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NOVEMBER 2019

Das Leben nach den Rauch­schwaden

Das Rauchverbot kommt. „Das ist gut für unsere Gesundheit“, sagt mein vernünftiges Ich. Mein rauchendes Ich sieht das anders: „Ausgerechnet beim Ausgehen auf Gesundheit achten?“ Ich muss wissen, wie andere rauchende Menschen darüber denken.

Fotos: Franz Oss
I

ch kann mich noch gut an einen teerschwarzhumorigen Spruch aus meiner Gymnasiumzeit erinnern: „Siehst du die Gräber da hinterm Klo? Das sind die Raucher von Marlboro. Siehst du die Gräber da hinterm Strauch? Das sind die Nichtraucher. Die sterben auch.“ Der Spruch passte zu meinem rebellierenden Möchtegern-Punkgehabe von damals. Die Erinnerung daran bringt mich zum Schmunzeln – vor allem, weil ich damals mit einer Schachtel Tschigg wochenlang auskam.

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Heute sind alle meine Zigaretten selbstgedreht. Im Vergleich zu früher rauche ich regelmäßig. „Aber eh nicht viel“, stellt das Süchtler-Ich klar. „Eine Packung reicht für 15 Tage, mindestens. Fast wie früher.“ Vernunft und Selbstzerstörung sind sich in einem Punkt übrigens einig: Rauchen hat in Restaurants nichts verloren. Beim Feierabendbier oder Clubben wird’s ohne Qualm allerdings komisch, stelle ich fest, als ich die Treppen in die Zappa Music Bar runtergehe.

„Ich mag mein Bier mit Zigarette. Aber ich habe eigentlich nichts gegen ein Rauchverbot.“

Eva, Zappa

Nichtraucher vs. Kunden.

Es ist Mittwochabend. Noch ist nicht viel los, langsam trudeln aber immer mehr Gäste ein. Viele packen Feuerzeug und Schachteln auf den Tisch. Passenderweise gab es hier zuvor eine Teamsitzung zum Thema Rauchverbot, weil die Umstellung mehrere Fragen mit sich bringt: Soll nun nach jeder Bestellung abkassiert werden, damit Rauchergruppen nicht das Lokal verlassen und die Zeche vergessen? Wie kommuniziert man das? Raucher unter Generalverdacht stellen, will schließlich niemand. „Ich finde es legitim, den Nichtraucherschutz zu verstärken“, sagt Matthias, der gerade seinen Bardienst antritt. Er ist selbst Raucher und wünscht sich mehr Autonomie: „Warum sollten Gastronomen nicht selbst über Verbot, Ausnahmen oder Raucherräume in ihrem Lokal entscheiden dürfen?“

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Ich denke an Lokale in Italien und Deutschland, wo das doch ganz gut zu klappen scheint: Rauchende Menschen im Kämmerchen, mit Selbstbedienung, wer nicht qualmt, ist somit auch in Sicherheit. Matthias hat recht, verdammt, warum soll’s kein Nebeneinander geben? „Ich mag mein Bier mit Zigarette“, sagt Eva. „Aber ich habe eigentlich nichts gegen ein Rauchverbot. In anderen Ländern funktioniert es doch auch.“ Sie kennt die Gastro-
branche: „Nach dem jahrelangen Hickhack ist es gut, wenn endlich klare Regeln gelten. Aber dass das Verbot so rasch kommt, verwundert mich. Da bleibt wenig Zeit für eine gute Vorbereitung.“ Ein Verbot in ferner Zukunft (soll sich doch mein Zukunfts-Ich dann damit rumplagen), etwa ab Mai nächsten Jahres, hätte ich psychologisch auch leichter verkraftet. Dann erklingt „Starman“ von David Bowie und die Welt ist wieder in Ordnung.

Don’t Smoke

Das Volksbegehren unterstützten 881.569 Menschen in ganz Österreich. Quelle: dontsmoke.at

Hauptsache kein Alkoholverbot.

Später am selben Abend herrscht im Toscana am Adolf-Pichler-Platz reger Betrieb. Wir kommen mit Katharina und Paul ins Gespräch. Letzterer ist übrigens Nichtraucher und wird sich bestimmt über das kommende Verbot freuen, nehme ich an. Aber er sieht’s gelassen: Es wird sicher angenehm, wenn die Lokale nicht mehr verraucht sind. Die Leute werden eine Bar auch nicht mehr nach diesem Kriterium aussuchen müssen.“ Persönlich hat er dabei aber keine Präferenzen: „Wenn andere rauchen, ist es mir ziemlich egal. Ich bin aber politisch gespannt, wie das Verbot umgesetzt wird und ob es auch so bleibt“, überlegt er. Und fügt noch ein schelmisches „So lange kein Alkoholverbot kommt“ hinzu.

GEMISCHTES DOPPEL: Katharina raucht, Paul nicht. Dem Rauchverbot sieht sie aber gelassen entgegen, solange niemand dafür an den Pranger gestellt wird.

„Ich bezweifle, dass eine Ver­botskultur ausschließlich als Fortschritt gewertet werden kann.“

Katharina, Toscana

Während ich mich frage, ob nun Alkohol, Zucker oder doch das Sitzen das neue Rauchen wird, sagt Katharina: „Wir kennen die skandinavischen Länder, die in dieser Hinsicht ein Vorbild sind, wir wissen, dass Rauchen der Gesundheit schadet und ein Rauchverbot im öffentlichen Raum konsensfähig ist“, fasst sie zusammen und dreht sich eine Zigarette. „Gleichzeitig bezweifle ich, dass eine Verbotskultur oder dieses ‚Jemanden an den Pranger stellen‘ ausschließlich als Fortschritt gewertet werden kann.“

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Das sehe ich genauso. Ich will doch bloß ein paar Bierchen zwitschern und mit Gleichgesinnten in Ruhe rauchen dürfen. Das macht mich noch lange nicht zur hassenswerten Babydelfinsteakesserin.

In Schweden ist seit heuer auch das Rauchen vor Lokalen untersagt. Das Land will bis 2025 rauchfrei sein. Quelle: derstandard.at, 2. Juli 2019

Am Ende der Freiheit.

An einem anderen Tisch sitzt eine größere Gruppe, die das Thema Rauchverbot debattiert – und gleichzeitig genussvoll Nikotin inhaliert. „Wir sind hier Stammkunden, also genießen wir’s, solange es geht. Wir verstehen aber, dass ein Verbot sinnvoll ist“, sagt Hanna.

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Mein vernünftiges Ich frohlockt, Hanna und ihre Freunde haben völlig recht. „Wie soll das aber in den Bögen gehen, wenn immer alle für eine Zigarette vor die Tür gehen?“, fragt sich Renée. Ein Thema, das viele Barbetreiber beschäftigt, ja nahezu aufwühlt, auch Toscana-Chefin Sabine. Ab November wird sie die Gesetze einhalten – „halt sehr, sehr ungern“. Und die Nachbarn? „Das Zusammenleben in unserem Haus ist friedlich, natürlich wollen wir, dass das so bleibt. Aber mit meinen Gästen vor der Tür schimpfen, damit sie ruhig sind?“, sinniert die Gastgeberin. „Nein, das möchte ich auch nicht tun müssen.“

im Promml oder Prometheus wurde bis zum Schluss geraucht.

Passiv­rauchen

erhöht das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, um 20 Prozent, das Schlaganfallrisiko um 80 Prozent. 40 Menschen sterben in Österreich täglich an den Folgen des Tabakkonsums. Drei davon durch Passivrauchen. Quelle: netdoktor.at, tirol.orf.at, 31.5.2018

Die Sache mit dem Lärmpegel.

„Das Verbot wird die Ausgehszene in Innsbruck zerstören“, sagt Kajetan. Boah, bitte nicht. Aber der Mann könnte recht haben: Innsbruck kann hie und da sehr lärmempfindlich sein, ein Rauchverbot die Lage verschärfen. „Dabei lebt das Herz einer Stadt doch auch von seinen Ausgehmöglichkeiten“, sagt der Kellner. Sein Kumpel Martin hat eigentlich kein Problem mit dem Rauchverbot: „Ich finde aber die Debatte etwas verlogen. Wenn wir wirklich und kohärent gesund leben möchten, gäbe es viele Probleme, die dringender zu lösen wären.“

Rauchfreies Babalon? Manche sehen es gelassen, anderen fehlt noch die Fantasie.

Im Babalon nicht zu rauchen klingt irgendwie falsch.

I will survive.

In einer meiner absoluten Lieblingsbars überkommt mich fast ein bisschen Wehmut. Im Babalon nicht zu rauchen klingt irgendwie falsch. Adieu, ihr tollen Gespräche, die bestimmt nur dank Kippe so tiefgründig und philosophisch waren. Wie soll ich das bloß überstehen? Die Antwort darauf hat Sebastian, der sich gerade vor der Marienstatue eine Zigarette anzündet. Ein Zeichen? „Ich rauche gerne, muss es aber nicht überall tun. Ich habe viele Freunde, die nicht in Raucherlokale wollen, und es wäre doch schade, sie nicht zu sehen. Das Verbot wird einiges verändern, aber es wird nicht das Nachtleben zerstören. Man gewöhnt sich an alles. Man muss das Thema nicht überschätzen.“ Sebastian? Danke.