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SEPTEMBER 2019

Ab in die Schwammerl

Wer Waffengewalt ablehnt, sich sein Essen aber trotzdem gerne selbst auf den Tisch bringt, der geht in Tirol in die Schwammerl. Beim herbstlichen Sammeln in den Wäldern gibt es allerdings ein paar Dinge zu beachten.

Fotos: Axel Springer
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m Spiel des Schwammerlsuchens gibt es wenige, dafür aber bestimmte Regeln, die in der Tiroler Pilzverordnung festgelegt sind. Verboten sind das „mutwillige Beseitigen, Beschädigen oder Zerstören von wildwachsenden Pilzen“, das Pflücken von mehr als zwei Kilogramm pro Kopf, Nase und Tag sowie das Schürfen nach Schwämmen mit Rechen und Haken. In die Schwammerln darf man außerdem nur von 7 bis 19 Uhr gehen. 

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Wer sich nicht an die Regeln hält und von der Bergwacht erwischt wird, dem droht die Abnahme seiner Funde und eine Anzeige bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft. Wenn es um die Orte geht, wo passionierte Schwammerlsucher ihre Beute einheimsen, gibt es noch eine weitere ungeschriebene Regel, die über allen anderen steht. Um es mit den Worten von Tom Cruise in Top Gun zu sagen: „I could tell you, but then I’d have to kill you.“

Bürgerservice Pilzberatung.

Als wenig erfahrener Schwammerl-sucher kann es im ersten Moment schwierig sein, den richtigen Pilz für die Pfanne zu finden. Eierschwammerl, Steinpilz und Champignon sind den meisten ein Begriff, auf die anderen Exemplare wird oftmals kein Pfifferling gegeben. 

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Andreas Nussbaumer vom Referat Lebensmittelaufsicht und Marktwesen der Stadt Innsbruck kennt die Pilze der Tiroler Wälder bestens. In sein Referat kommen Menschen mit ihren Funden wochentags von 8 bis 12 Uhr zur Pilzberatung. „Wir haben circa zwischen 2.500 und 3.000 heimische Pilzarten“, weiß Nussbaumer. Von diesen wiederum sind 10 Prozent essbar. 25 bis 30 Arten gelten als „richtig giftig“, der Rest der Pilze ist ungenießbar – „wertlos“, wie es im Fachjargon heißt. Eine Faustregel, mit der man sich keinen Giftpilz einfängt, gibt es nicht. Generell rät der Lebensmittelinspektor: „Finger weg von den knallroten Pilzen“.

Pilzberatung: Wer sich bei seiner Beute nicht sicher ist, sollte beim Experten nachfragen.

„Finger weg von den knallroten Pilzen!“

Referat Lebensmittelaufsicht und Marktwesen

Verwechslungsgefahr.

Die Schwierigkeit des Pilzesammelns beginnt für viele schon in der Begriffsbestimmung. Im Volksmund und im Standarddeutschen tummeln sich zahlreiche Begriffe für dieselben Funghi. So ist ein Pilz dasselbe wie ein Schwamm, ein Steinpilz synonym mit dem Herrenpilz, ein Täubling auch ein Bratling und ein Pfifferling ein einfaches Eierschwammerl. Zusammen mit dem Parasol und dem Champignon handelt es sich bei den genannten um die häufigsten essbaren Pilze in unserer Umgebung. Überlebenswichtig ist das Unterscheiden von Speise- und Giftpilzen.

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„Man soll nur das nehmen und essen, wo man sich sicher ist“, appelliert Nussbaumer. Außerdem rät er, essbare und mutmaßliche Giftpilze in einem gesonderten Beutel aufzubewahren – zur Freude von Innsbrucks Studierendenschaft in einer Tasche aus Jute und nicht aus Plastik, damit sie nicht „schwitzen“ und verderben. 

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Der gefährlichste Pilz, der in unseren Wäldern zu finden ist, ist der Grüne Knollenblätterpilz, im Englischen etwas programmatischer „death cap“, also „Todeshut“, genannt. Der 5 bis 15 Zentimeter hohe Pilz sieht vor allem, wenn man nur den Hut und nicht die weißen Lamellen und den charakteristischen Ring um den Stiel sieht, dem rosa lamellierten Champignon zum verwechseln ähnlich. Schon kleine Mengen des Grünen Knollenblätterpilzes reichen aus, um schwere Leberschäden zu verursachen, die unbehandelt zum Tod führen. 

Drei Pilze, die man leicht verwechseln kann:

Die Lamellen unter dem Hut des Champignons haben eine rosa Färbung. Beim Knollenblätterpilz sind sie weifl. Stiel und Hut des Parasols sind bräunlich, der Grüne Knollenblätterpilz hingegen hat eine ins Olivgrüne gehende Farbe. Der Ring um den Stiel ist beim Parasol verschiebbar, beim Knollenblätterpilz nicht. 

  

Der Perlpilz, der auch als "Fleischchampignon" bezeichnet wird, ist ein beliebter Speisepilz und zugleich mit dem tödlich giftigen Pantherpilz verwechselbar. Der Genießbare ist an Hut und Stiel immer rot gefärbt, das giftige Pendant ist an seinen Lamellen weiß und weist keine für den Perlpilz typische rötliche Färbung auf.  

 

Der Steinpilz ist eines der meistgesuchten Schmankerln für Pilzgerichte, der ähnlich aussehende Gallenröhrling verdirbt den Schmaus. Durch seine Bitterstoffe kann ein Gallenröhrling eine ganze Mahlzeit ungenießbar machen. Die Poren des Steinpilzes verfärben sich im Alter olivgrün, der Gallenröhrling wandert im Farbspektrum ins Rosa-Braune. 

Das jüngste Gericht. 

Wem das Schwammerlgulasch sein Verhängnis zu werden droht, der landet in Innsbruck am Tisch von Frank Hartig, Internist und Oberarzt im Medizinzentrum Anichstraße (MZA). Ins MZA kommen jährlich circa 50 Menschen mit einer Pilzvergiftung, fünf bis zehn Fälle davon mit schweren Intoxikationen. Todesfälle durch Pilze kommen vor, sind aber selten. Frank Hartig erzählt, bei welchen Patienten seine Alarmglocken schrillen: „Wirklich gefährlich wird es, wenn es sich um erfahrene Schwammerlsucher handelt.“ Diese würden sich nämlich trauen, mehr verschiedene Arten von Pilzen und dadurch „riskanter zu sammeln“. 

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So erzählt Hartig die Geschichte von einer erfahrenen Pilzsammlerin, die dereinst mit acht verschiedenen Giftpilzen im Magen auf die Station gebracht wurde. Für den Fall, dass man nach einem Pilzgericht Unwohlsein oder gar Vergiftungserscheinungen spürt, solle man laut Hartig Nahrungsreste, zur Not auch Erbrochenes, zur Rekonstruktion in die Klinik mitnehmen. Telefonisch hilft auch eine der Vergiftungsinformationszentralen (VIZ). Allgemein gibt der Internist aber Entwarnung: „Das Risiko ist absolut kalkulierbar. Es gibt keinen Grund, Panik zu machen oder wegen der Gefahr auf Pilze zu verzichten.“

„Wirklich gefährlich wird es, wenn es sich um erfahrene Schwammerl-Sucher handelt.“

Frank Hartig, Internist

Wie man nun Pilze sammelt.  

Andreas Nussbaumer verrät für angehende Pilzesammler zwar keine guten Spots, jedoch die Bedingungen, die Speisepilze brauchen, um in großer Zahl aus dem Boden zu schießen: moosige Stellen, die von Feuchtigkeit und Sonneneinstrahlung begünstigt sind. 

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Bei der Pilzbestimmung müssen die Pilze übrigens mit Hut und Stiel vorgezeigt werden. Zu verdorbenen Pilzen, anhand von Fotos oder telefonisch dürfen der Experte und sein Team keine Auskunft geben. Da die Pilze ein wichtiger Teil des Ökosystems sind, soll man nur die Exemplare mitnehmen, die man zu verwenden gedenkt. Beim Ernten gilt es, sie entweder vorsichtig aus dem Boden zu drehen oder möglichst weit unten am Stiel abzuschneiden. 

 

Lieber Nachfragen. 

Die Pilzkulinarik ist übrigens die einzige Ausnahme der Lebensweisheit „Aufgewärmt schmeckt nur Gulasch gut“. Ist das Gulasch einmal gekocht, sollte man es nicht mehr erhitzen. Bei all den Freuden und Risiken des Jagens und Sammelns gilt: Am Ende zählen die Eigenverantwortung und die Bereitschaft, lieber einmal mehr nachzufragen.

Schwammerlschmaus zum Nachkochen

Unser 6020-MundArtkoch Flo Seidl hat in seinem
Rezeptbuch gestöbert und die Anleitung für himmlische Pilzravioli gefunden. 

Zutaten:

Teig: 300 g griffiges Mehl, 2 Eigelbe, 2 Eier, 1 EL Öl, 1 Prise Salz

 

Füllung: 300 g Pilze, zum Beispiel: Eierschwammerl und Steinpilze, 1 Zwiebel, 1 Knoblauchzehe, 1 kleiner Bund Petersilie, Pfeffer, Salz, Butter

 

Zum Anrichten: Butter und Parmesan

 

Außerdem: 1 Ei zum Bestreichen

 

 

Anleitung: 

1. Eigelb, Eier, Öl und eine Prise Salz verrühren und in das Mehl einarbeiten. Danach kneten, bis ein glatter Teig entstanden ist. Teig in Klarsichtfolie wickeln und in den Kühlschrank stellen. 

 

2. Für die Füllung die Pilze säubern und klein schneiden. 

 

3. Zwiebel würfeln und Knoblauch und Petersilie hacken. 

 

4. Zwiebel in Butter oder Oliven­öl anschwitzen, Pilze hinzugeben, anbraten und 5 – 10 Minuten dünsten lassen, bis die Schwammerl Wasser gelassen haben. Mit Salz und Pfeffer würzen, gehackte Petersilie unterrühren und abkühlen lassen. 

 

5. Den Teig teilen und mit dem Nudelholz zu zwei gleichmäßigen, dünnen Teigplatten ausrollen. 

 

6. Eine Teigplatte mit dem Ei bestreichen und die Pilzmasse mit einem Löffel im Abstand von 3 cm auf den Teig setzen. 

 

7. Zweite Teigplatte vorsichtig drauflegen, die Füllungen und den Rand leicht andrücken und mit einem Teigrad Vierecke ausradeln. Auf ein bemehltes Tuch legen. 

 

8. Die Ravioli in Salzwasser bissfest köcheln lassen. Die abgetropften Ravioli mit Petersilie, Parmesan und brauner Butter
anrichten.