Wir empfehlen
FEBER 2020

Stadt im Fluss

Obwohl er Innsbruck seinen Namen gegeben hat, spielt der Inn – Hochwasser-Zeiten ausgenommen – im Alltagsleben der Stadtbewohner so gut wie keine Rolle. Im Bereich zwischen Innbrücke und Universitätsbrücke soll sich das bald ändern.

Fotos: Axel Springer, Happy Valley, Koechler Josef, das grüne herz
D

er Inn ist gewissermaßen ein Stiefkind der Stadt: Früher wichtig für den Transport, ist er mittlerweile hauptsächlich eine mehr oder weniger pittoreske Barriere, die die Stadt in Nord und Süd trennt. Dass ein Fluss wesentlich mehr für eine Stadt sein kann, zeigen Beispiele wie München, Basel und Graz, wo Flüsse aktiv in das Stadtleben integriert werden: In München ist die Isar das beliebteste Freibad der Stadt, in Basel wird im Rhein gebadet und jeden Sommer mit „Im Fluss“ ein mehrwöchiges Musik-Festival auf einer schwimmenden Bühne gefeiert, in Graz werden bis 2022 die Flussufer der Mur neu gestaltet und Projekte wie eine Surf- und Kajak-welle, eine als Arena gestaltete Verbindung zwischen der Mur und dem Augartenpark („Murarena“) und durchgehende beleuchtete Radwege entlang des Flusses umgesetzt. 

Ungenütztes Potenzial.

Auch der Inn und seine Ufer haben das Potenzial, einen wichtigen Erholungs- und Freizeitraum für die Bewohner und Besucher von Innsbruck zu bieten – das weiß auch die Stadtplanung, die schon länger damit beschäftigt ist, hier etwas weiterzubringen. „Der Inn taucht seit Jahrzehnten immer wieder in Gesprächen auf, aber es hat sich bisher meist nicht viel getan, weil es oft nicht ganz einfach ist, passende Lösungen zu finden“, sagt Wolfgang Andexlinger,
Leiter des Amtes für Stadtplanung, Stadtentwicklung und Integration der Stadt Innsbruck.

„Es geht um die Frage, wie man diesen Raum für die Bewohner der Stadt aufwerten, verbessern und zugänglicher machen kann.“ 

Wolfgang Andexlinger, Stadtplanung Innsbruck 

 

 

Im Abschnitt zwischen Innbrücke und Unibrücke (samt Marktplatz, Markthalle, baufälliger Hochgarage und bald leer stehender Landespolizeidirektion) hat man inzwischen allerdings ein Areal gefunden, in dem man Innsbruck tatsächlich näher an den Inn bringen kann – auch, weil dieser Bereich eine der wenigen Flächen ist, die noch der Stadt gehören und deshalb relativ frei gestaltet werden kann, erklärt Andexlinger.

// 

In den nächsten Jahren soll hier ein vielfältig nutzbarer, neuer öffentlicher Raum entstehen, der in Bezug zum Wasser steht. Wie genau dieser Raum aussehen soll, wird bereits in den nächsten Wochen und Monaten diskutiert werden. Das Ziel ist, im Laufe des Jahres ein ganzheitliches Konzept samt Fahrplan festzulegen, um dann in den folgenden Jahren erste konkrete Schritte umsetzen zu können. 

„Unser Ziel war nicht, Ergebnisse zu bekommen, die wir 1:1 realisieren – wir haben das immer ganz klar als Ideenwettbewerb tituliert.“

Wolfgang Andexlinger, Stadtplanung Innsbruck 

Stadt im Fluss

Happy Valley.

Im britischen Entwurf steht ebenfalls die gestalterische Aufwertung der Promenaden und das Vernetzen einzelner Orte und Lebensstile im Vordergrund. Mit Ideen wie der Überbauung der Markthalle mit einer begehbaren Struktur und einer teilweisen Überdachung des Marktplatzes sollen Möglichkeitsräume geschaffen und der Stadtraum erweitert werden. 

 

Neben Sportflächen und Erholungsraum soll ein neues Gebäude anstelle des Parkhauses Platz für Pop-up-Stores und Co-Working-Spaces bieten – Leben, Arbeiten und Wohnen sollen im Sinne einer produktiven Stadt zusammengeführt werden.

Stadt im Fluss

Der Inn als Öffentlicher Raum.

„Jetzt geht es um die Frage, wie man diesen Raum für die Bewohner der Stadt aufwerten, verbessern und zugänglicher machen kann“, sagt der Stadtplaner. Um herauszufinden, wie das funktionieren könnte, hat man sich entschieden, beim internationalen Architekturwettbewerb EUROPAN15 mitzumachen: Unter dem Thema „Ran an den Inn“ wurde den Teilnehmern die Aufgabe gestellt, Vorschläge für die Gestaltung des Gebiets vom Marktplatz bis zur Universität zu entwickeln.

// 

„Die visionäre Sicht geht natürlich in die Richtung, dass man sich dem Wasser nähern könnte, realitätsnahe betrachtet erscheint es im Moment aber als sehr schwierig, dass man die Distanz zum Wasser überbrücken kann, weil der Inn sehr schnell steigt und es Hochwasserschutzbestimmungen gibt, an die man sich halten muss“, erklärt Andexlinger – eine große Herausforderung sei deshalb, Wege zu finden, wie man trotzdem Bezug zum Wasser schaffen kann.

Internationale Ideen.

Aus den mehr als 30 eingereichten Projekten wurden mit „das grüne herz“ (studio.alt, Madrid) und „Happy Valley“ (Mcmullan Studio, London) zwei ausgewählt, die man sich jetzt näher anschauen wird. Dass es keinen eindeutigen Sieger gibt, sei laut Andexlinger kein Nachteil:

Beide Einreichungen schlagen vor, mit einer Brücke im Bereich der alten Markthalle eine neue Verbindung zwischen den Ufern zu schaffen.

Wolfgang Andexlinger, Stadtplanung Innsbruck 

Stadt im Fluss

das grüne herz.

Kernpunkte des spanischen Vorschlages sind die qualitative Aufwertung der Innpromenaden durch Plattformen, die über den Inn hinausragen, die Schaffung eines neuen Platzes anstelle der Hochgarage und die Entwicklung von funktionalen Beziehungen u. a. zur Universität und zur Klinik – in diesem Zusammenhang ist neue Infrastruktur für studentisches Wohnen, soziale Einrichtungen und Übernachtungsmöglichkeiten für Eltern, die Kinder in der Klinik haben, im Bereich der Landespolizeidirektion angedacht. 

Stadt im Fluss

„Realitätsnahe betrachtet erscheint es als sehr schwierig, dass man die Distanz zum Wasser überbrücken kann, weil der Inn sehr schnell steigt und es Hochwasser-schutzbestim-mungen gibt, an die man sich halten muss.“  

Wolfgang Andexlinger, Stadtplanung Innsbruck 

 

„Unser Ziel war nicht, Ergebnisse zu bekommen, die wir 1:1 realisieren – wir haben das immer ganz klar als Ideenwettbewerb tituliert, und diese Ergebnisse bilden eine sehr gute Grundlage, mit der wir jetzt sowohl mit der Bevölkerung als auch mit der Politik einen Diskussionsprozess starten können.“

// 

Beide Projekte versuchen, das Areal als lebendigen, offenen Gesellschaftsraum für alle zu gestalten, betont Stadtplaner Philipp Fromm, der den Wettbewerb zusammen mit Wolfgang Andexlinger betreut – man solle den entstehenden Raum im Prinzip fast als erweitertes Wohnzimmer verstehen können. Die konkrete Gestaltungsidee variiert natürlich, aber manche Punkte überschneiden sich auch – beide Einreichungen schlagen beispielsweise vor, mit einer Fußgänger- und Radfahrer-Brücke im Bereich der alten Markthalle eine neue Verbindung zwischen den Ufern zu schaffen, sowohl den alten als auch den neuen Teil der Markthalle zu behalten und die Uferpromenaden qualitativ aufzuwerten.

// 

Der letzte Punkt könnte aufgrund der Verhältnisse am Fluss einer der schwierigsten werden, meint Fromm. Auch deshalb sei es wichtig, dass man sich die Zeit nehme, über die Vorschläge zu diskutieren – nur so könne man ein Konzept bekommen, das tatsächlich umsetzbar sei.

 

„Ran an den Inn“

Von 3. bis 15. Feber werden die sechs besten EUROPAN15-Projekte im Raum für Stadtentwicklung in der Stadtbibliothek gezeigt, wo am 6. Feber um 18 Uhr auch eine für alle zugängliche Infoveranstaltung zum Thema stattfindet.