anche meinen lechts und rinks kann man nicht velwechsern werch ein illtum.“ Dieses vielzitierte Gedicht „lichtung“ von Ernst Jandl beschreibt einerseits exakt auch das Problem in der Unterscheidung zwischen katholischen Studentenverbindungen und schlagenden Burschenschaften. Sie werden massenhaft verwechselt. Je intensiver antisemitische und deutschnationale Umtriebe der einen diskutiert werden, desto stärker gerät die unangemessene Fehleinschätzung der anderen. Andererseits ist das von Jandl bemühte Links-Rechts-Schema vollkommen untauglich zur ideologischen Einordnung der Gruppen. Beide sind politisch betrachtet konservativ bis national, also eindeutig rechts der Mitte zu verorten. Die schlagenden Verbindungen gelten seit jeher als Hort der FPÖ, die katholischen fungieren traditionell als Kaderschmiede der ÖVP. Auch wenn beide Organisationen solch Parteinähe vehement dementieren, liefert ein Blick auf jeweils exponierte Mitglieder den Indizienbeweis für eine solche Behauptung. Ausnahmen bestätigen ebenso lediglich die Regel, wie Mädchen- bzw. Frauenverbindungen hier wie dort Ausnahmen geblieben sind.
//Was hatten Rudolf Kirchschläger und Kurt Waldheim gemeinsam? Was haben Günther Platter und Herwig van Staa gemeinsam? Es ist um einiges mehr als nur die Funktion des österreichischen Bundespräsidenten oder des Tiroler Landeshauptmannes. Sie waren bzw. sind allesamt im MKV. Platter als Ehrenmitglied der Innsbrucker Amelungia, van Staa schon als Schüler über die Traungau zu Wels. Als Student ging er dann auch noch zur Leopoldina Innsbruck. Aber die gehört zum CV.
Die Mittelschüler und der Cartellverband.
Hinter den Abkürzungen verbergen sich die größten Zusammenschlüsse von Studentenverbindungen in Österreich. Der Mittelschüler-Kartell-Verband (MKV) hat 20.000 Mitglieder, der Cartellverband (CV) 13.000. Sie vereinen 165 bzw. 49 so genannte Korporationen. Das sind traditionelle Männerbünde, deren Mitglieder sich bei vielen Anlässen auch in der Öffentlichkeit durch das Tragen von Farben ausweisen – quer über den Oberkörper gezogene, dreifärbige Bänder und die adäquate Kappe, die studentische Mütze, das Couleur. Ihre Spitzenrepräsentanten bzw. -abgeordneten, die Chargierten, treten bei besonderen Veranstaltungen in der so genannten Vollwichs auf: Auf dem Kopf ein kleines Käppchen, das Cerevis, dazu meist aus Samt und mit Kordeln versehene Jacken, den Flaus, enge, weiße Handschuhe und Hosen und Reitstiefel. Dazu noch der Paradeschläger, eine traditionelle studentische Fechtwaffe.
Was hatten Rudolf Kirchschläger und Kurt Waldheim gemeinsam? Was haben Günther Platter und Herwig van Staa gemeinsam?
Es sind vor allem diese Zutaten zur Vollwichs, die aktuell durch alle Tagesmedien geistern. Sie illustrieren dort Berichte über antisemitische Rückstände und Auswüchse in schlagenden Burschenschaften: Dabei handelt es sich um Studentenverbindungen – oft deutschnational orientiert, in denen nach wie vor gefochten wird; mit der klaren Absicht, einander zu verletzen. Die im MKV und CV zusammengeschlossenen Korporationen sind jedoch seit jeher katholisch und nicht schlagend. Ihre ältesten österreichischen Vertreter sind die 1876 gegründete Teutonia am Akademischen Gymnasium und die bereits 1864 entstandene Austria an der Universität Innsbruck.
Vom Liedersingen bis zum Biertrinken.
Ungeachtet ihrer anderen inhaltlichen Ausrichtung teilen diese Verbindungen neben den Kleidungsattributen – aber mit stumpfen Waffen – auch einige ritualisierte Veranstaltungsformen mit den schlagenden Burschenschaften. Das reicht vom Liedersingen bis zum Biertrinken. Genau diese Bräuche – von der Kneipe bis zum Kommers – machen die Konservativen mit den Rechten so verwechselbar.
Es ist letztlich der Kern ihres Tuns, der USP, das Alleinstellungsmerkmal, das sie von Schützen bis Serviceklubs unterscheidet. Sie wirken damit zwar vollkommen aus der Zeit gefallen, erhalten aber durch restaurative gesellschaftliche Trends neuen Aufwind. Heimat, Dirndl, Tracht – das entspricht durchaus dem Weltbild der Verbindungen. Das heile Landleben ist ein Sehnsuchtsort auch von Organisationen, die an Universitätsstädte gebunden sind.
//Deshalb ist der CV auch kleiner als der MKV – der mittlerweile größte Schüler- und Schulabsolventenverband Österreichs.Neben den zusammen rund 35.000 Mitgliedern dieser deklariert katholischen Verbände wirken die auf höchstens 4.000 geschätzten Angehörigen von eher völkisch orientierten Burschenschaften, Corps, Landsmannschaften, Sängerschaften, Pennal- und akademischen Verbindungen als geradezu vernachlässigbare Größe – wären sie aktuell nicht politisch überrepräsentiert.
Neben Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Infrastrukturminister Norbert Hofer sind auch die Kabinette der FPÖ-Ministerien durchsetzt von Burschenschaftern. Der CV hingegen, einst das Personalreservoir für ÖVP-Politiker, ist von Koalition zu Koalition schwächer in Regierung wie Nationalrat vertreten. Vielleicht ein Schritt zur Normalität. Denn „anders als in Deutschland, wo die Studentenverbindungen weitgehend als bessere Trachtenvereine angesehen werden, spielen sie in Österreich eine große Rolle“, berichtete zum Beispiel der deutsche Nachrichtensender n-tv erstaunt über den Einfluss der Studentenverbindungen.
//Diese heimliche Macht wird seit jeher bei der FPÖ den Burschenschaften und bei der ÖVP eher dem CV zugeschrieben. Letzteres vielleicht zu Unrecht. Denn stärker als dieser Akademiker-Zusammenschluss wirkt nicht nur zahlenmäßig der MKV. Er steht gemeinsam mit der Jungen ÖVP hinter der Schülerunion. Österreichs größte Schülerorganisation betont zwar immer wieder ihre Überparteilichkeit, ist aber längst eine Kaderschmiede der ÖVP. Je jünger der Kanzler, desto mehr.