er die österreichische und deutsche Innenpolitik verfolgt, wird sich aktuell unter anderem mit folgender Frage beschäftigen müssen: Wie kann es sein, dass sich mündige Bürger, allen voran die Politiker der neuen Rechtsparteien, 74 Jahre nach dem Untergang des Dritten Reiches regelmäßig und mit befremdlicher Inbrunst in eine krude Gedankenwelt von ewiggestrigen Angst- und Machtfantasien verirren?
Drittes Reich lebt weiter.
Dieser Frage gehen Mohammad Farokhmanesh und Frank Geiger in ihrer Dokumentation „Kleine Germanen“ nach. Als Erklärung bieten sie vor allem die These an, dass es mit Ende des Zweiten Weltkriegs keinen durchgängigen ideologischen Bruch innerhalb der Gesellschaft gegeben habe. Heimkehrende Soldaten und dagebliebene Parteigenossen hätten in vielen Fällen die Gedankenwelt des Antisemitismus und der faschistischen Überlegenheit unreflektiert an ihre Kinder und Enkelkinder weitergegeben.
//Was passieren kann, wenn Erziehung freudvoll-kindliches Erleben mit politischer Indoktrination verbindet, zeigen Mohammad Farokhmanesh und Frank Geiger dann über den zentralen Handlungsstrang einer fiktiven deutschen Kindheit.
Kleine Germanen Dokumentation.
Deutschland 2018. 89 Minuten.
Regie: Mohammad Farokhmanesh, Frank Geiger
Formal wählen die Regisseure dazu einen animierten Cartoon, in dessen Mittelpunkt die junge Elsa steht: Als Kind der Siebzigerjahre hat sie mit dem geliebten Opa Soldat gespielt, dazu mit ausgestrecktem rechtem Arm „Für Führer, Volk und Vaterland!“ gerufen, fiktive Bolschewiken erschossen und dabei kindlichen Stolz entwickelt. Losgelöst vom schmerzhaften Erleben des Krieges wurden für Elsa so die Kriegserfahrungen des Opas zur Räuberpistole und menschenverachtender Judenhass zur lustvoll-furchterregenden Geistergeschichte. Heute blickt sie auf eine Kindheit zurück, die aus Lügen, Körper- und Demokratiefeindlichkeit gezimmert direkt zum Fremdenhass führte.
//„Kleine Germanen“ geht aber noch weiter. Der Dokumentarfilm führt über Interviews ins Zentrum der Mittelstandsgesellschaft. Dort befinden sich nicht nur die Galionsfiguren der Identitären Bewegung oder von Pegida. Hier sind schon wieder oder noch immer auch Mütter und Väter, die ihre Kinder im Geist einer demokratiefeindlichen Welt erziehen, ohne ihre Handlungen kritisch reflektieren zu können.
//Diesen Mechanismus inhaltlich und formal spannend erklären zu können ist die große Leistung von „Kleine Germanen“.