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FEBER 2018

Die Heraus­forderer

Noch bis 23. März können Wahlvorschläge für die Innsbrucker
Gemeinderatswahlen eingebracht werden. 6020 hat sich mit jenen neuen bzw. kleinen Parteien unterhalten, die sich bereits entschieden haben anzutreten.

Fotos: Axel Springer, Franz Oss, Neos, Emanuel Kaser

Zwei Herren vom Kiosk 

 

Gerechtes Innsbruck: Gerald Depaoli und Georg Angermair treten erstmals in Innsbruck an.

 

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inigen ist er bestimmt aufgefallen, der „Bürgerkiosk“ in der Mariahilf­straße, in dem Gerechtes Innsbruck bisher sein Büro hatte. Mittlerweile mussten Georg Angermair und Gerald Depaoli, die Gründer der Bürgerbewegung – nicht der Partei, wie sie betonen –, den Kiosk räumen. Der war früher nämlich eine Trafik und steht auf Stadtgrund. Der Trafikant hatte den beiden den Raum überlassen.

Dies sei jedoch illegal, befand die Stadt, außerdem solle der Kiosk im Rahmen der Neugestaltung Mariahilfplatz/-straße ohnehin abgerissen werden.

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Eine Strafe musste Gerechtes Innsbruck kürzlich zahlen, weil sie das Stadtwappen auf Flyern und ihrer Facebook-Seite verwenden. Es ist auch auf dem nun mobilen Bürgerkiosk, einem Bus mit Anhänger, zu sehen. 

„Drüberfahr-Mentalität“.

Bei den Gemeinderatswahlen tritt Gerechtes Innsbruck an, um „das bestehende System aufzubrechen“. Vor allem mit der „Drüberfahr-Mentalität“ der Stadtregierung und der „Pseudo-Bürgerbeteiligung“ hat man ein Problem.

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„Bei den Stadtteiltagen wurden Anregungen aus dem Publikum zwar brav mitgeschrieben, umgesetzt wurde aber nichts, und am Ende wurde den Bürgern das Ergebnis doch wieder nur aufs Auge gedrückt“, bemängelt Gerald Depaoli, der für Gerechtes Innsbruck als Spitzen- und Bürgermeisterkandidat antreten wird.

„Viele Menschen in der Stadt sind unzufrieden damit, wie es derzeit läuft, unsere Facebook-Seite hat knapp 5.000 Likes.“

Gerald Depaoli, Spitzenkandidat Gerechtes Innsbruck

„Ich kann Spitzen- und Bürgermeister­kandidat werden, das muss aber nicht sein.“

Mesut Onay, Gründer Alternative Liste Innsbruck (ALI)

Aus alt mach alternativ

 

ALI: Die Alternative Liste Innsbruck rund um Listen-Gründer Mesut Onay (hinten Mitte).

 

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ine schlechte bzw. aufgeheizte Stimmung in der Stadt ortet auch Mesut Onay, Gründer der Alternativen Liste Innsbruck (ALI): „Immer mehr Menschen fühlen sich von der Politik über- und hintergangen – bei großen Entscheidungen wie auch im Alltag.“

 

Bis November 2017 war Mesut Onay Teil des Grünen Gemeinderatsklubs. Dann wurden zwölf Jahre alte Vorwürfe sexueller Belästigung gegen Onay wieder laut, die Innsbrucker Grünen wollten ihn aus dem Gemeinderatsklub ausschließen. Onay verteidigte sich mit der Aussage, er habe sich bei der Betroffenen entschuldigt, und zudem sei der Vorfall seit Jahren in der Partei bekannt gewesen.  

Willi, der Vermittler.

Grünen-Spitzenkandidat Georg Willi vermittelte, eine Entschuldigung an Onay folgte. Er ist seitdem dennoch nicht mehr Klub-mitglied und sitzt derzeit als freier Mandatar im Innsbrucker Gemeinderat. Dann kam der Entschluss, mit einer eigenen Liste anzutreten. Dass der besagte Vorfall ihm und seiner neuen Liste schaden könnte, glaubt Mesut Onay nicht:„Die Vorkommnisse um meine Person zeigen gerade, wie es in den alten Parteien zugeht. Dem Kampf um Listenplätze und Macht wird alles untergeordnet.“

Pinkes Potenzial

 

NEOS: Auch die Pinken wollen es in der Landeshauptstadt wissen.

 

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ie Partei NEOS – Das Neue Österreich und Liberales Forum – wurde 2012 gegründet, 2013 trat sie bei den Nationalratswahlen an und schaffte den Einzug ins Hohe Haus.

In Tirol treten  die Pinken bei den Landtagswahlen im Feber und den Gemeinderatswahlen im April zum ersten Mal an. Und warum? „Wir möchten Innsbruck zur lebenswertesten Landeshauptstadt Österreichs machen“, erklärt Spitzenkandidatin Dagmar Klingler-Newesely, Direktorin der VS Hötting.

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Für die NEOS brauche es in der Stadt ein „klares Bekenntnis zum Bildungs- und Universitätsstandort und eine Attraktivierung der Stadtteile im Rahmen aktiver Beteiligungsprozesse.“ Wie die anderen neuen oder kleinen Parteien im Rennen um die Sitze im Gemeinderat lassen auch die Pinken kein gutes Haar an der aktuellen Stadtführung:„Gerade weil in den letzten Jahren eine Politik des Drüberfahrens eingerissen ist, werden wir in unserem Selbstverständnis einer liberalen Bürgerbewegung nicht länger zusehen, sondern aufstehen und aktiv mitgestalten.“

„Wir streben den Einzug in den Gemeinderat mit Klubstärke an.“

Dagmar Klingler-Newesely, Spitzenkandidatin NEOS

„Ich bin Spitzenkandidat und will mindestens mein Mandat verteidigen.“

Heinrich Stemeseder, Spitzenkandidat Inn-Piraten

Ahoi, Matrose(n)! 

 

Pirat: Heinrich Stemeseder will sein Mandat im Gemeinderat verteidigen.

 

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ie aus dem Nichts tauchten sie am politischen Horizont Innsbrucks vor sechs Jahren auf und prophezeiten Revolution – am Ende der Wahlperiode ist der letzte Inn-Pirat Heinrich Stemeseder der erste Gemeinderat in Österreich, der sein Amt mit Fußfessel ausführt.

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Die Piraten Partei Tirol entstand ursprünglich als Landesorganisation der österreichischen Piratenpartei, wurde aber nach internen Konflikten Anfang 2012 – pünktlich zum letzten Gemeinderatswahlkampf in Innsbruck – ausgeschlossen.

Mit Bürgermeisterkandidat Alexander Ofer erzielte sie mit 3,8 Prozent der Stimmen ein Mandat und zog als erste Piratenpartei in Österreich in einen Gemeinderat ein. Nachdem sich bald nach dem Wahlsieg die Tiroler Piraten abspalteten, verblieben dort nur Ofer und sein Kumpane Heinrich Stemeseder unter neuem Namen „Inn-Piraten“. 

Der Piratenschatz. 

Die Welle der Veränderungen blieb aus. Von sich reden machten die Inn-Piraten erst wieder 2014 mit ihrer „Studie“ namens „thc4all“: Für drei Euro sollten rund 2.000 „Probanden“ zum „Zwecke der Wissenschaft“ jeweils ein Gramm Marihuana erhalten. Ende des Jahres stellten Ermittler kiloweise Suchtgift (Marihuana, Haschisch und Kokain) und 34.000 Euro in einem Safe in Ofers Wohnung sicher.

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Untersuchungshaft und die Verurteilung Ofers folgte – viereinhalb Jahre Gefängnis. Neben Suchtgifthandel wurde Ofer auch Betrug vorgeworfen: 150.000 Euro eines privaten Geldgebers, die für Ofers gemeinnützigen Verein „Tiroler für Tiroler“ gedacht waren, habe er für sich selbst verwendet – 50.000 allein für Bordellbesuche.