ein verlängertes Wochenende an den Strand zu fliegen.
Landung.
Auf dem Rückflug ertönt ein weiterer Funkspruch in den Headsets. Eine Dash 8 von Tyrolean ist im Landeanflug auf Innsbruck. „Die ist zu schnell für uns“, meint Karner. „Da müssen wir ausweichen.“ Sein Schüler wechselt nach Anweisung des Fluglotsen am Innsbrucker Kontrollturm den Flugkorridor und lässt die Maschine in weiter Ferne überholen. Über die Südseite, die Berg-iselschanze unter sich, nähert Steinmair sich dem Flughafen. Steinmair zieht noch eine kurze Schleife über Sistrans. Ohne aus dem Cockpit zu sehen, meint er direkt über seinem Heimatort lachend: „Hier sollte ich wohl winken.“ Dann gilt es, Innsbruck anzufliegen. Endlich darf der Flugschüler die Brille abnehmen und noch kurz den Blick über das Inntal genießen, während er die Landebahn anvisiert. Es erfolgt eine finale Bestätigung vom Tower und wenige Minuten später setzt die Maschine erstaunlich sanft auf der Piste auf.
Für den Flugschüler bedeutet der absolvierte Flug nicht nur eine weitere Flugstunde in seinem Logbuch, sondern auch den nächsten Schritt in Richtung seines Traumberufs. „Wenn das Wetter mitspielt, kann ich meine Ausbildung noch diesen Herbst abschließen“, erzählt er hoffnungsvoll, während er aus dem Flugzeug klettert. Dann beginnt für ihn die Jobsuche. Und er weiß ebenso wie Mario Karner, dass das nicht leicht wird: „Die Zeiten, in denen Piloten hoch bezahlte Jobs hatten, sind leider vorbei. Wer wirklich bei einer Airline einsteigen möchte, sollte das so früh wie möglich tun und auf dem internationalen Jobmarkt nach einer Position suchen.“
//Dennoch finden alleine im Tiroler Luftraum täglich rund 30 solcher Übungsflüge statt, schätzt der Fluglehrer. Je nach Wetterlage, versteht sich. „Fliegen ist ein leistbares Hobby geworden“, meint er, während er gemeinsam mit Steinmair die DA40 auf ihre Parkposition schiebt. „Es wirkt nur noch sehr exotisch und wohl auch ein wenig ‚abgehoben’. Aber es gibt nichts Schöneres. Und wer wirklich einsteigen will, kann das Schritt für Schritt tun und selbst erleben, wie sich die Welt von oben anfühlt.“
Die Kosten
Fliegen wird immer als Hobby für Reiche betrachtet. Dabei ist der Pilotenschein auch für Normalverdiener nicht unerreichbar. Je nach Angebot gibt es in Tirol Möglichkeiten, sich für rund 1.200 bis 1.500 € in ein bis zwei Monaten zum Segelflieger ausbilden zu lassen. Für weitere rund 700 € pro Jahr gibt es dann auch Clubmitgliedschaften, bei denen reichlich Chancen zum Fliegen inkludiert sind. Wer nach Höherem strebt, sollte rund 10.000 € sparen. Mit dieser stolzen Summe schafft man es vom Fußgänger, bis zum Privatpiloten. „Und wenn man sich überlegt, wie viel ein Motorrad, der Führerschein dazu und die Schutzkleidung kostet, bewegt sich das in etwa im selben Rahmen“, meint Mario Karner.