elbst wenn es Hardcore-Fernsehfans nicht einsehen wollen: Verena Pötzl hat ihr ORF-formatiertes Casting-Show-Ich längst hinter sich gelassen und macht jetzt genau das, was sie will. Unter anderem ist das Jazz. „Innsbruck lenkt mich zu sehr ab, deswegen hau ich mich Ende Feber auf den Strand in Kapstadt“, erzählt die 38-Jährige. Sie schreibt schon lange ihre eigenen Songs, und die Jazz-Hauptstadt Afrikas liefert die richtige Inspiration dafür: ein Jazzfestival. Für ihr eigenes Jazz-Album.
//„2015 war ein sehr intensives Jahr, und es kommt ein noch intensiveres auf mich zu“, erzählt Verena enthusiastisch. Musikalisch ist sie derzeit als singendes Mitglied der Profi-Kombo B.Streetband unterwegs, die je nach Anlass als Duo, Trio oder beliebig erweiterbar die unterschiedlichsten Feiern musikalisch gestaltet. „Wir spielen Covers, verpassen ihnen aber unsere individuelle Note. Und da meine Bandkollegen auch sensationelle Musiker sind, macht diese Arbeit sehr viel Spaß.“
//So bleibt ihr auch genug Zeit, um sich auszutoben. Die Erweiterung der kreativen Horizonte ist nämlich ein großes Thema für die Sängerin, die immer wieder neue Herausforderungen sucht und findet. So steht sie manchmal mit den Hiphoppern von Viva la Muerte auf der Bühne, liefert die Vocals für Drum’n’Bass-Projekte und rappt auf Afghanisch.
Oder präsentiert das neue „Innsbruck-Lied“ bei der Generalprobe des Neujahrskonzerts des Tiroler Symphonieorchesters. Oder tritt überhaupt in den Kammerspielen auf – und zwar in einer Hauptrolle des höchst erfolgreichen Stücks „Die Sekretärinnen“. Diese Erfahrung vor einem ungewohnten Publikum war für Verena Pötzl überaus spannend: „Da habe ich gesehen, wozu ich fähig bin – ich kann mit den Studierten und Gelernten mithalten! Für mich war das wie ein Ritterschlag.“ Schließlich sei sie doch „nur Autodidaktin“.
Du bist Fernsehen, gell.
Auf ihre Zeit bei der ORF-Castingshow „Starmania“ wird Verena Pötzl 13 Jahre später immer noch fast täglich angesprochen. Das kann mitunter sehr mühsam sein, doch sie hat gelernt, damit umzugehen: „Die Leute haben einen Anspruch auf mich, ich war ja eine Weile bei ihnen im Wohnzimmer. Sie wollen immer noch die Rockröhre aus ‚Starmania’ sehen, obwohl mittlerweile 13 Jahre vergangen sind, und wir uns alle weiterentwickelt haben“, erzählt sie. Und schildert sehr skurrile Episoden. Etwa von Fans, die sie ansprechen mit „Du bisch decht die Nadine, oder? Ah, na: die Denise (Beiler, Anm.).“ Oder von jenen enttäuschten Anhängern, die nicht wahrhaben wollten, dass „die Pötzl“ nicht mehr im Fernsehen auftritt, „nach allem, was wir als Publikum für dich getan haben.“
Auf die klassische Meldung „Von dir hört man a nix mehr“ kontert sie in der Regel mit der Frage: „Welche Art von Konzerten besuchst du denn?“ Darauf lautet die Antwort meistens: „Konzerte? Ich? Nein, i schau eher Fernsehen.“ Diese Reaktion amüsiert Verena sehr, selbst wenn sie sie leicht besorgniserregend findet. „Manche Leute sind eben nur für die Dauerberieselung empfänglich. Was außerhalb der TV-Welt passiert, nehmen sie nicht wahr“, sagt sie.
//Deshalb unterscheidet sie zwischen Szene und Branche. „Und da ich kein Teil der Branche mehr bin, haben mich die Fernsehzuschauer nicht mehr am Schirm.“ „Die Pötzl“ nimmt’s gelassen und empfiehlt den Besuch von Musikveranstaltungen – Ausflüge in die Szene eben. Einen Fernseher besitzt die 38-Jährige übrigens seit Jahren nicht mehr.
Ist der Ruf erst ruiniert …
Die Erfahrung in der Branche weiß die gebürtige Hallerin zwar zu schätzen, aber anpassen konnte sie sich einfach nicht. Mit der Rolle als „Rock Bitch“ konnte sich Verena Pötzl nicht anfreunden: „Für mich gab es nur diese Pop-Rock-Schiene, quasi die böse Version einer Christl Stürmer, die mir aber überhaupt nicht liegt. Bei ganzer Liebe für den Rock’n’Roll.“
//Der Vertrag mit dem Major Label und seine streng geregelten Klauseln ließen ihr nicht viel Spielraum, Kooperationen mit anderen Musikern waren nicht möglich: „Das hat mir eher die Hände gebunden, statt neue Möglichkeiten zu eröffnen.“
„Für mich gab es nur diese Pop-Rock-Schiene, quasi die böse Version einer Christl Stürmer, die mir aber überhaupt nicht liegt.“
Den Bildungsauftrag eines öffentlich-rechtlichen Senders sah sie auch nicht erfüllt: „Das vermittelte Bild der ‚Single Stars‘ ist sehr irreführend, nie ist eine Band zu sehen. Dabei bedeuten Auftritte doch Teamarbeit.“ Ob Rockröhre oder top gestyltes Popsternchen – die Unterhaltungsbranche und ihr Publikum scheinen einfachgestrickte Stereotypen zu brauchen.
//Trotzdem sieht Verena Pötzl das Thema heute gelassen und kann der Branche und ihren Jobmöglichkeiten auch Positives abgewinnen. „Für mich hat’s halt nicht funktioniert“, sagt sie und erinnert sich an ein Gespräch mit Austropop-Legende Georg Danzer. Seine Fürsorge wird sie wohl nie vergessen. Er fragte, ob sie Zeit für mehr als nur einen Kaffee hätte – „dann mach ma ein paar Spritzer draus, und du erzählst mir, was du so machst“. Gesagt, getan. „Glücklich bist du ned“, befand Danzer nach dem Gespräch und riet Verena, den Label-Vertrag zu kündigen, nach Tirol zurückzukehren, um hier eine Band zu suchen, „die keinen interessiert“, und einfach Songs zu schreiben.
… lebt’s sich gänzlich ungeniert.
„Die Empfehlung vom Georg nahm ich mir zu Herzen und eine Woche nach dem Gespräch kündigte ich meinen Label-Vertrag“, erzählt die Sängerin. Pötzl legte eine Pause ein, überlegte sogar, nie wieder Musik zu machen, und packte es Schritt für Schritt doch wieder an. „Alles, was ich jetzt habe, ist allein mein Verdienst – jedes Like auf Facebook habe ich mir hart erarbeitet. Ich mache alles ohne Manager oder Booking-Agentur, und kann dafür schreiben und machen, was ich will. Das ist sehr befreiend.“
//Musik ist für die begeisterte Sportlerin ein Topf voller Möglichkeiten, unzählige Musikstücke warten auf ihrem Rechner auf Veröffentlichung, darüber hinaus hat sie auch noch viele andere Ideen. „Ich würde auch gerne etwas in Richtung Elektronik machen, nur so als Beispiel. Oder öfter mit meiner Ukulele bei der Open Mic Session in der Bäckerei auftreten. Selbst wenn meine Ukulele-Skills extrem sucken“, gesteht sie lachend. Die bunte Szene Innsbrucks findet Verena sehr inspirierend: „Es passiert so viel, das gefällt mir sehr gut.“ Und gerade in dieser freischaffenden Szene möchte sie auch bleiben. Was versteht Verena Pötzl heute unter Erfolg? „Das Sprengen von Grenzen, das unmittelbare Feedback eines aufmerksamen Publikums und – last, but not least – Respekt, der einen wirklich nährt.“
„Glücklich bist du ned“, befand Georg Danzer und riet ihr, den Label-Vertrag zu kündigen.
Die Musik von Verena Pötzl in Worten:
Verena Pötzl singt zu Jazz- und Lounge-Klängen, auf Theaterbühnen und als Singer-Songwriterin mit Ukulele. Crossover-Experimenten ist sie nie abgeneigt.
Nächster Auftritt:
Als Jazz-Trio mit Sani Kunchev (Percussions) und Andreas „Chico“ Eccli (Gitarre) am 9. Feber in der Cantina Vecchia.
Bekanntheitsgrad:
8 von 10 Noten
Diese Verena Pötzl kennt vielleicht nicht jeder, aber sie hat viel mehr drauf als die Berufs-Rockröhre von 2003.
Mehr Infos:
www.facebook.com/poetzl.verena