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SEPTEMBER 2019

Coverstory

Ansagen, bitte!

Im Juli hat Innsbruck den Klimanotstand ausgerufen bzw. sich dazu bekannt. Reine Symbolpolitik oder effektives Instrument für Veränderung? Und welche Ideen haben die Parteien zum Thema? 6020 hat nachgefragt.

Der Antrag im Wortlaut (Auszug):

„Die Landeshauptstadt Innsbruck anerkennt den Klimawandel, den Wissenschaftler*innen schon seit Jahren attestieren, als zentrale städtische Herausforderung. Mit dieser Anerkennung unterstützt Innsbruck die internationale Bewegung, in welcher Parlamente und Verwaltungen den sogenannten ,Klima­notstand’ ausrufen.“ (Den gesamten Antrag gibt’s im Kurzprotokoll vom Gemeinderat im Juli auf innsbruck.gv.at nachzulesen.)

 

Die Abstimmung:

Grüne, FI, SPÖ, ÖVP, Tiroler Seniorenbund, Neos und ALI stimmten dafür, die FPÖ dagegen, Gerechtes Innsbruck meldete Stimmenthaltung an.

 

Mehr als ein Symbol?

Nicht wirklich. Der Klimanotstand ist in erster Linie ein Bekenntnis. Allerdings erhoffen sich zum Beispiel die Grünen, dass das derzeitige Bewusstsein – in der Bevölkerung wie in der Politik – dafür, dass etwas passieren muss, dabei hilft, auf Konkretes umzusetzen.

 

Was kann die Stadt tun?

Die großen Eckpunkte sind: Verkehr – der Individualverkehr wie der öffentliche –, der Wohnbau – also was Baustoffe und Energieversorgung anbelangt – und Begrünungen – von Bäumen auf öffentlichen Plätzen bis zu Fassadenbegrünungen von Häusern.

 

Die Sache mit den Bäumen:

Groß ist für gewöhnlich der Aufschrei, wenn ein öffentlicher Platz mit viel Beton und wenig Grün entsteht – oft zu Recht, oft ist die Sache nicht so einfach, wie sie scheint. Beispiel Landhausplatz. Bäume konnten hier nicht gepflanzt werden, weil sich unter dem Platz eine Tiefgarage befindet – Bäume können dort also nicht wurzeln. Dasselbe Problem steht Innsbruck übrigens bei Bozner Platz und Marktplatz bevor.

 

Außerdem:

Die Stadt Wien hat im Nachhinein herausgefunden, dass sie einige Bäume vor Durchzugsstraßen gepflanzt haben. Die Bäume spenden zwar Schatten, weil aber der Durchzug fehlt, konnte die Temperatur nicht gesenkt werden.

 

Was passiert als Nächstes?

Die Klima-Enquete soll zwischen Herbst und Frühjahr 2020 stattfinden, einen Termin gibt es noch nicht, eine Klimawandelanpassungsstrategie soll im Herbst vorliegen – ebenso wie erste Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Fassadenbegrünungen“, eine Stadtklimaanalyse soll im Herbst in Auftrag gegeben werden.

 

Was passiert bereits?

Zum Beispiel: Über das EU-Projekt Sinfonia arbeiten Nord- und Südtiroler Städte, wie zum Beispiel Innsbruck und Bozen, und 30 weitere Städte aus acht EU-Ländern zusammen, um unter anderem ihren Energieverbrauch und den CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Innsbruck macht sich über Sinfonia auch auf den Weg Richtung „smart city“ und setzt dafür Gebäudesanierungen sowie intelligent vernetzte Strom-, Kälte- und Wärmenetze mit einem hohen Anteil an Energie aus erneuerbaren Quellen um.

 27,5 Mio. €  

hat die EU in Sinfonia investiert

 

66.000 Quadtratmeter

smarte Fläche in Innsbruck

Uschi Schwarzl

Grüne

  • Harterhoffelder: Hier soll ein neuer Stadtteil entstehen – erstmals um den öffentlichen Verkehr herum, was künftig Vorbild sein soll
  • Klimawandelanpassungsstrategie kommt im Herbst
  • Stadtklimaanalyse im Herbst in Auftrag gegeben, Wärmepotenzialanalyse ist beschlossen
  • September: erste Ergebnisse Arbeits­gruppe Fassadenbegrünung

„Vorrang für den Öffentlichen Verkehr und Fahrräder, Energieeffizienz im Wohnbau und autofreie Siedlungen.“

Christoph Appler

ÖVP

  • Energieentwicklungsplan Innsbruck vorantreiben
  • Bewusstseinsbildung – jeder Einzelne kann etwas tun
  • Bei Fassadenbegrünungen städtische Gebäude zuerst
  • Wald aufforsten (z. B. Wald nach Lawine Nähe Arzler Alm wieder aufforsten), keine Monokulturen mehr
  • Die Frage klären, wie die IVB in der Zukunft noch umweltfreundlicher unterwegs sein können, Bsp. Wasserstoffantrieb
  • Intelligente Bushaltestellen, begrünt, mit Wasserdampf zur Abkühlung, Ladestation für Handy

„Uns ist es ganz wichtig, Anreize anstelle von Verboten zu schaffen.“

Theresa Ringler

FI

  • CO2-neutraler Betrieb des Stadtmagistrats, an Maßnahmen­paket wird gearbeitet (Antrag von FI eingebracht)
  • Klima-Enquete, Termin noch nicht fixiert (Antrag von FI eingebracht)
  • Bewusstseinsbildung durch eine Klimaschutzkampagne
  • Pilotprojekt „Kühle Meile“ wird geprüft (Antrag von FI eingebracht)
  • Erhaltung Grünflächen

 

„Wir setzen auf Akzeptanz und Zusammen­arbeit.“

Rudi Federspiel

FPÖ

  • Bauliche Verdichtung überdenken
  • Grüninseln, Innenhöfe und Parks erhalten, Betonplätze wie Landhausplatz wieder begrünen
  • Bei Fassadenbegrünungen städtische Gebäude (auch der IIG) zuerst
  • Sicherung Wasserreserven, mehr Trinkbrunnen
  • Große Herausforderungen bei Wäldern, insbesondere Schutzwäldern
  • Umstellungen der Landwirtschaft unterstützen

„Es ist populistische Panikmache, von einem ‚Klimanotstand‘ zu fabulieren.“

Elisabeth Mayr

SPÖ

  • Klares Bekenntnis zum Erreichen der Klimaziele bis 2030
  • Stadtklimaanalyse
  • Ökologische Themen und Projekte in der Bildung großschreiben
  • CO2-Steuer darf nicht die Kleinverdiener­Innen und Alternativlosen belasten. Statt­dessen jene Unternehmen in die Pflicht nehmen, die Emissionen im großen Stil produzieren
  • Alternative Bauweisen und Fassaden­begrünungen dürfen nicht zu Miet- bzw. Betriebskostentreibern werden
  • Steuerliche Anreize schaffen für ökologisches Konsumverhalten – vom Kaffeebecher über den Arbeitsweg bis zum Freizeitverhalten
  • Verkehr für Fußgänger, Fahrrad und Öffis weiter attraktivieren, besonders auch Überland
  • Veranstaltungen und Feste in der Stadt müssen durchgängig (!) Green Events werden
  • Den bestehenden Baumbestand im Stadtgebiet erhalten und erweitern

„Als elitäres Projekt wird die Klimawende scheitern.“

Mesut Onay

ALI

  • Flächen-, Dächer- und Gebäudebegrünung (dazu diverse Anträge eingebracht)
  • Hitzefrei für alle Mitarbeiter der Stadt im Außendienst
  • Aufträge nur an Baufirmen vergeben, die das umsetzen
  • Gemeindebau-Initiative, sozialer Wohnbau wirkt als Preisdämpfer und verhindert, dass große Immobilien­konzerne noch mehr zubetonieren
  • Mittelfristig ticketfreie Öffis für Innsbruck

„Die Klimakrise können wir nur stoppen, wenn wir sie mit sozialer Gerechtigkeit verknüpfen.“

Julia Seidl und Dagmar Klingler

NEOS

  • Unterstützung der Bildungseinrichtungen durch Investitionen in nachhaltige Produkte
  • Mehr Budget für Klimabündniskindergärten und Klima­bündnis­schulen
  • E-Carsharing um Platz für Radwege und Grünflächen schaffen, Seilbahnen als Zukunftslösungen
  • Nachhaltiges Bauen von Gebäuden der IIG, Umsetzung von ökologischen Baustoffen, insbesondere Holzbauweise
  • Umsetzung von Begrünungsmaßnahmen und Sicherung von Grünflächen zur Stadtkühlung bei Neubauten – dafür vermehrt in die Höhe bauen

„Es Braucht Maßnahmen im Bildungs­bereich, beim Bauen und der Mobilität.“

Thomas Mayer

Liste Fritz

  • Grund und Boden schonen und besser nutzen
  • Radwegenetz ausbauen
  • Öffis super attraktiv und kostenlos
  • Fassaden begrünen
  • Betonplätze in Innsbruck zumindest teilweise mit schattenspendenden Bäumen versehen, grüne Lungen erhalten
  • Busse nicht bis in die Innenstadt lotsen

„Die Ausrede, wonach das Wort ,Notstand‘ falsch sei und Panik hervorrufe, ist Unsinn, denn tatsächlich rennt uns die Zeit davon.“

Gerald Depaoli

Gerechtes Innsbruck

  • Ampeln: nicht jede ist notwendig
  • Ampeln außerhalb der Stoßzeiten auf Warnsignal umstellen
  • Wenn Verkehr schneller durch Stadt fließen kann und weniger Stehzeiten hat, haben wir auch weniger Schadstoffe
  • Begrünungen ja, aber ressourcenschonend (Fassadenbegrünung verbraucht viel Wasser)

 

© Julian Angerer, Hetfleisch, Axel Springer (2), Christian Forcher, ALI, neostirol, Liste Fritz, Gerechtes Innsbruck

„Ich habe mich bei der Abstimmung enthalten, weil ich mich an dem Wort ‚Notstand‘ gestört habe. Diese Formulierung ist für eine Tourismusstadt abschreckend.“