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MAI 2020

Kultur

Vorüber­gehend geschlossen

Dass kulturelle Leistungen vor allem in Zeiten der Krise unverzichtbar sind, bleibt unbestritten. Dass es den Kulturvermittlern dennoch gerade jetzt nicht gut geht, zeigt ein Lokalaugenschein bei p.m.k, Treibhaus, Leokino & Cinematograph und der Bäckerei.

Fotos: Franz Oss
S

eit Mitte März ist schlagartig alles anders: Konzerte sind verboten, Kinosäle geschlossen, Kulturbetriebe samt lebendiger Gastronomie eingestellt und Plattformen für kulturellen Austausch zwangsweise ins Internet verbannt. Die Gründe dafür sind bekannt, der politische Aktionismus mit Fokus auf Vireneindämmung war bisher zumindest über weite Strecken nachvollziehbar.

Holpriger Neustart.

Ausgehend von den teilweise unbedachten und unkonkreten politischen Ankündigungen zum Neustart von Teilen der Kultur Mitte Mai fehlen den heimischen Kulturarbeitern inzwischen aber nicht nur die Perspektiven, sondern bald auch die finanziellen Mittel. 20 Quadratmeter Raum pro Konzertbesucher? Mindestens einen Meter Abstand im gut besuchten Kinosaal und vor den frequentierten Toilettenanlagen eines Open-Air-Kinos? Konzerte mit Maskenpflicht? Das alles hat zunächst mehr den Anschein aktionistischer Theorie denn gangbarer Wege aus dem kulturellen Shutdown.

Eigentlich gefährlich.

Dazu kommt, dass die Politik nicht in allen Bereichen gut informiert ist: Dietmar Zingl vom Innsbrucker Leokino kann zum Beispiel zu dem von Minister Werner Kogler und Staatssektretärin Ulrike Lunacek postulierten „freiwilligen Verzicht aller österreichischen Kinobetreiber auf Sommeröffnung“ nur den Kopf schütteln.

 

Das Gegen­teil sei der Fall, eine durchführbare Regelung für die Wiederaufnahme des Indoor-Be­triebes, vor allem aber auch für Open-Air-Kinos sei unumgänglich.

Runde(r) Tisch(e): Kulturdebatte in Zeiten der Krise

„Von einem freiwilligen Verzicht der österreichischen Kinos auf den Sommerbetrieb, wie von der Politik postuliert, kann keine Rede sein.“

Dietmar Zingl, Leokino

Norbert Pleifer, als Chef des Innsbrucker Treibhauses ein bekannt streitbarer Geist, würde sich von der Politik ein „gemeinsames Überlegen, wie wir das Jahr überstehen können“, wünschen und kein Verhandeln von unrealistischen Optionen. Die Mietzahlungen des städtischen Grunds, auf dem das Treibhaus steht, hat Norbert Pleifer auf jeden Fall derzeit ausgesetzt. Anhand der Tatsache, dass es nicht einmal darauf von der Stadt irgend­eine Reaktion gegeben habe, sehe man laut Pleifer, wie reduziert der Kontakt zwischen Politik und den städtischen Kulturbetreibern derzeit ist.

14.000 Euro Fixkosten.

Auch sonst zeichnen die Innsbrucker Kulturbetreiber ein teilweise düsteres Bild. Dietmar Zingl: „Es ist schwer zu sagen, wie lange wir als Leo­kino und Cinematograph die momentane Situation finanziell noch durchstehen können. Ich warte deshalb dringend auf Förderzusagen und Ausgleichszahlungen. Konkrete Gespräche dazu hat es bisher nicht gegeben.“ Die einzige Erleichterung für das Leokino seien die dank Entgegenkommen des Vermieters reduzierten Stehkosten, trotzdem koste jedes Schließmonat rund 14.000 Euro. Hier wünsche man sich von Seiten der Politik eine Übernahme der Fixkosten, bis man sie wieder selber einspielen kann.

 

Chris Koubek von der p.m.k. kann zumindest, was die laufenden Kosten betrifft, zur Zeit noch etwas entspannter agieren: „Aufgrund unserer Struktur als Veranstaltungs-Plattform für über 30 Kulturvereine, die ihre Veranstaltungen in der p.m.k eigenverantwortlich und zum Großteil professionell ehrenamtlich durchführen, halten sich die Einnahmeausfälle durch Veranstaltungsabsagen für die Basis der p.m.k in Grenzen.“ Auch sei der private Vermieter der Bogenräumlichkeiten der p.m.k. sehr entgegengekommen, indem er derzeit auf die Miete für den Veranstaltungsbereich verzichte.

„Es gab zwar schon einigen Schriftverkehr mit Stadt und Land, konkrete Gespräche und Zusagen stehen aber noch aus.“

Chris Koubek, p.m.k.

Dennoch funktioniere das alles nur unter der Annahme, dass die Subventionen weiter ausbezahlt werden. Chris Koubek: „Diesbezüglich gab es zwar schon einigen Schriftverkehr mit Stadt und Land, konkrete Gespräche und Zusagen stehen aber noch aus.“ Da für die Zeit des kulturellen Neustarts auch notwendige Basisregelungen noch immer fehlen, plant die p.m.k. bis Sommer, kulturelles Neuland zu betreten. Angedacht ist eine Art Ausstellungsbetrieb für multimediale Installationen in beiden p.m.k.-Bögen.

Verschieben oder absagen?

Unabhängig davon musste Chris Koubek aufgrund der Coronakrise bereits das von ihm mitveranstaltete Musikfestival „Heart of Noise“ im Innsbrucker Haus der Musik auf Anfang Oktober verschieben. Ob dieser Termin aber tatsächlich halten wird, hängt laut Koubek nicht zuletzt auch von konkreten Aussagen der Gesundheits- und Kulturpolitik ab.

 

Diese vermisst auch Norbert Pleifer. Das vom Treibhaus und dem Leokino gemeinsam ins Leben gerufene Open-Air-Kino im Zeughaus könne heuer zwar eventuell in den September ver­schoben werden. Dennoch müsse man rasch wissen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Auflagen man dann aufsperren könne oder eben auch nicht.

„ICH WÜNSCHE MIR EIN GEMEINSAMES ÜBERLEGEN, WIE WIR DAS JAHR ÜBERSTEHEN KÖNNEN UND KEIN VERHANDELN VON UNREALISTISCHEN OPTIONEN, DIE – GLAUBT MAN DIE AKTUELLEN INFORMATIONEN ZU CORONA – EIGENTLICH GEFÄHRLICH SIND.“

Norbert Pleifer, Treibhaus

Asolcija Mamaril von der Bäckerei – Kulturbackstube zeichnet ebenfalls ein durchwachsenes Bild der derzeitigen Zustände. Zum einen sei die Bäckerei durch ein Entgegenkommen des Vermieters zur Zeit mietfrei gestellt, zum anderen bräuchte es gerade jetzt dringend einen direkten Kontakt zur Kulturpolitik samt Unter­stützungszusagen. Asolcija Mamaril: „Hey, wie geht’s denn eigentlich euch? Diese Frage vermissen wir zur Zeit.“

Kulturelles Biedermeier?

Eine gewisse Skepsis, die Zeit nach der Krise betreffend, bleibt. Chris Koubek sorgt sich um ein neues kulturelles Biedermeier, das zwar schon vor Corona existierte, das jetzt aber möglicherweise befeuert wird. Wer sich einmal an die kostengünstige Bequemlichkeit des kulturellen Streamens von der heimatlichen Couch aus gewöhnt hat, wird vielleicht auch in Zukunft nicht mehr so oft auf Konzerte, in Kinos oder zu kulturellen Veranstaltungen gehen.

 

Auf das Gegenteil hofft Norbert Pleifer. Unter dem von ihm ausgegebenen Motto „Live ist live” glaubt er, dass es nur etwas länger dauern wird, bis das Publikum kulturelle Live-Events wieder positiv besetzen kann. Sein Silberstreif am Horizont: „Nicht nur Corona ist ansteckend, sondern auch Live-Musik und Theater.”

„Hey, wie geht’s denn eigentlich euch? Diese Frage vermissen wir zur Zeit.“

Asolcija Mamaril, Bäckerei

3 Fragen an

Uschi Schwarzl, Innsbrucker Stadträtin für Kultur

 

 

„Dass der unmittelbare Austausch leidet, darunter leide ich selbst sehr!“


Welche Unterstützungsangebote kann die Stadtpolitik den Kulturbetreibern unterbreiten? Uschi Schwarzl: Wir haben sofort nach dem Shutdown die Subventionsordnung so geändert, dass Ratenzahlungen vorgezogen werden können, und haben die Nachweisfristen als Voraussetzung für weitere Subventionen gestreckt. Darüber haben wir sämtliche SubventionswerberInnen informiert. Wir konnten aus frei werdenden Mitteln außerdem 100.000 Euro so umschichten, dass wir Arbeitsstipendien für KünstlerInnen ausschreiben, die ab Mai beantragt werden können.

 

Warum gab es bisher noch keinen fruchtbaren Austausch zwischen Stadtpolitik und Kultur­betreibern? Ich habe ab Mitte März zahlreiche Telefonate und Videokonferenzen mit Kultur­schaffenden geführt und bin im ständigen Austausch mit vielen InteressensvertreterInnen. Dass der unmittelbare Austausch leidet, darunter leide ich selbst sehr, weil ich in Nicht-­Corona-Zeiten fast jeden Abend bei einer Kultur­ver­anstaltung bin.

 

Gibt es kulturpolitische Pläne/Visionen für die Zeit nach der Krise? Eines ist mir ganz besonders wichtig: Der Fahrplan für den Kultur­strategieprozess 2030 wurde durch Corona nicht gestoppt, im Gegenteil. Und wir werden uns jetzt, wo nicht mehr gleich viele Menschen auf engem Raum sein dürfen wie früher, um mehr öffentlichen Raum für Kunst und Kultur bemühen müssen. Das halte ich zur Erhöhung der Lebensqualität in der Stadt aber ohnehin für ein wichtiges Ziel, an dem ich gemeinsam mit den Kunst- und Kulturschaffenden arbeiten möchte.