einbeißen möchte man, nicht nur drauf schlafen: Casper-Matratzen pflegen auf der eigenen Homepage (und auf allen erdenklichen Werbebannern) einen derart appetitlichen Auftritt, dass wohl nur appleverachtende Nerds dagegen resistent sind. Wer sie je im durchdesignten Grau-Weiß-Blau einer wolkenweichen Cremeschnitten-Erscheinung gleich auf seinem Bildschirm als Lösung seiner Schlafprobleme präsentiert bekam, hat es mit Sicherheit gespürt: Bei einer Casper-Matratze verbinden sich die Themen „Lifestyle“ und „Nachtruhe“ erstmals zu etwas Neuem, deutlich Jugendkompatibleren, als es eine klassische Matratze von Joka bis Ikea je gewesen ist.
One Mattress fits them All.
Aus dieser Lifestyle-Vision heraus haben 2014 sechs Businesspartner in New York das E-Commerce-Unternehmen Casper gegründet und
damit den Matratzenverkauf erstmals im großen Stil ins Internet transferiert. Verwirrende Auswahl und peinliches Probeliegen im grellen Mömax-Scheinwerferlicht entfallen damit, es gibt genau ein Matratzenmodell in sechs Standardgrößen von 80 x 200 bis 180 x 200. Dieses Modell soll – aufgebaut aus Memory- und Latexschaum – für jeden Körper geeignet sein. Im Interview mit der „Berliner Zeitung“ sprach Casper-Chef Philip Krim sogar vom „Mythos, dass unterschiedliche Schlaftypen unterschiedliche Matratzen brauchen“. „One Mattress fits them All“ ist dementsprechend die Casper-Philosophie und sie funktioniert, zunächst einmal monetär.
Seit August in Österreich erhältlich.
Die vom Unternehmen produzierte Matratze ist laut Homepage „die am häufigsten in
Amerika ausgezeichnete Matratze der letzten zehn Jahre“ und in den USA und Kanada ein Bestseller. Das junge Unternehmen beschäftigt weltweit mittlerweile 170 Festangestellte. Nach dem Launch im April 2014 konnte in den ersten 28 Tagen eine Million US-Dollar erwirtschaftet werden.
//Casper wurde so quasi über Nacht zur ernstzunehmenden Größe in einem Segment, das zuvor seit Jahren stagniert hatte. Im ersten vollen Geschäftsjahr betrug der Umsatz rund 100 Millionen US-Dollar. Es ist also nur logisch, dass dieses Matratzenwunder auch nach Europa exportiert werden wollte: Seit August 2016 liefert Casper in Deutschland, Österreich und in der Schweiz aus, die österreichische Casper-Facebook-Unternehmensseite listet mittlerweile schon mehr als 402.000 Fans.
Bei einer Casper-Matratze verbinden sich „Lifestyle“ und „Nachtruhe“ erstmals zu etwas Neuem.
Der Test
Um am eigenen Leib zu überprüfen, was am Matratzen-Hype dran ist, nutzte 6020 das Angebot, eine der ersten in Österreich ausgelieferten Matratzen zu testen.
Einmal denkt man, man Hätte die beste Matratze der Welt, ein anderes Mal wieder glaubt man, dass es die alte wohl auch noch getan hätte.
it 700 Euro Kaufpreis (160 x 200 cm) ist diese Casper-Matratze im oberen Mittelfeld der Matratzenpreise angesiedelt und spricht damit ein zahlungskräftiges, aber auch anspruchsvolles Klientel an. Wird die Matratze vor 14 Uhr bestellt, verspricht Casper eine kostenfreie Lieferung für den nächsten Werktag. Angeliefert wird die Matratze in einem Karton, der mit rund 30 Kilo zwar recht schwer, mit 53 x
51 x 104 cm Größe aber unglaublich kompakt ist. Zieht man die Matratze mit viel Muskelschmalz aus dem Karton, wird rasch klar, wie ein derartiges Größenwunder gelingen kann: durch Vakuumverpackung. Die Matratze ist gefaltet und gerollt, vor allem aber entlüftet wie eine Isomatte im besten Transportzustand.
Der große Aha-Moment stellt sich ein, wenn man mit der Schere vorsichtig die umgebende Plastikfolie aufschneidet und diese entfernt. Dann strömt zischend Luft in das Schlafwerk, Minuten später hat man eine vollwertige Matratze in einem Ausmaß vor sich, das man in einem derart kleinen Karton nie vermutet hätte. Der jetzt wahrnehmbare, leicht chemische Geruch ist laut Casper kein Grund zur Beunruhigung, da bei der Produktion alle europäischen Gesundheits-Normen zu 100 Prozent eingehalten werden und keine lösungsmittelhaltigen Klebstoffe zur Anwendung kommen. Gänzlich verschwunden sind diese Gerüche
dann zwar nicht wie versprochen nach ein paar Stunden im gut durchlüfteten Raum, aber immerhin nach einigen Tagen.
Liegegefühl wie in guten Hotels.
Der ersten Nacht auf der neuen Matratze steht also nichts im Wege, umso weniger, wenn man die in den Karton der Matratze eingepackten Grußbotschaften gelesen hat: „Gute Nacht“ wird einem da gewünscht, und „Schlaf gut“, was kann da schon schiefgehen. Das erste Liegegefühl ist zunächst gewöhnungsbedürftig, vor allem, wenn man von einer harten Matratze auf Casper gewechselt hat. Dann kann es passieren, dass man sich etwas verloren in der Weichheit fühlt, die sich rund um den Rücken ausbreitet. In der zweiten Nacht hat man sich schon daran gewöhnt, nun kommt so was wie ein Hotelmatratzenfeeling auf, das man von den Betten guter Häuser kennt. Weich sinkt man ein, fühlt sich wohlig aufgehoben und wer noch nie ein Rückenschläfer war, könnte es so werden. In der Seitenlage fühlt sich die Casper dann deutlich fester, fast schon hart, an. Von den nächtlichen Schonstellungen, die man eventuell über die Jahre gepflegt hat, wird man sich jetzt gerne verabschieden. Die nächsten zwei Wochen stehen dann ganz im Zeichen der Gewöhnung. Mal schläft man sehr gut, besser
vielleicht als mit der alten Matratze, dann wieder nicht so gut, gleich unruhig vielleicht wie früher: Das kann dann aber auch mit den Mondphasen zu tun haben oder dem Vespa-Fahrer mit getuntem Auspuff, der sein dummes Fahrzeug ausgerechnet um fünf Uhr früh um den Block Gassi fahren muss oder dem Liter „Schlafwohl-Tee“ kurz vor dem Zu-Bett-Gehen. Einmal denkt man, man hätte die beste Matratze der Welt, ein anderes Mal wieder glaubt man, dass es die alte wohl auch noch getan hätte.
Regelmäßiger Wechsel wichtig.
Hätte sie aber wahrscheinlich nicht: Wenn es stimmt, dass ein Mensch jede Nacht einen halben Liter Schweiß absondert und schon alleine deshalb ein Matratzenwechsel alle fünf, spätestens aber alle zehn Jahre ansteht, dann war es wohl in vielen Fällen schon hoch an der Zeit für einen Austausch der Schlafunterlage. Und der funktioniert mit der Casper-Matratze per Internet ungeahnt problemlos, genauso wie schließlich auch der Schlaf. Und falls doch nicht: Nach hundert Testtagen könnte man die Casper ja wieder abholen lassen und sein ganzes Geld zurückbekommen. Um die zehn Jahre Garantie auf das Schaumwolkending wird man dann allerdings umfallen.
So funktioniert Casper
Kundenanalyse
Über den Besuch auf der Casper-Homepage wird das Kundenverhalten analysiert. Verschiedene Kriterien wie Verweil-Dauer, Surfverhalten, Geschlecht, Alter oder Endgerät, mit dem die Seite besucht wird, werden in den Analysetools der Webseite gespeichert. Das ermöglicht es dem Unternehmen, optimierte Casper-Werbeinhalte auf andere, vom potentiellen Kunden besuchte Internet-Seiten auszuspielen und sie an die jeweilige Phase der Entscheidungsfindung anzupassen.
//Als reines E-Commerce-Unternehmen ist Casper in diesem inzwischen allgemein gebräuchlichen und als „User-Journey“ bezeichneten Prozess Meister: Wer einmal auf der Casper-Homepage war, wird das anhand unzähliger Folgewerbungen unter anderem auf der eigenen Facebook-Newsfeed bestätigen können.
Kauf & Lieferung
Wurde so die Kaufentscheidung pro Casper-Internetmatratze positiv beeinflusst und ist der Bestellvorgang via Internet abgeschlossen, verspricht Casper für Österreich die kostenfreie Lieferung am darauffolgenden Werktag, wenn die Bestellung vor 14 Uhr eingegangen ist.
//Die Matratze wird Vakuum-komprimiert in einer kleinen Box geliefert und entfaltet sich erst nach dem Auspacken. Der Kunde hat die Möglichkeit, die Matratze hundert Tage lang zu testen und bei Nichtgefallen gegen vollständige Erstattung des Kaufpreises zurückzugeben. Casper lässt sie per Boten abholen, um sie dann zu spenden oder zu recyceln.