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FEBER 2016

Kino

Die Sache mit den Schafen

„Hrútar“ erzählt in ruhigen Bildern die tragisch-komische Geschichte zweier isländischer Schafbauern, die angesichts einer Tierseuche ihre seit 40 Jahren gepflegte Praxis des feindlichen Anschweigens aufgeben müssen.

Kritik: Klaus Erler
Fotos: polyfilm
D

er in Cannes mit dem „Un Certain Regard“-Preis ausgezeichnete Film „Hrútar“ – zu deutsch „Sture Böcke“ – erzählt die Geschichte der isländischen Schafbauern Gummi und Kiddi. Als Brüder, die benachbarte Grundstücke bewohnen, haben sie vor 40 Jahren beschlossen, ihre Probleme dahingehend zu regeln, nicht mehr miteinander zu sprechen. Unbedingt Notwendiges wird per handschriftlicher Notizen kommuniziert, die ein Schäferhund übermittelt. Ansonsten geht man sich erfolgreich aus dem Weg, ohne sich an den ursprünglichen Grund des Zwists noch erinnern zu können.

Dramatischer Showdown.

Just am Tag, an dem die Schafsböcke der beiden Brüder bei der jährlichen Preisverleihung des örtlichen Schafzuchtverbands mit den ersten beiden Preisen ausgezeichnet werden, ändert sich alles: Eine Schafseuche bricht aus, der gesamte Tierbestand der Brüder und aller umliegenden Farmen muss notgeschlachtet werden. Während sich Kiddi sträubt und den Abtransport seiner gesamten Herde erleben muss, erledigt Gummi das Schlachten eigenhändig: Bald schon sind alle 147 Tiere seiner Herde tot, das versichert er dem örtlichen Veterinär glaubwürdig.

In Wirklichkeit spart er die sieben prächtigsten Schafe aus, für sie richtet er im Keller seines Hauses heimlich einen Stall ein, um verbotenerweise für den Fortbestand seiner alten isländischen Rasse zu sorgen. Doch diese geheime Praxis fliegt auf und Gummi ist ausgerechnet auf die Hilfe seines Bruders Kiddi angewiesen, um die Schafe dem drohenden Zugriff der Veterinärbehörde zu entziehen. Ein dramatischer Showdown im Schneesturm bahnt sich an.

Eine alte Geschichte, neu erzählt.

Auch wenn Filmplakat und Filmkritik das nahelegen: „Hrútar“ ist nicht primär eine Komödie, auch keine des „schwarzen Humors“. Was dem jungen isländischen Regisseur Grímur Hákonarson hier mit langsamer Kamera und eindrucksvollen Bildern gelingt, ist viel mehr ein allgemeines Sittenbild, ein Aufzeigen typisch menschlicher Schwächen, ein Hinweis auf die Beständigkeit des Trotzes und der oberflächlichen Hartherzigkeit. Deshalb müsste „Hrútar“ eigentlich auch nicht in Island spielen, ein Alpental hätte für diese geglückte Geschichte des Bruderzwistes genauso als geeigneter Schauplatz dienen können wie Villen an der Côte d’Azur.