erlässlich wie die Uhr steigt in Europa alle vier Jahre die Anteilnahme mit den USA vom flächendeckenden Desinteresse zum mediengetriebenen Mega-Hype. Die amerikanische Präsidentschaftswahl gilt nicht erst seit den beiden Change-Entscheidungen für Obama und Trump als „sexiest politics all around the world“. Dabei geht ebenso regelmäßig unter, dass an diesem Dienstag im November in „god’s own country“ neben der mächtigsten Person der Welt auch Tausende andere Kandidaten zur Wahl stehen: Gouverneure und Senatoren, Abgeordnete zum Repräsentantenhaus und zu den bundesstaatlichen Parlamenten, Richter, Polizeichefs und Bildungsausschussleiter. Alle zwei Jahre – auch bei den „midterm elections“ zur Halbzeit der vierjährigen präsidentiellen Amtsperiode – stellt sich ein Gutteil der US-amerikanischen Verwaltung zur Abstimmung. Die Wahlzettel umfassen vielerorts mehrere Dutzend Kandidaten.
//Wählen „all inclusive“, diese Jahrhunderte alte Tradition, ist dennoch nicht auf einen Tag im Abstand von Biennien beschränkt. 37 Bundesstaaten ermöglichen „early voting“ zum Teil bereits viele Wochen vor dem eigentlichen D-Day. Bis zu einem Drittel der zuletzt rund 125 Millionen abgegebenen Stimmen kommt auf diese Weise zustande. Ein weitestgehendes Entgegenkommen an die Bürger, dem schon vor 172 Jahren die Wahl des Wahltags entsprungen ist: Die Ernte sollte schon eingebracht sein, aber der Winter noch nicht da – weil Schlechtwetter vom Abstimmen abhalten könnte. Der Sonntag fiel als Tag des Herrn von vornherein aus, der Montag galt als Anreisetag zum oft weit entfernten Wahllokal.
Acht der 21 Nationalratswahlen seit 1945 waren früher als geplant.
Donnerstag als Parlamentswahltag der Briten ging aufgrund des Stolzes der noch jungen Nation gar nicht, und Freitag galt der Vorbereitung auf den Markt am Samstag. Um den 1., den allmonatlichen Gerichtstag, ebenso zu vermeiden wie Allerheiligen kam es dann zur bis heute gültigen Formel vom Dienstag nach dem ersten Montag im November.
Von den USA nach Oberösterreich.
Ganz so ausgeklügelt war es in Oberösterreich nicht. Doch dort sind sie schon in den 1950er-Jahren aus dem Fünf-Jahres-Rhythmus ausgeschert, der ansonsten für alle Landtagswahlen gilt. Durch den Wechsel auf die ansonsten Kommunen kennzeichnende sechsjährige Periode wurde ob der Enns seit dem Zweiten Weltkrieg erst 13-mal, in Tirol hingegen schon 16-mal das Regionalparlament gewählt. In Paarung mit einem Proporz, der aktuell alle vier im Landtag vertretenen Parteien auch mit Regierungssitzen ausstattet, entsteht so auch eine ungewöhnliche personelle Kontinuität. Josef Pühringer ist dort erst der vierte auf Basis einer Landtagswahl gekürte Landeshauptmann seit 1945, Günther Platter in Tirol schon der achte. Oberösterreich wählt auch alle Gemeinderäte und Bürgermeister zugleich mit dem Landtag.
In Tirol hingegen hat Innsbruck alle sechs Jahre schon einen anderen Wahltermin als die anderen Gemeinden, und der Landtag wird in fünfjährigem Abstand neu bestimmt, wonach seit 1999 ohne Proporzsystem eine neue Landesregierung entsteht. Durch dieses Wechselspiel mit Opposition statt Einbindung möglichst vieler Kräfte ist das System „ein Wahltag“ noch weniger wahrscheinlich als ohnehin geworden. Denn in Ermangelung des Prinzips Proporz sind frühzeitige Koalitionsenden deutlich wahrscheinlicher als bei den Quasi-All-Parteienregierungen, die – ausgenommen Ober- und Niederösterreich – überall abgeschafft wurden oder soeben werden (Kärnten). Dann für allfällig vorgezogene Neuwahlen auf regionaler und kommunaler Ebene abgestimmte Regelungen zu finden, erscheint in einer eingespielten Machtbalance zwischen den regionalen und kommunalen Verwaltungsebenen höchst kompliziert. Die Verlängerung der Legislaturperiode des Nationalrats seit 2008 ist allerdings nahezu geräuschlos vollzogen worden. Damit haben er und acht Länder zumindest den gleichen Abstimmungsrhythmus. Der Teufel liegt dennoch im Detail: Wenn eine Ebene außer Takt gerät, darf sie nicht alle anderen mitreißen. Acht der 21 Nationalratswahlen seit 1945 waren früher als geplant.
Umfragen statt Abstimmungen.
Ein gemeinsamer Wahltag schont die Ressourcen von Bürgern und Parteien. Die einen müssen nicht dauernd zur Urne, die anderen nicht permanent um Stimmen kämpfen.
In der Schweiz mit ihrer stark ausgeprägten direkten Demokratie ist es aber genau umgekehrt. In der erst 15 Monaten währenden 50. Legislaturperiode der Bundesversammlung gab es dort bereits fünf Abstimmungstage zu 16 Initiativen. Der mündige Bürger ist dort dauernd gefragt. Das geschieht zwar auch in Österreich – doch bloß in Form von Meinungsumfragen. Bei den Eidgenossen hingegen sind alle drei Monate wirkliche Entscheidungen zu treffen. Diese direkte Demokratie erfordert allerdings ein grundsätzlich anderes Politikverständnis, als Österreich es mit seiner Tradition der repräsentativen Demokratie hat.
//Die Zusammenlegung der Tiroler und Innsbrucker Wahl drängt sich bloß auf, weil zufällig eine fünf- und eine sechsjährige Dienstzeit zugleich enden. Ob daraus ein Prinzip entstehen kann, wird erst diskutiert, wenn die Wahlbeteiligungen derart sinken, dass sie die Legitimierung der Gewählten als Volksvertreter infrage stellen. Dann steht das System „ein Wahltag“ ebenso auf der Agenda wie Online-Voting, das Angebot vorgezogener Wahltage und ein Mehrheitswahlrecht. Wenn es um das größtmögliche gemeinsame demokratische Ganze geht, ist lediglich Unbeweglichkeit ein Tabu.