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JULI 2019

Herr Kogler sucht das Immergrün

Es grünt so grün, wie es parteilich kaum noch grüner grünen kann. Das lässt von Rot bis Pink über Schwarz zu Türkis und Blau allesamt ergrünen. Also wird für die Pioniere der Klimapolitik nicht diese, sondern schon eine Kanzlerschaft die K-Frage – zumindest in Deutschland. In Österreich lockt eine Vize-Option.

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erner Kogler weiß um die Wichtigkeit von Symbolen. Also trug er zwei Abende nach Bekanntgabe seiner Kandidatur zum grünen Spitzenkandidaten bei der Nationalratswahl  wieder einen Anzug bei „Im Zentrum“. Nicht, weil die Studio-Klimatisierung des ORF so stark kühlt, sondern weil die neue Aufgabe neue Bilder braucht. Denn Wien ist weder Straßburg noch Brüssel und Werner Kogler weder Stefan Kaineder noch Nina Tomaselli. Doch der Generationenwechsel vom 57-jährigen Steirer zu den 23 Jahre jüngeren Bundessprecher-Stellvertretern aus Oberösterreich und Vorarlberg muss noch warten.

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Die letzte grüne Allzweckwaffe will wieder dorthin, wo sie schon von 1999 bis 2017 war – ins österreichische Parlament. Rotationsprinzip? Das ist, wenn einer nach fünf Gesetzgebungsperioden aus dem Nationalrat fliegt, um schon nach zwei Jahren wieder reinzukommen. Jetzt, im All-Time-High. Zumindest in Deutschland. Von dieser neuen grünen Welle vor allem profitieren die Austro-Ökopaxe, die uns soeben noch weismachen wollten: Damit Europa noch einmal schnell die Welt retten könne, brauche es vor allem die Hemdsärmeligkeit des Werner Kogler als Abgeordneter im EU-Parlament.

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Mit 14 Prozent haben Österreichs Grüne dort fast ihr Ergebnis von 2014 wiederholen können und werden im Falle eines Brexits auch ihr drittes Mandat von damals wiederbekommen. Doch wichtiger noch war der Charakter dieser Wahl für sie – eine innenpolitische Abrechnung nach dem Ende der türkis-blauen Regierung Kurz oder auch bloß des Kabinetts Kurz #1. Seitdem gilt der Wiedereinzug in den Nationalrat nach der Wahl am 29. September für die gendergerechte Truppe hinter ihrem Urgestein bloß noch als Formsache.

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Also belässt Kogler seine europäische Hemdsärmeligkeit in Situationselastizität und trägt heimatwahlkampfspezifisch auch wieder Anzug. Vizekanzler-prophylaktisch sozusagen. Zumal in Deutschland die Grünen wenigstens in Umfragen bereits die stärkste Partei sind, deren Beobachter sich mittlerweile vor allem damit beschäftigen, wer denn der/die K-Kandidat­In wird. Denn für die erfolgreiche Doppelspitze Robert Habeck und Annalena Baerbock heißt es spätestens vor dem Berliner Kanzleramt: EineR muss draußen bleiben.

Schnittmuster Ballhausplatz.

So weit sind sie bei uns noch nicht. Aber mit einem Ergebnis wie bei der Europawahl würde sich im Herbst immerhin auch eine türkis-grüne Koalition – nach Mandaten – im Nationalrat aus gehen. Das wirkt rechnerisch hundert Tage vor der Wahl zumindest noch wahrscheinlicher als eine Variante, die vor dem Ibiza-Video greifbar schien: Rot-Grün-Pink. Doch während den möglichen Juniorpartnern für einen solchen Dreier als Alternative zu Neuauflagen von Schwarz-Rot oder Türkis-Blau jeweils zehn Prozent zuzutrauen sind, schwächeltdie allfällige Zuglok der Sozialdemokratie. Wie in Deutschland.

Werner Kogler trägt heimatwahlkampfspezifisch wieder Anzug. Vizekanzler-prophylaktisch sozusagen.

Also mit Vollgas in Richtung einer Vernunftehe mit der Volkspartei unter Kanzler Sebastian Kurz – der umgekehrten Juniorpartnerwende wie in Oberösterreich, wo nach der ersten schwarzgrünen De-Facto-Koalition (OÖ hat eine Proporzregierung) auf Landesebene seit 2015 die ÖVP mit der FPÖ zusammenarbeitet? Kogler sagt dazu im Interview mit Michael Sprenger für die Tiroler Tageszeitung: „Nein, hierzu fehlt mir jegliche Fantasie. Da müsste Kurz noch einen langen Weg zurücklegen.“ Absagen klingen anders, und die guten schwarz-grünen Erfahrungen der westlichen Bundesländer wären ein starkes Druckmittel in diese Richtung. Sie könnten aus ÖVP-Perspektive sogar die inhaltlich stärkere Überschneidung mit den Neos überwiegen – falls es sich auch mit ihnen ausginge. Da­gegen spricht allerdings die daraus entstehende innere Zerreißprobe der Grünen, deren linker (Wiener) Flügel Ideologie vor Machtoption stellen würde. Eingedenk der jedes Wort überragenden Bildwirkung trägt Kogler dennoch vorbeugend wieder Anzug. Schnittmuster Ballhausplatz.

In der Mitregierungsfalle.

Die Grünen stecken wie die Neos in der Mitregierungsfalle. Denn eine der beiden kleineren Parteien wäre für Kurz das kleinste Übel, wenn er die insgeheim angestrebte absolute Mehrheit nicht schafft. Die Koalitionskarotte in Bissweite, gewinnt dann jeweils Taktik die Oberhand. Das war bei den Neos die Anbiederung durch Nicht-Mitstimmen beim Misstrauensvotum. Das ist bei den Grünen der Verzicht Koglers auf den mit 70.000 Vorzugsstimmen erreichten Sitz im Europäischen Parlament. Beides kostet Glaubwürdigkeit.

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Für die Grünen steht jedoch noch mehr auf dem Spiel: Ihr gerade erst begonnener Umbau wird durch die drei Jahre vorgezogene Wahl unterbrochen – durch das falsche interne Signal. Kogler an der Spitze wirkt wie ein Aufruf zur Wiederbetätigung an jene Altvorderen, deren Unvermögen die Partei nur ein Jahr nach ihrem bisher größten Triumph – der Bundespräsidentschaft ihres Ex-Chefs Alexander Van der Bellen – aus dem Nationalrat gekickt hat.

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Gerade weil Grün im grundsätzlichen Aufwind ist, wäre ein Generationswechsel aktuell so gefahrlos wie nur selten. Mit einer Doppelspitze à l’allemande – am besten die 34-Jährigen Stefan Kaineder und Nina Tomaselli – hätte Kogler das EU-Mandat annehmen und im Hintergrund helfen können. So wie es ein Jürgen Trittin in Deutschland tut. Für die Beantwortung einer allfälligen Vize-K-Frage wäre er dadurch dennoch nicht aus dem Spiel. Wenn sie sich denn überhaupt stellen sollte. So aber wirkt das Ganze, als würde Georg Willi in der Tirol-Wahl 2023 zuerst als Landeshauptmann-Kandidat die Liste anführen, um sich nach dem „Leider doch nicht“ 2024 als Innsbrucker Bürgermeister wiederwählen zu lassen: das mühsame Machtstreben einer „Altpartei“ (© Jörg Haider).